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LATEINAMERIKA/2390: Peruanisches Gericht ordnet Lori Berensons Haftentlassung an (SB)


Politische Gefangene nach vierzehn Jahren auf Bewährung frei


Peruanischen Medienberichten zufolge hat eine Richterin die Haftentlassung auf Bewährung der aus New York stammenden Lori Berenson angeordnet. Die inzwischen 40jährige war 1996 unter dem Vorwurf, sie habe die marxistische Guerillagruppe Revolutionäre Bewegung Túpac Amaru bei den Vorbereitung eines geplanten Anschlags auf den Kongreß in Lima unterstützt, zu einer hohen Haftstrafe verurteilt worden, von der sie über vierzehn Jahre in Hochsicherheitsgefängnissen verbüßt hat. Wie Richterin Jessica León verfügte, dürfe Berenson das Land während der 2015 endenden Bewährungszeit nicht verlassen. Rechtsvertreter der peruanischen Regierung wollen gegen die Haftentlassung Berufung einlegen. [1]

Lori Berenson, die derzeit in einem Gefängnis im Stadtteil Chorrillos von Lima einsitzt, nahm die Verlesung der Gerichtsentscheidung dem Vernehmen nach ruhig auf und umarmte dann kurz ihren Ehemann Aníbal Apari, der auch ihr Anwalt ist und früher der Rebellengruppe angehörte. Die beiden haben 2003 geheiratet und seit dem vergangenen Jahr einen Sohn, der im Gefängnis geboren wurde. Wie ihr Vater Mark Berenson in New York sagte, werde er diesen Tag für den Rest seines Lebens feiern. Seine Frau und er hätten so viele Jahre die Hoffnung nie aufgegeben, daß ihre Tochter freigelassen wird. Nun wisse man, daß Lori und ihr Sohn Salvador endlich ein Leben außerhalb des Gefängnisses führen können.

Lori Berenson und Aníbal Apari hatten sich 1997 in dem berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis von Yanamayo in den Anden kennengelernt, als sie dort inhaftiert waren. Apari, der später nach mehr als zwölf Jahren im Gefängnis vorzeitig auf Bewährung entlassen wurde, durfte nicht an seiner eigenen Hochzeitszeremonie teilnehmen, bei der ihn sein Vater vertrat. Die offizielle Eheschließung im Gefängnis von Cajamarca dauerte nur acht Minuten. Immerhin wurde Berenson gestattet, Apari hinterher anzurufen und ihm mitzuteilen, daß sie nun verheiratet seien. Wie ihm erklärt wurde, dürfe er seine Frau erst besuchen, wenn er in Besitz der Heiratsurkunde sei. Die beiden hatten einander seit über fünf Jahren nicht gesehen, da man Lori Berenson keinen Kontakt zu früheren Mitgliedern der Guerilla gestattete. Dessen ungeachtet machte er sich sofort auf die rund 1000 Kilometer lange Reise von Lima nach Cajamarca, um seine Ehefrau bei der nächsten Besuchszeit zu sehen, was ihm als engem Familienangehörigen nunmehr von Rechts wegen zustehe.

Lori Berenson hatte schon in jungen Jahren Anteil an dem Schicksal unterdrückter Menschen genommen. Sie wuchs in Manhattan auf und besuchte das Massachusetts Institute of Technology, wo sie sich als Forschungsassistentin eines Professors der Anthropologie mit einer Untersuchung über die Einwanderungspolitik gegenüber Flüchtlingen aus lateinamerikanischen Ländern befaßte. Sie beschäftigte sich zunehmend mit den damit verbundenen politischen Fragen und verließ nach drei Semestern 1989 das MIT, um zunächst nach Nicaragua und später nach El Salvador zu reisen. Dort wurde sie persönliche Assistentin eines Kommandeurs der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí in den Friedensgesprächen, die 1992 den Bürgerkrieg beendeten.

Im Jahr 1994 zog sie nach Peru um und erklärte ihren Eltern, so wolle Interviews mit Parlamentariern führen, die sie in Artikeln über Frauen und Armut im Lande verarbeiten werde. Sie freundete sich mit Rebellen an und unterstützte deren politische Ziele, woraus sie nie einen Hehl gemacht hat, doch hielt sie die Berichte über die gewalttätige Geschichte dieser Organisation für übertrieben. Wie einer ihrer Anwälte sagte, habe sie eine Liebesbeziehung zu einem der Rebellen gehabt, der dann im Prozeß als Kronzeuge gegen sie aussagte und dafür offenbar die drohende Todesstrafe gegen lebenslange Haft eintauschte.

