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NAHOST/1273: USA wollen Guantánamo-Häftlinge im Jemen internieren (SB)


USA wollen Guantánamo-Häftlinge im Jemen internieren

Obama findet aus dem Antiterrorlabyrinth Bushs nicht heraus



Fast fünf Jahre nachdem Barack Obama bei seinem Amtsantritt als US-Präsident angekündigt hat, innerhalb von 12 Monaten das umstrittene Internierungslager für mutmaßliche "Terroristen" auf dem US-Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba zu schließen, sitzen dort immer noch 164 Männer hinter Gittern. Gegen die meisten von ihnen ist aus Mangel an Beweisen keine Anklage erhoben worden. Wohlwissend um die verheerenden negativen Auswirkungen der Sonderhaftanstalt auf den Ruf Amerikas und in Reaktion auf die wiederholten Hungerstreiks der Insassen, hat Obama im vergangenen Mai einen neuen Versuch, Guantánamo Bay zu räumen, gestartet. Zu diesem Zweck finden derzeit internationale Verhandlungen über die eventuelle Einrichtung eines Ersatzgefängnisses im Jemen statt. Dorthin könnten demnächst alle Jemeniten in Guantánamo, die dort über die Hälfte der Gefangenen stellen, verlegt werden.

Über den Plan, ein Gefängnis im Jemen für die jemenitischen Guantánamo-Häftlinge zu bauen, berichtete am 6. November als erste Zeitung die Los Angeles Times. Offenbar kommen die Verhandlungen gut voran, denn es folgte am 16. November ein weiterer Artikel zu diesem Thema in der in Abu Dhabi erscheinenden englischsprachigen Zeitung The National. An den Verhandlungen, die aus Sicherheitsgründen in Rom stattfinden, nehmen Vertreter der USA, des Jemen, der Europäischen Union und Saudi-Arabiens teil. Die Europäer und die Saudis sollen das Projekt vermutlich finanzieren, denn der Jemen ist bettelarm und verfügt nicht über die notwendigen Mittel, während Obama Probleme hätte, vom Kongreß die benötigten Gelder zum Bau und Betrieb einer solchen Anlage genehmigt zu bekommen.

Im Jemen selbst ist man über die Pläne geteilter Meinung. Die meisten Jemeniten würden es begrüßen, wenn die heimkehrenden Guantánamo-Häftlinge in der neuen Anstalt nur vorübergehend unterkämen und dort auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereitet würden, um anschließend freigelassen zu werden. Eine Fortsetzung der dauerhaften Inhaftierung der Männer ohne Anklageerhebung stieße in der jemenitischen Öffentlichkeit auf großen Widerstand. Möglicherweise will man deshalb die Europäer und Saudis in das Projekt einbinden. Im Vergleich zu den USA verfolgt man im europäischen Strafvollzug vielmehr den Ansatz der Rehabilitation von Gesetzesbrechern, während die Behörden in Saudi-Arabien in den letzten Jahren gute Erfahrungen bei der Resozialisierung straffällig gewordener islamistischer "Extremisten" gemacht haben sollen.

Das größte Problem bei der Realisierung des Projektes dürfte der von den oppositionellen Republikanern dominierte US-Kongreß in Washington sein. Dieselben Populisten auf dem Kapitol, die 2009 aus vermeintlicher Angst um die nationale Sicherheit der USA Obamas Vorschlag der Verlegung der Guantánamo-Häftlinge in reguläre Gefängnisse auf dem amerikanischen Festland torpediert hatten, stehen der Verlegung der unfreiwilligen Dauergäste auf Kuba in ihre Heimat skeptisch bis ablehnend gegenüber. Volksvertreter wie Saxby Chambliss, der ranghöchste Republikaner im Geheimdienstausschuß des Senats, warnen bereits jetzt davor, die jemenitischen Guantánamo-Häftlinge könnten sich nach der Rückkehr nach Jemen der dort operierenden Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel anschließen und Anschläge gegen US-Ziele verüben.

Die Gefahr, die Chambliss postuliert, ist real, jedoch aus anderen Gründen, als er und seine Mitstreiter meinen. Von den 55 Jemeniten, die das Pentagon prinzipiell für eine Übergabe an die Behörden in Sanaa freigegeben hat, werden 25 als völlig harmlos eingestuft und könnten nach der Ankunft im Jemen praktisch sofort freigelassen werden. Bei den restlichen dreißig Männern heißt es, das US-Verteidigungsministerium in Arlington, Virginia, werde ihrer Verlegung in den Jemen nur dann zustimmen, wenn die Regierung dort garantiert, daß sie sich nicht dem bewaffneten Kampf anschließen. Eine solche Garantie abzugeben, geschweige denn zu erfüllen, dürfte der Regierung des Jemen schwerfallen. Wegen der regelmäßigen CIA-Drohnenangriffe, die im Jemen nicht nur mutmaßliche "Terroristen", sondern nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen auch zahlreiche Zivilisten töten, erfährt Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel aktuell einen regen Zulauf. Von daher könnte es passieren, daß es sich die Männer, die vor der Entführung nach Guantánamo Bay mit Al Kaida nichts am Hut hatten und selbst durch die Inhaftierung dort nicht zum Kampf gegen das US-Militär animiert wurden, anders überlegen.

19. November 2013