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MEDIEN/462: Kriegskritischer Journalist im Jemen freigelassen (SB)


Kriegskritischer Journalist im Jemen freigelassen

Abdulelah Haider Shaye drei Jahre festgehalten wegen Angriffsbericht



Nach fast dreijährigem Gefängnisaufenthalt wurde Abdulelah Haider Shaye, einer der führenden Journalisten des Jemens, am 23. Juli freigelassen. Anfang 2011 war er zu Unrecht wegen vermeintlicher Unterstützung von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Shaye verdankt seine Freilassung dem öffentlichen Druck, die Menschenrechtsgruppen im Jemen selbst und im Ausland wie zum Beispiel Amnesty International sowie sein Freund und Kollege Jeremy Scahill, der über den globalen Antiterrorkrieg der USA für die linke amerikanische Zeitschrift The Nation schreibt, erzeugt haben. Seine Entlassung aus der Haft erfolgte aufgrund einer Begnadigung durch Jemens Präsident Abd-Rabbu Mansour Hadi. Bis zum Ablauf seiner Haftzeit - also für die nächsten zwei Jahre - darf er die jemenitische Hauptstadt Sana'a nicht verlassen. Erst am Ende dieser Frist - und bei guter Führung seitens Shaye - soll die Rechtmäßigkeit des Urteils überprüft werden.

Anlaß für die skandalöse Schikanierung Shayes waren Zeitungsberichte, die er zum Angriff auf das entlegene Bergdorf Al-Majalah in der Provinz Abyan am 17. Dezember 2009 veröffentlichte. Bei dem Angriff waren 41 Menschen, allesamt Zivilisten, darunter 21 Kinder, getötet worden. Unmittelbar nach dem Vorfall hatte die Regierung in Sana'a, damals unter der Führung des langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh, verkündet, die jemenitische Luftwaffe sei für die Operation verantwortlich und hätte dabei eine Gruppe "Terroristen" erfolgreich ins Jenseits befördert. Shaye besuchte den Tatort und kam dahinter, daß die Getöteten völlig unschuldig waren. Er fand zudem Metallreste mit Herstellermarkierungen, die bewiesen, daß der Angriff von den US-Streitkräften mit Hellfire-Raketen und international geächteter Streumunition durchgeführt worden war.

Zwar war Shaye bei ABC News, der New York Times und der Washington Post als zuverlässige Quelle in Sana'a bekannt und arbeitete regelmäßig mit deren Reportern sowie mit Jeremy Scahill zusammen, doch seine Recherchen über den Angriff von Al-Majalah schlugen zunächst nur im Jemen hohe Wellen. Dies änderte sich, als Wikileaks im November 2010 eine ihm vom Gefreiten Bradley Manning zugespielte diplomatische Depesche des State Department veröffentlichte, aus der hervorging, daß der Angriff entweder von einem Schiff oder einem U-Boot der US-Marine durchgeführt worden war und daß die Regierung Barack Obama mit Präsident Saleh vereinbart hatte, daß die jemenitischen Behörden die Verantwortung für den Massenmord übernehmen sollten. Die Anwälte von Menschenrechtsorganisationen wie der American Civil Liberties Union und dem Center for Constitutional Rights fingen an, sich für die "illegale Tötung" der Bewohner von Al-Majalah zu interessieren. Bald danach wurde Shaye wegen seiner kritischen Berichterstattung festgenommen und von einem jemenitischen Gericht zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Anfang 2011 ging es mit dem "arabischen Frühling" los. Im Jemen sah sich Saleh mit einer Massenbewegung konfrontiert, die seinen Rücktritt forderte und politische Reformen verlangte. Um die Demonstranten zu besänftigen, erwog Jemens Noch-Präsident im Februar 2011 Shaye, von dem alle im Jemen wußten, daß er zu Unrecht hinter Gitter saß, zu begnadigen. Doch da schaltete sich Obama ein, rief den jemenitischen Amtskollegen an und brachte ihn von dem Vorhaben ab. Aus den offiziellen Verlautbarungen des Weißen Hauses geht hervor, daß Obama gegenüber Saleh behauptet hatte, Shaye "unterstütze" den Terrorismus.

Ganz anders sieht Amnesty International die Angelegenheit. Der Menschenrechtsorganisation zufolge wurde Shaye "ausschließlich, weil er die Verwicklung der USA in einen Angriff unter Einsatz von Streumunition" bekanntmachte, das heißt "wegen seiner legitimen Arbeit als Journalist", ins Gefängnis gesteckt. Wie man jedoch weiß, hat die Obama-Regierung große Probleme mit einer allzu eingehenden Berichterstattung zu den Bereichen Militär und Geheimdienst. Die rechtliche Drangsalierung von Whistleblowern wie Bradley Manning, William Binney und Thomas Drake sowie Journalisten wie James Risen von der New York Times und James Rosen von Fox News bezeugen dies. Entsprechend negativ fiel die Reaktion Washingtons auf die frühzeitige Haftentlassung Shayes aus. In einer offiziellen Stellungnahme erklärte Jen Psaki, der Sprecher des US-Außenministeriums, man sei über die jüngste Nachricht aus Sana'a "besorgt und enttäuscht".

27. Juli 2013