Lori Berenson wurde 1995 in einem Bus in der Innenstadt von Lima verhaftet und im Januar 1996 in einem Geheimprozeß von Militärrichtern verurteilt, die hinter Gesichtsmasken ihre Identität verbargen. Die Verteidigung durfte weder Entlastungszeugen aufbieten, noch die Zeugen der Anklage ins Kreuzverhör nehmen. Natürlich stand das Urteil längst fest, bevor diese Farce inszeniert wurde, wie Tausende Peruaner bestätigen können, die damals ebenfalls von gesichtslosen Schnellgerichten abgeurteilt wurden. Die drakonischen Antiterrorgesetze gaben den Militärrichtern die Werkzeuge an die Hand, gegen jede Regung der Opposition erbarmungslos vorzugehen.

Die peruanische Öffentlichkeit behielt Lori Berenson in Erinnerung, wie sie in der Haftanstalt bei ihrem letzten Auftritt vor Journalisten mit Videokameras aufgenommen wurde. Dort rief sie mit hochgereckter Faust: "Wenn es ein Verbrechen ist, sich um die unmenschlichen Verhältnisse zu sorgen, unter denen die Mehrheit dieser Bevölkerung lebt, dann will ich meine Strafe akzeptieren!" Ihr Fall erregte beträchtliches Aufsehen in Peru, da sie schon vor ihrem Prozeß der Öffentlichkeit als überzeugte und unbelehrbare Anhängerin einer "terroristischen Organisation" präsentiert worden war.

Vermutlich wäre Lori Berenson im peruanischen Kerker gestorben und in der US-amerikanischen Öffentlichkeit weithin vergessen, hätten nicht ihre Eltern alles darangesetzt, die Verbindung zu ihrer Tochter aufrechtzuerhalten und deren Fall immer wieder in Erinnerung zu rufen. Beide gaben ihre Lehrtätigkeit am College auf, um sich ganz der Befreiung ihrer Tochter zu widmen, die sie regelmäßig in Peru besuchten. Diese war drei Jahre in dem Hochsicherheitsgefängnis Yanamayo in den Anden inhaftiert, wo dünne Luft und Dauerkälte zur tagtäglichen Folter werden, der zahlreiche Häftlinge früher oder später zum Opfer fallen. Auch sie litt zunehmend unter gesundheitlichen Problemen, darunter auch der zeitweiligen Erblindung eines Auges. Dann wurde sie ins tiefer gelegene Gefängnis von Socabaya verlegt, was ihr vermutlich das Leben rettete. Die Eltern forderten unentwegt eine sofortige Haftentlassung, da das Urteil in jeder Hinsicht unrechtmäßig gewesen sei.

Die Guerillagruppe Movimiento Revolucionario Túpac Amaru (MRTA) rückte ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit, als Lori Berenson bereits im Gefängnis saß. Im Dezember 1996 besetzte die MRTA die japanische Botschaft in Lima, um die Freilassung von politischen Gefangenen zu erreichen. Nach einer mehrmonatigen Besetzung wurde das Gebäude vom peruanischen Militär gestürmt. Dabei wurden offenbar auf Anweisung von höchster Stelle alle Mitglieder des Guerillakommandos getötet, die meisten erst nach ihrer Festnahme. Der Gründer der MRTA, Victor Polay, wurde später auf einer Marinebasis inhaftiert, wo seine Zelle acht Meter unter der Erde lag und über kein elektrisches Licht verfügte.

Die politischen Gefangenen Perus wurden in zwölf Hochsicherheitsgefängnissen konzentriert, wobei es sich neben den Häftlingen der Túpac Amaru vor allem um Mitglieder der maoistischen Guerilla Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) handelte. Der Leuchtende Pfad gehörte auf dem Höhepunkt seines Einflusses zu den kampfstärksten und erfolgreichsten Rebellengruppen Lateinamerikas und war bis 1993 in mehreren Provinzen aktiv. Er spaltete sich nach der Verhaftung seines Vorsitzenden Abimale Gúzman, der später zur Einstellung des bewaffneten Kampfes riet, jedoch nie dessen Gründe widerrief. Gúzman wurde in einem Bunker gefangengehalten, zu dem weder das Rote Kreuz noch andere humanitäre Organisationen Zutritt bekamen.

