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NAHOST/928: USA finden immer neue Gründe, im Irak zu bleiben (SB)


USA finden immer neue Gründe, im Irak zu bleiben

Mit Rüstungshilfe will sich das US-Militär unersetzlich machen


Am 31. Januar fanden Regionalwahlen im Irak statt, die aus mehreren Gründen bemerkenswert waren. Erstens liefen sie weitestgehend friedlich ab; im Unterschied zu den Parlamentswahlen drei Jahren zuvor kam es nicht zu nennenswerten Zwischenfällen in Form von schweren Bombenanschlägen oder Überfällen. Zweitens hat sich die sunnitische Bevölkerung in der Mitte des Landes an den Wahlen beteiligt und ihre bisherige Boykotthaltung aufgegeben. Drittens verloren die religiösen Parteien deutlich an Zustimmung, während dafür die säkularen Gruppierungen vorne lagen. Aus den Wahlen ging als Siegerin die gemäßigte schiitische Dawa-Partei von Premierminister Nuri Al Maliki hervor, der die Versöhnung mit den Sunniten sucht und dem aktuell eine Offerte der politischen Zusammenarbeit von Muktada Al Sadr, dem mächtigen, nationalistisch gesinnten Schiitenprediger vorliegt.

Alles in allem müßte man meinen, der Irak sei auf dem Weg der Besserung; der ethnisch-religiöse Konflikt der letzten Jahre flaue allmählich ab; Normalität kehre wieder ein; die Zeit für den Abzug der US-Streitkräfte sei endlich gekommen. Schließlich regiert seit dem 20. Januar in den USA mit Barack Obama ein neuer Präsident, der im letztjährigen Wahlkampf versprochen hatte, die amerikanischen Streitkräfte binnen 16 Monaten nach seinem Einzug ins Weiße Haus nach Hause zu holen. Doch die jüngsten Entwicklungen deuten auf das Gegenteil hin und bestätigen die Befürchtungen derjenigen, die gleich beim Einmarsch der US-Streitkräfte in den Irak im März 2003 prognostiziert hatten, daß diese dort auf Jahrzehnte hinaus stationiert sein würden.

Presseberichten aus den USA zufolge - bestes Beispiel ist der am 10. Februar erschienene Inter-Press-Service-Artikel "Petraeus Leaked Misleading Story on Pullout Plans" von Gareth Porter - legen sich führende US-Militärs, allen voran General David Petraeus, bis vor kurzem Oberbefehlshaber im Irak und seit Ende letzten Jahres CENTCOM-Chef, quer und versuchen Obamas Pläne zu torpedieren, indem sie auf längere Fristen für die Reduzierungen der Anzahl der derzeit rund 144.000 im Irak stationierten amerikanischen Soldaten plädieren. Hierzu benutzt die US-Generalität offenbar zwei Argumente: erstens, daß ein zu rascher Truppenabbau den Irak politisch destabilisieren würde, und zweitens, daß eine schnelle Räumung bestimmter Stützpunkte samt Abtransport der dort befindlichen Gerätschaften in kurzer Zeit logistisch nicht möglich wäre. Deshalb treten Petraeus und Co. für einen längeren Zeitraum ein - statt 16 Monaten, 19 bzw. 23. Monate. Interessanterweise wurde in der Rezension des Buchs "The Gamble - General David Petraeus and the American Military Adventure in Iraq, 2006-2008", die am 10. Februar in der New York Times erschienen ist, dessen Verfasser, der Journalist und Militärexperte Thomas Ricks, dahingehend zitiert, daß US-Soldaten bis mindestens 2015 im Irak den Krieg ausfechten bzw. mit Aufstandsbekämpfung zu tun haben werden.

Unabhängig davon, wie schnell oder langsam Obamas ambitionierte Truppenabzugspläne in die Tat umgesetzt werden, dürfte im Irak immer noch eine stattliche US-Truppenpräsenz von mehreren zehntausend Mann stationiert bleiben. Nicht umsonst hat Obama im Wahlkampf stets vom Abzug aller "Kampftruppen" der USA aus dem Irak gesprochen. Wie jeder anderer Politiker in Washington weiß auch er, daß das Pentagon in den letzten fast sechs Jahren eine ganze Reihe von dauerhaften Militärstützpunkten hat einrichten lassen, von wo aus das US-Militär - dem letztes Jahr zwischen der Administration George W. Bush und der Maliki-Regierung vereinbarten Abkommen über den Abzug aller US-Streitkräfte bis Ende Juni 2011 zum Trotz - langfristig seine Macht in die umliegende Region "projezieren" und die Regierung in Bagdad im Auge behalten will.

Vor diesem Hintergrund stellt sich lediglich die Frage, wie die USA den Verbleib ihre Soldaten auch nach dem Ablauf der mit Bagdad vereinbarten Frist zu rechtfertigen gedenken. Die Antwort lieferte Eli Lake in dem Artikel, der unter der Überschrift "Gear for Iraq may extend U.S. stay - Signals ties for long term" am 11. Februar in der pentagonnahen Tageszeitung Washington Times erschienen ist. Unter Verweis auf Generalleutnant Frank Helmick, der für die Ausbildung der neuen irakischen Streitkräfte zuständig ist, berichtete Lake, daß die Regierung im Irak vor kurzem bei US-Rüstungsunternehmen Waffen im Wert von rund fünf Milliarden Dollar bestellt hat. Zu dem umfangreichen Rüstungspaket gehören 140 Panzer vom Typ M1 Abrams, 24 Kampf- und Aufklärungshubschrauber der Firma Bell und 6 Militärtransportflugzeuge vom Typ C130-J. Nach Angaben Helmicks werden die Panzer erst 2011 und die Hubschrauber und Transportflugzeuge erst 2012 oder 2013 ausgeliefert werden. Um diese und andere US-Waffensysteme zu warten und die Iraker daran auszubilden, werden Tausende US-Militärangehörige von Nöten sein. Im selbem Artikel wird Iraks Verteidigungsminister Abdul Qader Al Obeidi dahingehend zitiert, daß ihm für sein Land das Beispiel Südkorea vorschwebt. 56 Jahre nach dem faktischen Ende des Koreakrieges stehen dort immer noch 24.000 US-Soldaten.

17. Februar 2009