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NAHOST/1377: Hamas bietet Israel dauerhaften Waffenstillstand an (SB)


Hamas bietet Israel dauerhaften Waffenstillstand an

Friedenssignale aus Gaza - Seitens Israels bislang keine Reaktion


Im Gazastreifen sollte am 11. März die Ankunft von vier Lastwagenladungen Beton, die aus Israel gekommen waren, den Beginn eines eine Milliarde Dollar teuren, von Katar finanzierten Projekts zum Wiederaufbau von zunächst 1000 letztes Jahr zerstörten oder schwerbeschädigten Wohnungen markieren. Beim Krieg im vergangenen Sommer, der 2205 Palästinenser respektive 72 Israelis das Leben kostete, waren rund 130.000 Wohnungen in Gaza entweder unbewohnbar oder dem Erdboden gleich gemacht worden. Obwohl im vergangenen Herbst internationale Geldgeber 5,4 Milliarden Dollar Hilfe versprochen haben, kommen die Reparaturarbeiten in Gaza nicht voran. Dies liegt einerseits an der wirtschaftlichen Blockade des kleinen Küstenstreifens durch Ägypten und Israel, andererseits, so der scheidende UN-Koordinator für den Nahen Osten, Robert Serry, am anhaltenden Streit zwischen der in Gaza regierenden Hamas und der im Westjordanland an der Macht befindlichen Fatah-Partei des Noch-Präsidenten Palästinas Mahmud Abbas.

Doch möglicherweise kommt Bewegung in die Geschichte. Wie der mehrfach preisgekrönte Nahost-Korrespondent Avi Issacharoff in einem Exklusivbericht für die Onlineversion der Times of Israel am 9. März berichtete, hat Hamas Israel einen umfassenden und mehrjährigen Waffenstillstand angeboten. Hamas ist stark an einer Verständigung mit Israel interessiert, um die Lage der Gazabewohner zu verbessern. Läuft der Wiederaufbau des Gazastreifens so weiter wie bisher, wird der Entwicklungsstand von vor Ausbruch der israelischen Militäroperation Protective Edge am 8. Juli erst in 100 Jahren erreicht werden. So lautet die Einschätzung von UN-Koordinator Serry, der seit Ausrufung der Feuerpause am 26. August mehrmals in Gaza gewesen ist.

Nach Angaben von Issacharoff hat die Hamas-Führung um Moussa Abu Marzouk, Bassem Naim und Ghazi Hamid ihre Idee für einen langfristigen Waffenstillstand mit Israel bei Gesprächen mit Serry und dem Schweizer Generalkonsul Paul Garnier dargelegt. Garnier und Serry haben die Vorschläge aus dem Gazastreifen an EU-Diplomaten weitergereicht, die sie ihrerseits den Amtskollegen in Israel präsentierten. Issacharoff hat mit einem Vertreter der israelischen Regierung gesprochen, der anonym bleiben wollte, aber immerhin bestätigt hat, daß der Hamas-Vorschlag in Tel Aviv angekommen ist.

Die Initiative der Islamischen Widerstandsbewegung enthält folgende Punkte: vollständige Einstellung aller Kampfhandlungen für eine vereinbarte Frist zwischen 5 und 15 Jahren einschließlich des Verzichts der Hamas auf den Bau unterirdischer Tunnel; Aufhebung der israelischen Wirtschaftsblockade; Öffnung der Grenzübergänge nach Israel und Ägypten sowie freier Verkehr für Menschen und Güter; Ausbau des Seehafens und des Flughafens von Gaza einschließlich der Aufnahme des regulären Betriebs an beiden Standorten.

Nach dem letzten Besuch Garniers in Gaza-Stadt am 15. Februar traf sich der ehemalige britische Premierminister Tony Blair in seiner Funktion als Sondervertreter des Nahost-Quartetts mit mehreren Geschäftsmännern aus Gaza, die ihm im Namen der Hamas ein noch weitergehendes Friedensangebot überreichten. Blair hat den Plan der Regierung in Washington zukommen lassen. In dem Dokument erklärt sich die islamische Widerstandsbewegung dazu bereit, ihren Widerstand gegen die Gründung eines palästinensischen Staates innerhalb der Grenzen von 1967 fallen zu lassen - was im Umkehrschluß die faktische Anerkennung des Existenzrechts Israel bedeutet -, und sich an alle vergangenen und künftigen Friedensabkommen zwischen den Vertretern Palästinas und Israels zu halten. Wegen der bevorstehenden Knessetwahl am 17. März hat es bislang keine Reaktion von israelischer Seite auf die Friedenssignale aus Gaza gegeben. Sich damit zu befassen dürfte aber ganz oben auf Tagesordnung der neuen Regierung Israels stehen.

12. März 2015


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