Im Jahr 2000 hob das höchste Militärgericht des Landes die lebenslange Freiheitsstrafe Lori Berensons überraschend und ohne Angabe von Gründen auf und kündigte ein neues Verfahren vor einem Zivilgericht an. Das Präsidialamt, das stets erklärt hatte, die Gefangene könne als verurteilte "Terroristin" keinesfalls mit einer Strafverkürzung rechnen, hüllte sich ebenfalls in Schweigen. Der unverhoffte Sinneswandel rührte offenbar daher, daß dem in heftige Turbulenzen geratenen Präsidenten Alberto Fujimori sehr daran gelegen war, Washington mit spektakulären Gesten milde zu stimmen, da er die Unterstützung der USA zu verlieren drohte. Berensons Fall hatte seinerzeit für diplomatische Verstimmungen zwischen Washington und Lima gesorgt, nicht weil der US-Regierung auch nur das Geringste an den Opfern ihrer Allianz mit Fujimori gegen die linke Guerilla gelegen hätte, sondern weil es sich um eine US-amerikanische Staatsbürgerin handelte, deren Verurteilung vor einem geheimen Militärgericht unangenehme Fragen in den Vereinigten Staaten aufwerfen konnte.

Da sich internationale Experten weitgehend einig waren, daß das Rechtswesen Perus in Abhängigkeit von der Exekutive stand und somit demokratische Standards nicht einmal in formaler Hinsicht erfüllte, ging man nicht davon aus, daß Lori Berenson vor einem Zivilgericht einen fairen Prozeß zu erwarten hatte. Weder die Angehörigen Berensons noch mit dem Fall befaßte Vertreter von Menschenrechtsgremien konnten sich mit einem erneuten Prozeß anfreunden, dessen Ausgang nahezu vorgezeichnet schien.

Als das Verfahren 2001 aufgenommen wurde, erhob die Staatsanwaltschaft den alten Vorwurf, Berenson habe seinerzeit in Lima für die Rebellen der MRTA ein sicheres Haus angemietet und sich mit Hilfe einer Presse-Akkreditierung vor dem geplanten Angriff Zugang zum Kongreß verschafft. Beim Sturm der Polizei auf dieses Haus kam es zu einem zehnstündigen Feuergefecht, in dessen Verlauf ein Polizist getötet und mehrere Guerilleros verwundet wurden. Berenson hatte dazu ausgesagt, ihre Mitbewohner hätten ihre wahre Identität und ihre Vorhaben niemals in ihrer Gegenwart dargelegt. Auch habe sie keine Kenntnis davon gehabt, daß das Haus zu Ausbildungszwecken oder als Waffenversteck benutzt wurde. In fließendem Spanisch warf sie der Polizei vor, gefälschte Beweise untergeschoben, Zeugenaussagen erzwungen und mittels ihrer American Express Karte, die 1995 konfisziert worden war, finanzielle Transaktionen vorgenommen zu haben. Wie sich zeigte, verwendete die Anklage mehr oder weniger dieselben Beweismittel, die bereits im Geheimprozeß eingebracht worden waren. Hinzu kam ein neuer Bericht über Berensons angeblich renitentes Verhalten im Gefängnis in Lima, in das sie im August 2000 verlegt worden war.

Unterdessen gab ein früherer Kommandeur der Guerilla in El Salvador namens Leonel Gonzalez gegenüber der Associated Press an, Berenson habe zwar früher die Rebellen in El Salvador unterstützt, doch nie an deren militärischen Einsätzen teilgenommen. Die in Peru gegen sie erhobenen Vorwürfe seien abwegig, da Berenson weder für die Aktionen ausgebildet worden war, die man ihr zur Last legte, noch sich einer solchen Vorgehensweise angeschlossen hätte.

Während der dreiwöchigen Prozeßdauer wies Lori Berenson die erhobenen Vorwürfe entschieden zurück, ohne mit ihrer Sympathie für das grundsätzliche Anliegen der Guerilla hinter dem Berg zu halten. Sie stelle keinesfalls ihre soziale Einstellung in Abrede, doch könne man daraus keine Subversion ableiten. Sie sei unschuldig im Sinne der Anklage. Die peruanische Presse stellte Berenson jedoch überwiegend als Mitglied der Túpac Amaru dar, die als eine Bande von Bombenlegern und Entführern bezeichnet wurde. Berensons Eltern, die Tag für Tag den Prozeß in der ersten Reihe des Gerichtssaals verfolgen, bezeichnen die Verhandlung als Farce.

