Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/1011: EU und USA erhöhen den Sanktionsdruck gegen den Iran (SB)


EU und USA erhöhen den Sanktionsdruck gegen den Iran

Es schlägt die große Stunde Stuart Leveys im "Atomstreit"


Unaufhaltsam spitzt sich der "Atomstreit" des Westens mit dem Iran zu. Genau eine Woche, nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf Drängen der Regierung Barack Obamas eine vierte Runde von Sanktionen gegen die Islamische Republik verhängt hatte, gab am 16. Juni das Finanzministerium in Washington die Verhängung weitergehender Strafmaßnahmen der USA bekannt. Tags darauf zog die Europäische Union mit der Verhängung ähnlicher Sanktionen nach. Mit den Sanktionen soll zwar der Zugang Teherans zur Rüstungstechnologie eingeschränkt, aber sollen vor allem ausländische Investoren von einem Engagement im iranischen Öl- und Gassektor abgeschreckt werden.

Offiziell heißt es, durch die Erhöhung des wirtschaftlichen Drucks soll der Iran zurück an den Verhandlungstisch gezwungen werden. Ein solches Ergebnis ist aber nicht zu erwarten, denn als einzige Lösung des sogenannten Atomstreits kommt für Washington der freiwillige Verzicht Teherans auf die Anreicherung von Uran in Betracht. Dies ist aber für den Iran indiskutabel, denn in Teheran beharrt man auf den Zugang der Islamischen Republik als Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrages zu allen Aspekten des nuklearen Kreislaufs. Die Iraner weisen die Unterstellung, sie bastelten heimlich an der Atombombe, zurück und verlangen die Rücknahme der UN-Sanktionen, die sie als illegalen Versuch betrachten, ihr souveränes Recht auf friedliche Nutzung der Kernergie zu beschneiden.

Zu einer solchen Rücknahme wird es nicht kommen. Kaum, daß in Teheran der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Erfüllung dieser Forderung quasi zur Bedingung für die Wiederaufnahme von Verhandlungen erhoben hatte, traten wenige Stunden später in Washington Finanzminister Timothy Geithner und Stuart Levey, Staatssekretär für Terrorismus und Finanznachrichten, vor die Presse, um die Verhängung noch weitergehender amerikanischer Strafmaßnahmen gegen die Islamische Republik und deren bereits existierenden oder potentiellen Handelspartner zu verkünden. Wie Levey offen erklärte, soll mittels der Sanktionen der Iran in die wirtschaftliche Isolation getrieben werden. Levey gab sich zuversichtlich, die Bemühungen der Iraner, die Sanktionen zu umgehen, aufdecken zu können, um anschließend Teheran "vor der ganzen Welt" an den Pranger zu stellen.

Die Tatsache, daß die Pressekonferenz nicht im Finanzministerium, sondern im Weißen Haus stattfand, und die Beteiligung Leveys daran lassen erkennen, daß die USA im "Atomstreit" mit dem Iran auf Eskalation setzen. Der Staatssekretär, dem starke Verbindungen zu den Neokonservativen nachgesagt wird und George W. Bush jahrelang treue Dienste erwiesen hatte, wurde beim Regierungswechsel 2009 nach Angaben der New York Times auf persönlichem Betreiben Obamas im Amt belassen, damit er weiterhin die Rolle des Schurkenstaat-Schrecks spielen könne. Im September 2005 hat Levey eine gerade erzielte Einigung bei den Sechsergesprächen zwischen China, Japan, Nordkorea, Südkorea, Rußland und den USA in Peking torpediert, als er unter fadenscheinigen Gründen drakonische Sanktionen gegen die Banco Delta Asia in Macao, über die die Regierung in Pjöngjang bis dahin einen Großteil des nordkoreanischen Außenhandels betrieb, verhängte. Das Ergebnis der Intervention Leveys war die Fortsetzung der gefährlichen Spannungen auf der koreanischen Halbinsel, einschließlich der beiden nordkoreanischen Atomtests im Oktober 2006 und im Mai 2009.

19. Juni 2010