Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/1073: John McCain spielt sich in Benghazi als Held auf (SB)


John McCain spielt sich in Benghazi als Held auf

Kriegsfalke McCain profiliert sich auf Kosten von Präsident Obama


Wie man weiß, besteht die Politik in den USA zu einem nicht geringen Teil aus Showbusiness. Für Außenstehende wäre dagegen nichts einzuwenden, würden amerikanische Politiker das ganze Razzamatazz zuhause vor heimischem Publikum betreiben. Doch weil die Supermacht USA meinte ihre Nase überall hineinstecken zu müssen, nutzt die außenpolitische Elite Washingtons gern Auftritte in Übersee, um in die Abendnachrichten im amerikanischen Fernsehen zu gelangen und sich positiv ins Gespräch zu bringen. Ein gutes Beispiel dieses Phänomens war der umjubelte Auftritt Barack Obamas im Sommer 2008 vor der Siegessäule in Berlin, mit dem der Präsidentschaftskandidat der Demokraten an die Wähler in den USA die Botschaft sandte, er sei im Ausland beliebt und könnte das nach acht Jahren George W. Bush und Dick Cheney im Weißen Haus ramponierte Ansehen Amerikas im neuen Glanz erstrahlen lassen.

Angesichts solcher Verhältnisse war es zwar eine Sensation, aber vom Wesen her keine wirkliche Überraschung, als am 23. April der langjährige US-Senator John McCain in der libyschen Rebellenhochburg Benghazi auftauchte, sich demonstrativ mit den Gegnern Muammar Gaddhafis solidarisierte und vor der Weltpresse ein stärkeres Militärengagement der NATO verlangte, um den erwünschten "Regimewechsel" in Tripolis herbeizuführen. Mit dieser Nummer hat es McCain, der eigentlich nur zu einem Informationsbesuch bei NATO- und US-Militärkommandeuren in Italien gewesen sein soll, am Karfreitag 2011 in die Abendnachrichten nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt - und zwar vor der alljährlichen Papstmesse im Petersdom zu Rom - geschafft. Der lebensgefährlich erscheinende Blitzbesuch im Kriegsgebiet Libyen hat es dem Republikaner McCain ermöglicht, den eigenen Ruf als Held zu festigen und gleichzeitig den Friedensnobelpreisträger Obama, dem er bei der Präsidentenwahl 2008 unterlag, als Zauderer dastehen zu lassen, der zu wenig von den harten Realitäten des Krieges versteht und deshalb für den Posten des Oberbefehlshabers der US-Streitkräfte ungeeignet ist.

McCain selbst ist der Sproß einer Militärfamilie. Sein Vater und Großvater waren Vier-Sterne-Admirale bei der US-Marine. McCain nahm als Marinepilot am Vietnamkrieg teil. 1968 wurde er bei einem Luftangriff auf die nordvietnamesische Hauptstadt Hanoi abgeschossen und verbrachte fünf Jahre in Kriegsgefangenschaft. Nach zwei Legislaturperioden als republikanischer Abgeordneter aus Arizona im Repräsentantenhaus wurde McCain 1986 zum Senator gewählt. Im verteidigungspolitischen Ausschuß des Oberhauses des US-Kongresses dominiert er seit Jahren das Geschehen, entscheidet über den Pentagon-Haushalt und einzelne Rüstungsprojekte mit, befragt öffentlich Amerikas Generäle über die Entwicklungen in Afghanistan und im Irak und nörgelt an der Politik des Weißen Hauses herum, das in Kriegsfragen für ihn stets zu zaghaft agiert.

McCain ist immer als erster zur Stelle, wenn es darum geht, in der Öffentlichkeit lautstark ein militärisches Vorgehen gegen irgendeinen vermeintlichen Schurkenstaat zu fordern. Unvergessen bleibt sein hysterisches Drängen auf den Einsatz von Bodentruppen, als im Frühjahr 1999 die Regierung Slobodan Milosevic in Belgrad vor den Luftangriffen der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien im sogenannten Kosovokrieg nicht sofort in die Knie ging. Damals hat Justin Raimondo von der Website Antiwar.com die Dauerlösung McCains für jede Feindseligkeit, an der die USA beteiligt sind, wie folgt treffend persifliert: "We're in it, so we have to win it", zu deutsch, "Wir sind drinnen, also müssen wir gewinnen".

Bereits vor der, bis zum Schluß geheimgehaltenen Überfahrt nach Benghazi hatte McCain in Süditalien groß herumschwadroniert und sich vor Journalisten darüber beklagt, daß die meisten NATO-Piloten bei ihren Einsätzen gegen die libyschen Regierungstruppen aus Angst, sie könnten abgeschossen und gefangengenommen werden, den Befehl hätten, nicht tiefer als 8000 Meter zu fliegen, was ihre Effektivität stark einschränke. Für diese Vorgehensweise hat der 74jährige Haudegen, der für seine cholerischen Ausbrüche bekannt ist, natürlich kein Verständnis: "Wenn man in den Krieg, in die Schlacht zieht, muß man Risiken eingehen. Darum geht es im Krieg. Als ich über Vietnam flog, wußte ich, daß Boden-Luft-Raketen auf mich gerichtet waren."

In Benghazi selbst hat McCain die Obama-Administration dazu aufgerufen, den Nationalen Übergangsrat als einzige legitime Regierung Libyens anzuerkennen, wie es bereits Nicolas Sarkozys Frankreich getan hat. Er lobte die Rebellen als Kämpfer für die "Freiheit" und bestritt, daß sich unter ihnen Angehörige vom Osama Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk" befänden. McCain regte an, den Gaddhafi-Gegnern großzügig mit Waffen unter die Arme zu greifen und Militärberater an die Seite zu stellen, damit sie ihr Land "befreien" können. Wohl wissend um die Skepsis der meisten Amerikaner bezüglich der Intervention Washingtons im libyschen Bürgerkrieg hat sich McCain in Benghazi gegen den Einsatz von US-Bodentruppen, wie sie inzwischen von den bedrängten Rebellen verlangt werden, ausgesprochen. Doch sollte der Einsatz von Drohnen in Libyen - den US-Verteidigungsminister Robert Gates am Vortag bekanntgegeben hatte und der in der amerikanischen Presse als Reaktion des Pentagons und des Weißen Hauses auf die jüngste Auslandsreise McCains gewertet wird - nicht bald den erwünschten Effekt haben, wird es sicherlich nicht lange dauern, bis Amerikas profiliertester Vietmankriegsveteran die Forderung nach "boots on the ground", das heißt nach der Entsendung von Bodentruppen, erhebt.

23. April 2011