Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


NAHOST/1458: Israel tötet Oberkommandeur der Hisb-Allah in Syrien (SB)


Israel tötet Oberkommandeur der Hisb-Allah in Syrien (SB)

Die Türkei droht mit der Errichtung einer Pufferzone in Nordsyrien


In einer spektakulären Aktion hat Israel die geopolitischen Dimensionen des Krieges in Syrien für alle Welt wieder deutlich gemacht. Mit einem Bombenanschlag bzw. einem Luftangriff am Rande des internationalen Flughafens von Damaskus ist es den israelischen Streitkräften am 12. Mai gelungen, Mustafa Amine Badreddine, den Oberkommandeur der am Syrienkrieg beteiligten Einheiten der schiitisch-libanesischen Hisb-Allah-Miliz, umzubringen. Gemeldet wurde der Tod Badreddines infolge einer von den Israelis verursachten gewaltigen Explosion auf einem Stützpunkt der Hisb-Allah-Miliz bei Damaskus vom panarabischen Nachrichtensender Al-Mayadeen TV, der in Beirut sitzt. Bislang weigern sich die israelischen Behörden, den Vorfall zu kommentieren. Bei solchen Liquidierungsaktionen hüllen sich die israelischen Behörden üblicherweise zunächst in Schweigen, um die Sicherheit aller an der Operation beteiligten Personen zu gewährleisten und den Feind in Unsicherheit wähnen zu lassen. Erst später, wenn überhaupt, bekennt sich Tel Aviv zur Tat unter Preisgabe eines absoluten Minimums an operativen Details.

Bereits 2008 hat der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad, angeblich in Zusammenarbeit mit der CIA, mittels einer Autobombe Imad Mughniyya, den langjährigen militärischen Chef der Hisb Allah, in der syrischen Hauptstadt getötet. Mughniyya war Badreddines Schwager und Cousin. Zusammen sollen beide Männer Anfang der achtziger Jahre an der Gründung der Hisb Allah mitgewirkt haben. Sie sollen auch in den verheerenden Lastwagenschlag verwickelt gewesen sein, dem im Oktober 1983 241 US-Marineinfanteristen auf ihrem Stützpunkt in Beirut zum Opfer fielen. Badreddine stand seitens eines internationalen UN-Sondertribunals wegen des Verdachts einer Beteiligung an jenem Autobombenanschlag, der 2005 den ehemaligen libanesischen Premierminister Rafik Hariri tötete, unter Anklage. Seit 2011 leitete er die militärische Unterstützungsmaßnahmen der Hisb-Allah-Miliz für die Syrische Arabische Armee (SAA) im Kampf gegen sunnitisch-salafistische Aufständische. Bis zuletzt galt der 55jährige Badreddine als enger Vertrauter von Hisb-Allah-Generalsekretär Hassan Nasrallah.

Der gewaltsame Tod Badreddines erfolgt zu einem Zeitpunkt, in dem sowohl die Hisb Allah als auch die iranischen Streitkräfte, die ebenfalls in Syrien auf seiten der SAA gegen IS, Al Nusra Front, Jaisch Al Fatah, Ahrar Al Scham, Freie Syrische Armee (FSA) und wie sie alle heißen, kämpfen, ihre bisher schwersten Verluste zu verzeichnen haben. Bei einer Schlacht um das mehrheitlich von Schiiten bewohnte Dorf Khan Touman südwestlich von Aleppo fielen am 6. Mai nach Angaben der in England ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte 12 iranische Soldaten, 15 schiitische Freiwillige aus Afghanistan und eine unbekannte Anzahl von Hisb-Allah-Kämpfern. Schlachtüberlebende von der Al Nusra Front und Jaisch Al Fatah haben bei den sozialen Medien Fotos und Videos veröffentlicht, in denen sie sich in triumphaler Pose vor den Leichen ihrer getöteten Gegner zeigten. Unbestätigten Berichten zufolge sollen die Dschihadisten auch bis zu sechs iranische Soldaten lebend gefangengenommen haben.

Inwieweit und ob überhaupt die jüngsten Verluste seitens der iranischen Revolutionsgarden und der Hisb-Allah-Miliz mit der im März von Präsident Wladimir Putin angekündigten Reduzierung der russischen Militärpräsenz in Syrien zusammenhängen, ist unklar. Insgesamt bleibt die Lage in Syrien, sowohl was die militärische Stärke der Streitparteien am Boden als auch die Absichten der am Konflikt direkt oder indirekt beteiligten ausländischen Staaten angeht, vollkommen unübersichtlich. Einerseits heißt es, Rußland setze sich für einen Waffenstillstand ein, um sich bei den USA als vertrauensvoller Partner in Szene setzen zu können, andererseits gibt es Meldungen, wonach die Russen, die Truppen Baschar Al Assads sowie Iraner und Hisb Allah eine Offensive zur Rückeroberung von Rakka planen, der IS-Hochburg im syrischen Nordosten. Gleichzeitig liest man in der Presse Spekulationen, wonach die Amerikaner, die ebenfalls nach außen hin auf Diplomatie setzen, jene Pläne durchkreuzen wollen, wozu die jüngste Entsendung mehrerer hundert US-Spezialstreitkräfte in die Kurdengebiete Nordsyriens und die Einrichtung zweier Flugplätze dort dienen sollen.

Am sogenannten Rennen um Rakka wollen sich eventuell auch die Türken beteiligen. Derzeit ziehen die türkischen Streitkräfte größere Truppenkontingente nahe der Stadt Kilis zusammen, die seit Tagen mit angeblich von IS-Angehörigen abgefeuerten Mörsergranaten beschossen wird. Wiederholt hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit einer Militärintervention im Nachbarland gedroht. Am 10. Mai meldete die konservative, regierungsnahe türkische Zeitung Yeni Safak, die Streitkräfte Ankaras bereiteten die Schaffung einer acht Kilometer tiefen und 18 Kilometer breiten Pufferzone in der Jarablus Region Syriens vor. Mit einer solchen Maßnahme könnten die Türken die Nachschubrouten für die islamistischen Rebellen in und um Aleppo offenhalten und ein weiteres Vordringen syrischer Kurden von ihrer Enklave in Rojava der Grenze entlang in Richtung Westen verhindern.

In der Kurdenfrage scheinen die Türkei und die USA zerstritten zu sein. Während die Amerikaner mit den syrischen Kurden zusammenarbeiten, um sie gegen den IS und das "Regime" Assads in Damaskus instrumentalisieren zu können, steht die Regierung Erdogan mit den Kurden im eigenen Land auf Kriegsfuß und wirft deren Volksangehörigen in Syrien vor, die "terroristische" PKK zu unterstützen. Als einziger Sieger geht aus dem Syrienkrieg bislang nur Israel hervor. Am 18. April hat Premierminister Benjamin Netanjahu offen erklärt, daß Israel die 1967 annektierten Golanhöhen als Teil seines Staatsgebietes betrachte und sie niemals wieder an Syrien zurückgeben werde. Auch wenn die UN-Vetomächte Moskau und Washington gegen Israels einseitige und illegale Grenzneuziehung protestiert haben, bestehen auf absehbare Zeit für den syrischen Staat, der selbst verzweifelt um das eigene Überleben ringt, keinerlei Möglichkeiten, die Rückgabe der strategisch wichtigen Anhöhe, die über wichtige Wasser - sowie umfangreiche Öl- und Gasreserven verfügt, zu erreichen.

13. Mai 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang