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NAHOST/1300: Israel und Palästinenser-Behörde - Verhandlungen ade (SB)


Israel und Palästinenser-Behörde - Verhandlungen ade

Tel Aviv und Ramallah machen sich gegenseitig Vorwürfe



Wie zu erwarten war, sind die Friedensverhandlungen zwischen der Regierung Israels und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) gescheitert. Hauptverantwortung für das Ende der Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses durch US-Außenminister John Kerry nach nur neun Monaten trägt die Regierung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu. Entgegen ursprünglichen Zusagen hat er sich geweigert, die letzten 26 von 104 palästinensischen Gefangenen bis zum 29. März freizulassen. Angeblich konnte Netanjahu nicht anders. In dieser vierten und letzten Tranche von Gefangenen gab es mehrere israelische Bürger arabischer Abstammung, die wegen Verwicklung in "terroristische" Straftaten hinter Gittern sitzen. Sollten jene Personen freikommen, hatte Wirtschaftsminister Naftali Bennett mit dem Austritt seiner Siedler-Partei HaBajit haJehudi (Jüdisches Heim) aus dem Kabinett gedroht, wodurch dieses eventuell kollabiert wäre.

Medienberichten zufolge hat Kerry in den Stunden vor und auch nach dem Ablauf der Frist alles versucht, um den "Friedensprozeß" doch noch am Leben zu halten. Netanjahu soll er angeboten haben, bei Präsident Barack Obama für eine Begnadigung des Topspions Jonathan Pollard, der seit 1988 wegen des Verkaufs der geheimsten Daten des Pentagons an Israel in den USA eine langjährige Haftstrafe verbüßt, zu sorgen, sollte die Regierung in Tel Aviv die letzte Gruppe der palästinensischen Gefangenen freilassen. Er soll zudem Mahmud Abbas die Freilassung weiterer 400 palästinensischer Gefangener in Aussicht gestellt haben, sollte Palästinas Präsident einer Fortsetzung der Gespräche nach dem 29. April, dem Datum, bis zu dem das Rahmenabkommen für einen endgültigen Friedensvertrag stehen sollte, zustimmen.

Doch das half alles nichts. Angesichts der Verweigerungshaltung Netanjahus hat Abbas am 1. April die Konsequenzen gezogen und den Beitritt Palästinas zu 15 verschiedenen internationalen Organisationen und Abkommen schriftlich beantragt. Dazu gehören das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen, die UN-Kinderrechtskonvention, die UN-Antifolterkonvention und die UN-Konvention gegen Korruption. Nun werfen die Israelis den Palästinensern Wortbruch vor. Schließlich hatte die Netanjahu-Regierung die Wiederaufnahme von Verhandlungen im vergangenen Jahr an die Bedingung geknüpft, daß die PA in Ramallah keine weiteren Schritte in Richtung der internationalen Anerkennung Palästinas als souveräner Staat unternimmt.

Nach dem Scheitern der Kerry-Gespräche, die auch eine schwere Blamage für Barack Obama darstellen, haben die Palästinenser von der Hinhaltetaktik der Israelis, die es sich in den vergangenen Monaten nicht nehmen ließen, den Ausbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland voranzutreiben, genug. Auf einer Pressekonferenz am 3. April erklärte Rijad Mansur, der palästinensische Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York, nach dem Beitritt Palästinas zu den fünfzehn Abkommen und UN-Unterorganisationen sollten weitere folgen. Nach Angaben Mansurs hat sich die PA bereits in der Schweiz wegen eines Beitritts zur vierten Genfer Konvention von 1949 und in Belgien wegen des Beitritts zum Haager Abkommen von 1907, das die wichtigsten kriegsvölkerrechtlichen Regelungen enthält, vorgesprochen. Mansur stellte auch den Beitritt Palästinenas zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und den Antrag zur Vollmitgliedschaft bei den Vereinten Nationen in Aussicht.

Mit dem jüngsten Vorstoß der PA Richtung Unabhängigkeit scheint die Netanjahu-Regierung nicht ganz glücklich zu sein. Bei einem von Kerrys Sonderbeauftragtem Martin Indyk kurzfristig anberaumten Krisengespräch, das in der Nacht vom 3. auf den 4. April in Jerusalem stattfand, sollen sich Israels Chefunterhändlerin bei den Verhandlungen, Justizministerin Tzipi Livni von der linksliberalen Partei Hatnuah, und der langjährige palästinensische Chefdiplomat Saeb Erekat hauptsächlich damit begnügt haben, sich gegenseitig zu beschimpfen und Vorhaltungen zu machen. Es hat den Anschein, daß die Palästinenser auch nicht an eine baldige Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen glauben. Jedenfalls dürfte der Preis, den sie für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch verlangen, für die Regierung Netanjahu unannehmbar sein: die schriftliche Zusage, daß Israel die Grenzen von 1967 als Grundlage der Grenzen eines künftigen palästinensischen Staates mit Ostjerusalem als Hauptstadt anerkennt, und die Freilassung weiterer 1200 palästinensischer Gefangener.

5. April 2014