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NAHOST/1186: Feindliche Drohne schreckt Israels Luftabwehr auf (SB)


Feindliche Drohne schreckt Israels Luftabwehr auf

Teheran schickt eine eindeutige Warnung an Benjamin Netanjahu



Angesichts des anhaltenden Bürgerkrieges in Syrien, der zum Stellvertreterkonflikt zwischen der NATO, Israel, Saudi-Arabien, Katar, Jordanien und sunnitischen Al-Kaida-Extremisten auf der einen Seite, dem "Regime" Bashar Al Assads, dem Iran, Rußland und der schiitisch-libanesischen Hisb-Allah-Miliz auf der anderen geworden ist, genügt nur ein einziger schwerer Vorfall, um daraus ein Inferno mit katastrophalen Folgen für die ganze Welt zu machen. Ein solcher Vorfall hat sich am 6. Oktober, als Israels Luftwaffe über der Negevwüste eine feindliche Drohne abschießen mußte, beinahe ereignet. Zwar hat sich niemand zu der Verletzung des israelischen Luftraums bekannt. Es gehen aber alle Beobachter davon aus, daß die Drohne aus der Islamischen Republik Iran stammte, die Israel wegen ihres Kernenergieprogramms, hinter dem die Regierung in Tel Aviv eine geheime Atombombenforschung vermutet, zu einer Gefahr für den Weltfrieden erklärt hat und deshalb seit einiger Zeit mit einem eigenen Präventivschlag droht.

Das Eindringen der feindlichen Drohne in den israelischen Luftraum ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Es ist das erste Mal seit dem Libanonkrieg im Jahre 2006, daß so etwas passiert ist. Damals schickte die Hisb-Allah-Miliz mehrere unbewaffnete Beobachtungsdrohnen über die libanesische Südgrenze nach Israel, um Truppenbewegungen der israelischen Streitkräfte auszuspähen. Jene Drohnen sind vergleichsweise primitiv und haben kein eigenes Navigationssystem. Anders sieht es bei dem Luftobjekt aus, das in den frühen Morgenstunden des 6. Oktober aus dem Mittelmeerraum kommend den Gazastreifen überflog und in den Luftraum Südisraels eindrang. Ein solcher Flug kann nicht auf Sicht, sondern nur mittels eines satellitengestützten Navigationssystems geflogen werden. In den letzten Monaten hat der Iran eigene Drohnen getestet, die bewaffnet werden können und über einer Reichweite von bis zu 2000 Kilometer verfügen.

Es wird spekuliert, daß die abgeschossene Drohne im Südlibanon gestartet war, auf einer Distanz von vielleicht 20 Kilometern zur israelischen Küste das südöstliche Mittelmeer hinunterflog, bevor sie auf Höhe des Gazastreifens nach Osten abbog, das von der palästinensischen Hamasbewegung kontrollierte Gebiet überquerte und in den israelischen Luftraum hineinflog. Nach Angaben von Oberstleutnant Avital Leibovich, der Sprecherin der israelischen Streitkräfte, die am 7. Oktober eine Presseerklärung zu dem Ereignis abgab, wurde die Drohne rund eine halbe Stunde lang von israelischen Kampfjets begleitet, bevor man die Entscheidung traf, sie abzuschießen. Zum Zeitpunkt des Abschusses befand sich die Drohne nur noch 30 Kilometer von der Kernkraftanlage Dimona, dem Sitz des israelischen Atomwaffenprogramms, entfernt.

Was die Dauer zwischen der erstmaligen Entdeckung durch die israelischen Landstreitkräfte an der Grenze zum Gazastreifen und dem Abschuß über den Yatir-Wald in der Nähe des palästinensischen Westjordanlands betrifft, so ranken sich um diese Zeitspanne bereits die Legenden. In einem unbestätigten Bericht behauptete am 7. Oktober das mossadnahe Internetportal Debka File: "Israels Luftwaffe und Geheimdienst lieferten sich am 6. Oktober mit unbekannten Parteien, höchstwahrscheinlich mit der Hisbollah oder mit dem Iran eine Cyber-Schlacht... während der 30 Minuten, als der Hubschrauber [sic.] über den Süden Israels flog, wechselte die Kontrolle über das Flugobjekt zwischen israelischen Cyber-Operateuren und unbekannten Agenten hin und her." Das hier beschriebene Szenario erinnert an jenen spektakulären Vorfall, als im Dezember 2011 die US-Streitkräfte in Afghanistan eine High-Tech-Drohne vom Typ RQ-170 Sentinel über dem Iran verloren. Zum Erstaunen der gesamten Fachwelt hatten die Iraner die Kontrolle über die "Bestie von Kandahar" übernommen und zur Landung auf einem Rollfeld im eigenen Land gezwungen.

Berichten der israelischen Presse zufolge war die abgeschossene Drohne nicht bewaffnet. Man kann davon ausgehen, daß die Iraner mit der Aktion die israelische Luftverteidigung testen und der Regierung Benjamin Netanjahus eine deutliche Warnung, was die Fähigkeiten der Islamischen Republik zu Vergeltungsschlägen betrifft, zukommen lassen wollten. Hierfür spricht die prahlerische Stellungnahme von Jamaluddin Aberoumand, dem stellvertretenden Koordinator bei den Revolutionsgarden, der am 7. Oktober gegenüber der iranischen Nachrichtenagentur erklärte, das Eindringen der Drohne in den Luftraum Israels demonstriere, daß dessen Raketenabwehrsystem Iron Dome "nicht funktioniert". Die Behauptung Aberoumands sollte man nicht allzu ernst nehmen. Schließlich wurde Iron Dome für den Abschuß von schnellen ballistischen Raketen, die aus großer Höhe kommen konzipiert und nicht gegen verhältnismäßig langsame Drohen, die dicht über den Boden fliegen. Nichtsdestotrotz macht die seltsame Episode deutlich, daß sich der Nahe Osten derzeit gefährlich nah am Rande eines größeren Regionalkrieges befindet.

10. Oktober 2012