Kronzeuge der Anklage war ein Maler aus Panama namens Pacífico Castrellón, der das fragliche Haus zusammen mit ihr angemietet hatte und ebenfalls von einem Militärgericht zu einer langen Haftstrafe verurteilt wurde. Wie er behauptete, habe Berenson ihn in Quito mit Néstor Cerpa Cartolini, einem führenden Mitglied der Túpac Amaru, bekanntgemacht. Danach seien sie aus Ecuador nach Peru gereist. Die Darstellung Castrellóns wies verschiedene Widersprüche auf. Er beschrieb sich selbst als zögernden und furchtsamen Kollaborateur der Rebellen, der diesen nur deswegen nicht den Rücken gekehrt habe, weil er um die Sicherheit seiner Familie fürchtete. Dennoch hatte man ihm so sehr vertraut, daß er im Haus ein eigenes Apartment bewohnte und dort ein Modell des Parlamentsgebäudes sowie detaillierte Karten der angrenzenden Straßenzüge anfertigte. 1995 hatte er noch behauptet, Lori Berenson habe die Rebellen im vierten Stockwerk mit Essen versorgt, jedoch bei Betreten dieser Etage eine Kapuze getragen, so daß sie niemanden erkennen konnte. Im zweiten Prozeß widerrief er diese Aussage. Castrellón habe gelogen, sagte Berenson in ihrem Schlußplädoyer. Sie wisse nur nicht, ob er etwas zu verbergen hatte oder für seine Aussage gewisse Erleichterungen erhielt. Andere Zeugen, darunter Miguel Rincon, der als Nummer zwei in der Führung der Túpac Amaru gilt, sagten aus, Berenson habe weder Kenntnis von den Aktivitäten der MRTA gehabt, noch sei sie daran beteiligt gewesen.

Neben dem Kronzeugen bot die Staatsanwaltschaft einige Dokumente auf, die angeblich von der Angeklagten stammen. Es handelte sich dabei um einen Sitzplan des Kongresses, den sie angefertigt haben soll, sowie Korrekturen am Rand ausgedruckter Schriftstücke mit Texten der Guerilla. Die Verteidigung stellte die Unabhängigkeit der Gutachter in Frage, welche die gekritzelten Worte als Handschrift Berensons identifiziert hatten, da sie alle dem Polizeidienst angehörten. Die Angeklagte erklärte im Prozeß, es handle sich ausnahmslos um Fälschungen, mit denen man sie belastet habe.

Wie ihr Anwalt José Luis Sandoval erklärte, hätten inzwischen mehrere verurteilte Rebellen ihre damaligen Aussagen zurückgezogen, wonach Lori Berenson für die Organisation auf verschiedene Weise tätig gewesen sei. Die Polizei habe vor ihrer Verurteilung 1996 Gespräche mit dem Anwalt illegal mitgeschnitten. Bei den meisten vorgelegten Beweismitteln handle es sich um Fälschungen, die im Prozeß nicht verwendet werden dürften. Und als die Staatsanwaltschaft einen Polizeibericht vorlegte, wonach Berenson im Gefängnis Küchenarbeit verweigert und gemeinsam mit anderen Häftlingen revolutionäre Parolen gerufen habe, sagte Sandoval zutreffend, dies habe nicht das Geringste mit dem verhandelten Fall zu tun.

Wie zu befürchten war, verurteilte das Zivilgericht in Lima Lori Berenson im Juni 2001 wegen Unterstützung der MRTA zu 20 Jahren Haft. Sie wurde "terroristischer Verbrechen" und der "Kollaboration gegen den Staat" für schuldig befunden. Auch schloß das Gericht eine Entlassung vor Ablauf der Strafe im Jahr 2015 aus. Vom Vorwurf, ein aktives Mitglied der Rebellenorganisation gewesen zu sein, wurde sie freigesprochen. Im Februar 2002 bestätigte schließlich das Oberste Gericht Perus das Strafmaß, womit alle Rechtsmittel ausgeschöpft waren.

