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MILITÄR/931: Rüstung - wachsende Profite in Ost und West ... (SB)



Die weltweiten Rüstungsverkäufe haben das dritte Jahr in Folge zugenommen. Demnach verkauften im vergangenen Jahr die 100 größten Rüstungsunternehmen der Welt Waffen und militärische Dienstleistungen im Wert von rund 398,2 Mrd. Dollar (350 Mrd. Euro); das sind 2,5 Prozent mehr als 2016, meldete das Stockholmer SIPRI-Institut. 57 Prozent des Umsatzes machten US-Rüstungskonzerne. Mangels zuverlässiger Daten sind chinesische Unternehmen in dieser Summe nicht enthalten [1].

In der Gruppe der Top-100-Rüstungskonzerne sind die USA mit 42 und Deutschland mit vier Unternehmen vertreten, wobei Konzerne wie Rheinmetall und Thyssen-Krupp ihren Umsatz binnen eines Jahres um 10 Prozent gesteigert haben. Auf Platz zwei nach den Vereinigten Staaten kommt Rußland, das damit das seit 2002 regelmäßig an zweiter Stelle stehende Vereinigte Königreich abgelöst hat. Die zehn russischen Top-100-Rüstungskonzerne kamen auf zusammen 37,7 Mrd. Dollar. Das ist allerdings nur ein Sechstel dessen, was die 42 Top-100-Rüstungskonzerne der USA umgesetzt haben. Die größte Steigerung an Waffenverkäufen innerhalb eines Jahres entfällt mit 24 Prozent auf die Türkei.

Zwar muß der Sitz einer Firma in einem bestimmten Land nicht zwangsläufig bedeuten, daß dieses selber über einen entsprechend hohen Militäretat verfügt, doch zeigt die Praxis den engen Zusammenhang zwischen militaristischer Politik und der Produktion militärischer Güter. Beispielsweise sind in den USA viele Rüstungskonzerne ansässig, zugleich leistet sich das Land den mit Abstand größten Militärhaushalt und ist auch wie kein anderes bereit, seine hegemonialen Interessen unter Einsatz von Waffen durchzusetzen. "US-Unternehmen profitieren direkt vom anhaltenden Bedarf des US-Verteidigungsministeriums nach Waffen", sagte Aude Fleurant, SIPRI-Leiterin des Arms and Military Expenditure Programme.

Unterfüttert mit einer Weltmachtstatus beanspruchenden Militärdoktrin der "full spectrum dominance", also einer unangefochtenen Vorherrschaft bei allen Streitkräftegattungen (zu Boden, Luft und Wasser, im Weltraum und der Cyberwelt), versuchen die USA ihre außenpolitischen Ziele regelmäßig mit militärischen Mitteln zu erreichen. Neben unmittelbaren kriegerischen Einsätzen wie gegenwärtig in Afghanistan und Syrien sowie Stellvertreterkriegen zum Beispiel via Saudi-Arabien und dessen Verbündete in Jemen betreiben die USA auch einen Drohnenkrieg vor allem in Asien und Afrika, der so entgrenzt ist, wie es der vom früheren Präsidenten George W. Bush jun. ausgerufene "Global War On Terror", der globale Krieg gegen Terror, nahelegt.

Allein die SIPRI-Zahlen legen nahe, daß sich die Welt auf einen großen Krieg zubewegt, der die Nachfrage nach Waffen mehr und mehr erhöht. Doch greift die unter anderem in Kreisen der Friedensbewegung vertretene These, daß die Ökonomie, also die profitorientierten Rüstungskonzerne, als treibenden Kraft hinter der in den letzten Jahren verschärften Aufrüstung stecken, etwas kurz. Sicherlich, die Rüstungsunternehmen haben Profitinteressen und sind nicht ohne Einfluß auf die Politik. Und doch stellt die Ökonomie lediglich ein Mittel zur Verfolgung von Herrschaftsinteressen eines Staates nach innen wie nach außen dar. Eine Regierung hätte gegenüber der Wirtschaft durchaus das nötige Durchsetzungsvermögen, um in das Marktgeschehen einzugreifen und die Waffenproduktion runterzufahren.

Das gesellschaftliche Beteiligungsnetz an der exorbitanten Aufrüstung reicht von den Chefetagen der Rüstungsfabriken bis zu den Fließbandarbeitern (die schon wissen, warum sie es vorziehen, Waffen zusammenzuschrauben, anstatt womöglich von diesen getroffen zu werden wie all die Verdammten dieser Erde), von den politischen Entscheidungsträgern bis in die feinste Verästelung der übrigen Gesellschaft hinein, die zwar unterschiedlich, aber gemeinsam von der militärischen Stärke eines Landes profitieren.

Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland nicht zur allervordersten Front der weltweiten Rüstungsproduzenten zählt und auch hinsichtlich seiner direkten Kriegsbeteiligung bislang nicht immer die erste Geige spielt, wie die Beispiele Irak und Libyen zeigen, profitiert es und damit jeder einzelne der Gesellschaft von der heimischen Rüstungsindustrie und darüber hinaus der Mitgliedschaft im Militärbündnis NATO. Der verglichen mit den meisten Staaten in der Welt relative Wohlstand hierzulande wird letztendlich durch jenen militärischen Pakt abgesichert, ungeachtet seiner inneren Widersprüche. Dabei ist es nicht das deutsche Territorium, das gegenwärtig beispielsweise am Hindukusch "verteidigt" wird, wohl aber das kulturelle, gesellschaftliche und damit auch wirtschaftliche Modell Deutschlands und seiner Bevölkerung.

Es bedarf keiner prophetischen Gabe, um vorauszusagen, daß sich die allgemeine Aufrüstung, für die SIPRI die Zahlen liefert, irgendwann vermeintlich zwangsläufig entladen wird, und daß der nächste Weltkrieg noch mörderischer sein wird als die vorangegangenen. Hat der Einsatz von Atombomben das Ende des Zweiten Weltkriegs eingeleitet, könnten diese beim nächsten Mal den Anfang markieren. Nur ein Zyniker würde etwas Gutes darin sehen, daß der nukleare Winter, der bei einem Schlagabtausch mit Atombomben unvermeidlich eintreten und die globale Nahrungsmittelproduktion auf Jahre hinaus zum Erliegen bringen würde, wenigstens das Problem der globalen Erwärmung schlagartig beenden dürfte ...


Fußnote:

[1] https://www.sipri.org/media/press-release/2018/global-arms-industry-us-companies-dominate-top-100-russian-arms-industry-moves-second-place

13. Dezember 2018


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