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MEDIEN/463: Murdochs Handlanger in Großbritannien vor Gericht (SB)


Murdochs Handlanger in Großbritannien vor Gericht

Die Nähe zur Brooks und Coulson belastet Premierminister Cameron



Am 28. Oktober begann in London der mit Spannung erwartete Prozeß gegen Rebekah Brooks und Andy Coulson, ehemalige Spitzenvertreter des Medienimperiums Rupert Murdochs in Großbritannien, wegen Korruption, illegaler Bespitzelung von Privatpersonen, Bestechung von Staatsbeamten, Vernichtung von Beweismitteln, Behinderung der Justiz und Bildung einer kriminellen Verschwörung. Das Verfahren gegen die beiden ehemaligen Chefredakteure, das rund sechs Monate dauern soll, stellt eine schwere Belastungsprobe für David Cameron dar. Der britische Premierminister steht in Verdacht, nicht nur eine zu große Nähe zu den beiden in Ungnade gefallenen Journalisten gepflegt, sondern sogar eventuell von deren Machenschaften gewußt und sie eventuell gedeckt zu haben.

2007 hatte Cameron, damals Oppositionsführer im Unterhaus, Coulson als seinen Kommunikationsdirektor angeheuert, um sich bei dem damals noch allmächtig erscheinenden Murdoch einzuschmeicheln und mit Hilfe von dessen Blättern - The Sun, News of the World, The Times und the Sunday Times - die nächste Parlamentswahl zu gewinnen. Die Personalie sorgte für Aufsehen und Kritik, denn kurz zuvor war Coulson als Chefredakteur der News of the World zurückgetreten, nachdem ein Reporter der Sonntagszeitung wegen des illegalen Abhörens von Telefonen am Königshof verurteilt worden war. Das Anheuern von Coulson war für Cameron ein kalkuliertes Risiko. Mit der Entscheidung konnte er Murdoch gegenüber seine Loyalität zeigen und sich damit dessen politische Unterstützung sichern. Er dürfte davon ausgegangen sein, daß sich nach der gewonnenen Wahl der Abhörskandal um die News of the World und The Sun wieder legen würde.

Zunächst ging die Rechnung auf. Bei den Parlamentswahlen im Mai 2010 wurden Camerons Konservative stärkste Kraft. Mit den Liberal-Demokraten als Juniorpartner bildeten sie eine Koalitionsregierung, welche die seit 1997 regierenden Sozialdemokraten um Tony Blair und Gordon Brown ablöste. Ein Jahr danach nahm jedoch der Abhörskandal eine überraschende und für Cameron, Coulson und Brooks recht negative Wendung. Lange Zeit hatte die britische Öffentlichkeit die Berichte über das Abhören der Telefongespräche von Politikern, Fußballspielern, Popsternchen, Film- und Fernsehpersönlichkeiten sowie Angehörigen der königlichen Familie durch die Boulevardpresse als bedauerlichen, aber immerhin unterhaltsamen Teil des britischen Medienbetriebs achselzuckend hingenommen. Doch als Mitte 2011 bekannt wurde, daß Mitarbeiter der News of the World sogar die Voicemail des 2002 ermordeten, 13jährigen Schulmädchens Milly Dowler angezapft hatten, brach ein Sturm der Empörung los, der die Macht der Murdoch-Führungsclique in Großbritannien beendete.

Im Frühjahr 2002 hatte die News of the World unter ihrer damaligen Chefredakteurin Rebekah Brooks - damals trug sie noch ihren Familiennamen Wade - und deren Vize Coulson die Entführung Dowlers wochenlang zur Steigerung der Auflage ausgeschlachtet und unter anderem eine Belohnung von 100.000 Pfund für Information, die zum Auffinden des Mädchens helfen sollten, ausgeschrieben. Im September desselben Jahres wurde die Leiche der ermordeten Schülerin in einem Waldstück in Südengland gefunden. Neun Jahre später, im Mai 2011, wurde nach einem wochenlagen Prozeß der Mörder Dowlers, ein Mann namens Levi Bellfield, zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nur wenige Wochen danach kam heraus, daß während jener Phase 2002, als Dowler noch als vermißt galt und eine landesweite Suchaktion lief, Vertreter der News of the World nicht nur die Voicemails des Mädchens angehört, sondern sogar einige Nachrichten gelöscht hatten, um Platz für neue zu schaffen. Damit hatten die Zeitungsmacher bei den Eltern und der Öffentlichkeit Hoffnungen geweckt, daß das verschwundene Mädchen noch lebte. Die Nachricht von der perfiden und menschenverachtenden Aktion brachte die Menschen in Großbritannien zu der Erkenntnis, jahrelang von den Murdoch-Medien emotional mißbraucht worden zu sein. Ab diesem Moment war der Bann der Unantastbarkeit, die den australischen Verleger und die Seinigen jahrzehntelang umgeben hatte, gebrochen.

Um Schaden abzuwenden und den Volkszorn zu besänftigen, hat Murdoch sofort gehandelt und den Betrieb der Sunday World, die seit 1843 erschienen war und zuletzt eine Auflage von mehr als zweieinhalb Millionen aufwies, eingestellt. Die spektakuläre Maßnahme, die Hunderten von unschuldigen, einfachen Angestellten der Zeitung den Job kostete, half wenig. Im selbem Sommer wurden Brooks und Coulson verhaftet und auf Kaution freigelassen. Die Cameron-Regierung sah sich gezwungen, eine Untersuchungskommission unter der Leitung von Richter Lord Leveson einzuberufen, vor der sich der alternde Verleger, sein Sohn James Murdoch, Brooks, Coulson und viele andere Manager der News Corporation 2011 und 2012 einer peinlichen Befragung unterziehen mußten. Im November 2012 hat Richter Leveson den Abschlußbericht des ersten Teils seiner Untersuchung veröffentlicht und eine verstärkte Presseaufsicht gefordert. Das Gremium, das künftig die Privatsphäre der Briten vor den Medien schützen sollte, ist am 31. Oktober durch einen Erlaß von Königin Elizabeth II. ins Leben gerufen worden.

Seit mehr als zwei Jahren bemüht sich Cameron um größtmögliche Distanz zum Skandalduo Brooks und Coulson. Er behauptet zum Beispiel, mit Brooks erst seit deren Eheschließung 2009 mit dem Rennpferdetrainer Charlie Brooks, den er aus gemeinsamen Tagen am englischen Eliteinternat Eton kennt, richtig befreundet zu sein. Dagegen spricht, daß Brooks diejenige gewesen ist, die 2007, als sie noch Chefredakteuerin bei The Sun war, Cameron überredet haben soll, den infolge des Abhörskandals arbeitslos gewordenen Coulson zu seinem Medienberater zu ernennen. Während der Leveson-Untersuchung wurde auch ein reger, jahrelanger SMS-Austausch zwischen Cameron und Brooks bekannt. Nach dem Sieg der Konservativen bei der Parlamentswahl 2010 drängte Brooks, inzwischen Vorstandsmitglied von News Corporation, ihren "persönlichen Freund" Cameron dazu, im Kabinett für die Zustimmung zur geplanten Übernahme des Kabelsenders BSkyB durch den Murdoch-Konzern zu sorgen. Die Firmenfusion hätte Murdochs beherrschende Stellung in der Medienlandschaft Großbritanniens langfristig zementiert. Die Zuspitzung des Abhörskandals haben jedoch die ehrgeizigen Pläne von Murdoch und seines Protégés Brooks zunichte gemacht. Die Elefantenhochzeit zwischen BSkyB und News Corp. platzte. Nun sitzen die einstigen Überflieger Brooks und Coulson auf der Anklagebank und müssen demnächst einen Aufenthalt hinter Gitter befürchten.

1. November 2013