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NAHOST/1499: Krieg in Syrien und Irak läßt Organhandel blühen (SB)


Krieg in Syrien und Irak läßt Organhandel blühen

Körperliche Unversehrtheit - für sunnitische Gotteskrieger kein Thema


Seit Mitte Oktober ist die Offensive zur Rückeroberung von Mossul, der zweitgrößten Stadt des Iraks, welche die "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) seit Juni 2014 besetzt hält, in vollem Gange. Die Region um Mossul herum bietet ein Bild des Grauens - 100.000 Kämpfer samt Kriegsmaschinerie, Kampfjets und -hubschrauber im Dauereinsatz, Zehntausende umherirrende Zivilisten, überfüllte Flüchtlingslager und Krankenhäuser, Explosions- und Beschußlärm sowie über allem eine dunkle, rußgefüllte Luft aufgrund brennender Ölfelder, die IS-Angehörige bereits vor Wochen angezündet haben und welche die irakische Feuerwehr immer noch hat unter Kontrolle bringen können. Aus der Hauptstadt der Provinz Ninawa kommen täglich neue Horrormeldungen über Greueltaten des IS gegenüber Zivilisten, die häufig als menschliche Schutzschilde genutzt werden, sowie gegenüber Abtrünnigen in den eigenen Reihen sowie mutmaßlichen Sympathisanten der irakischen Streitkräfte und deren Verbündeten. Angesichts des Vormarschs des Feindes werden potentielle Überläufer und Spitzel zwecks Abschreckung an Strommasten gekreuzigt und dort zum Verbluten - sofern sie nicht bereits tot sind - hängengelassen.

Immer wieder stoßen die vorrückenden Truppen auf Massengräber, welche die sich zurückziehenden IS-Kämpfer hinterlassen haben. Am 17. November meldete die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) die Entdeckung eines Massengrabs nahe der zehn Tage zuvor befreiten Kleinstadt Hammam Al Alil, das mehr als 300 Leichen enthielt. Bei den Getöteten soll es sich um irakische Polizisten handeln, die der IS vor rund drei Wochen massakriert hatte. Human Rights Watch zitierte einen Augenzeugen, der an drei Nächten Ende Oktober gesehen haben wollte, wie IS-Kämpfer mehrere Lastwagen mit jedes Mal mehr als 100 Männern an Bord zu einer Stelle in der Nähe eines landwirtschaftlichen Instituts fuhren. Kurz darauf habe er das Feuer von Maschinengewehren sowie entsetzliche Todesschreie gehört, so der Mann, der anonym bleiben wollte.

Auch wenn es in diesem Fall nicht zutreffen sollte, gibt es zahlreiche Hinweise, wonach der IS und andere dschihadistische Gruppen in den von ihnen kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien Menschen systematisch umbringen, um deren Organe zu ernten und sie auf dem Schwarzmarkt veräußern zu können. Bereits im Februar 2015 bei einem Auftritt vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York hat Iraks UN-Botschafter Mohamed Alhakim den Vorwurf des Organhandels und des Völkermords gegen IS erhoben. Alhakim berichtete von Massengräbern in der Nähe Mossuls, bei denen die geborgenen Leichen chirurgische Schnitte aufwiesen und wo "bestimmte Körperteile wie Nieren fehlten". Dies gebe einem zu denken, so Alhakim. Darüber hinaus behauptete der irakische Diplomat, daß der IS nach der Einnahme von Mossul dort rund ein Dutzend Chirurgen, die sich geweigert hatten, Organe aus Gefangenen und Verletzten herauszuholen, hingerichtet haben.

Im vergangenen März ließ die spanische Zeitung El Mundo eine Quelle zu Wort kommen, die mit eigenen Augen die Leichen von mindestens 183 Personen gesehen haben wollte, denen Organe zwecks Transplantation in verletzte IS-Kämpfer bzw. zum Weiterverkauf entnommen worden waren. Dem Bericht von El Mundo zufolge zwinge der IS auch die Insassen seiner Gefängnisse dazu Blut zu spenden, um es bei der medizinischen Behandlung der eigenen Freiwilligen zu nutzen. Aus diesem Grund lasse der IS gefangene irakische Polizisten und Soldaten in seinen Kerkern häufig länger als üblich am Leben, um sie als unfreiwillige Blutspender nutzen zu können, so El Mundo.

Am 17. November hat die iranische Nachrichtenagentur Fars die Vorwürfe, was den Organhandel betrifft, an die Adresse von IS und den anderen sunnitischen aufständischen Gruppen in Syrien und im Irak weiter konkretisiert. Fars zitierte Hossein Noufel, den Leiter des Amts für Gerichtsmedizin in Damaskus, mit den Worten: "Wir haben verläßliche Informationen, daß seit 2011 mehr als 25.000 chirurgische Eingriffe in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer sowie in den von Terroristen kontrollierten Gebieten Syriens vorgenommen worden sind, um die Organe von 15.000 Syrern herauszunehmen und sie auf dem internationalen Schwarzmarkt zu verkaufen. ... Eine Niere erzielt 10.000 Dollar in der Türkei, während die gleiche Niere im Irak für 1000 Dollar verkauft wird. Im Libanon und in Syrien liegt der Preis für eine solche Niere bei 3.000 Dollar." Nach Angaben Noufels werden auch andere Organe der Opfer von IS und Konsorten wie Milz und Cornea auf dem Schwarzmarkt gehandelt.

In dem Fars-Bericht war auch von Fällen die Rede, bei denen Kinder in Kampfgebieten von bestimmten Rebellengruppen wie der Al-Nusra-Front und Dschaisch Al Fatah entführt werden, um sie ihrer Organe wegen in Hinterhofkliniken in der Türkei auszuschlachten. Demnach wären wegen dieser Gefahr gerade zahlreiche Familien auf der Flucht aus der syrischen Provinz Idlib, die zum guten Teil unter der Herrschaft der Aufständischen steht. Unter Verweis auf eine anonyme Quelle berichtete Fars, daß der IS in der Türkei extra eine Tauschbörse für Organe eingerichtet habe. Demnach würden die entwendeten Körperteile auf dem Landweg von Mossul über Tal Afar in Ninawa und Rakka im Osten Syriens in die Türkei transportiert. Nach Angaben der Fars-Quelle seien auf jenem Markt verschiedenste Organe, vor allem aber Herzen und Nieren, erhältlich. Den Informanten von Fars zufolge liegt auf dem IS-Organmarkt der Preis für eine Niere bei 4000 Dollar und für ein Herz bei 6000 Dollar.

21. November 2016


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