In den USA, die einen extrem hohen Prozentsatz ihrer Landsleute, namentlich wenn sie nicht dem weißen Establishment angehören, einer hochmodernen Gefängnisindustrie überantworten, hätte die Kampagne zugunsten Lori Berensons vermutlich nie die einflußreichen Medien erreicht, wäre Peru nicht aus Gründen politischen Richtungs- und Führungswechsels in die Schlagzeilen geraten. Der Andenstaat Land war gehalten, sich der Aufsicht internationaler Kommissionen zu unterwerfen und bereitwillig offenzulegen, was immer die alten und neuen Herren für erforderlich hielten, deren Ministerien, Militärs und Geheimdienste eben jene Verhältnisse installieren und etablieren halfen, die nun voller Empörung an den Pranger gestellt wurden.

Der damalige Justizminister Perus, Fernando Olivera, erklärte, Berenson sei nachweislich eine "Terroristin", die in einem Prozeß unter Wahrung aller rechtsstaatlichen Garantien für schuldig befunden wurde. Sie müsse ihre Strafe absitzen, wie jeder andere auch, weswegen ein Gnadenerlaß des Präsidenten nicht in Erwägung gezogen werde. Bezeichnenderweise lehnte die Regierung Präsident Alejandro Toledos neben allen anderen Forderungen der Gefangenen auch jene nach Abschaffung der Antiterrorgesetze aus der Ära Fujimori ab. In einer Zeit, da die Vereinigten Staaten vor den Augen der Weltöffentlichkeit Militärtribunale einrichteten und Gefangene in Folterhaft nahmen, braucht sich Peru seiner Vergangenheit nicht länger zu schämen.

Damals saßen noch immer rund 2.500 Menschen, die als Rebellen oder Sympathisanten verurteilt worden waren, in peruanischen Gefängnissen, während nur wenige hundert begnadigt wurden. Nachdem 5.000 Menschen, bei denen es sich überwiegend um Angehörige der Gefangenen handelte, eine Petition eingebracht hatten, wonach vier besonders repressive Gesetze für verfassungswidrig erklärt werden sollten, setzte der Oberste Gerichtshof einige der schärfsten Antiterrorgesetze außer Kraft, die unter Fujimori erlassen worden waren. Wie Präsident Alejandro Toledo jedoch klarstellte, habe dieses Urteil keineswegs Tür und Tor der Gefängnisse geöffnet. Man werde alles Menschenmögliche unternehmen, um zu gewährleisten, daß "Terroristen" nicht auf die Straße entlassen würden.

Lori Berensons Weg führte damals nicht in die Freiheit, sondern vor die Schranken der Justiz, wobei man sich nun wiederum darüber stritt, ob diese ordentlich und der Prozeß fair gewesen sei. Vom Anliegen und Kampf der Guerilla in Peru wollten indessen die wenigsten etwas wissen. Etlichen Menschenrechtlern dürfte die Frage, ob man Berenson unterstützen sollte, obwohl sie den grundlegenden Zielen der Rebellen nicht abgeschworen hat und nie zur Verräterin an deren Sache geworden ist, schwer im Magen gelegen haben.

Als Lori Berenson seinerzeit wieder einmal in ein anderes Hochsicherheitsgefängnis, diesmal in Lima, verlegt worden war, saß sie auch dort in einem Zellenblock mit Gefangenen der Túpac Amaru ein. Einen anderen Block lehnte sie ab, da sie nicht mit Polizeispitzeln zusammengebracht werden wollte. Die Gefängnisleitung kommentierte ihre relativ gute körperliche und psychische Verfassung damals mit dem zynischen Hinweis, daß sie eben den disziplinierten Kadern der Guerilla angehöre. Sie selbst gab zumindest internationalen Presseagenturen eine andere Erklärung. Wie sie sagte, habe sie eine Menge Pech gehabt und sicherlich zehntausend Gründe, sich miserabel zu fühlen. Doch wenn sie sich umsehe und erkenne, wieviel Leid die Menschen ertragen müssen, die gefoltert wurden und nie Besuch empfangen dürfen, wisse sie wohl, daß sie trotz allem ein privilegiertes Leben führe. Wenn sie nicht zuversichtlich wäre, würde es ihr schlecht gehen, und wie lange Menschen das aushalten können, wisse sie nicht.

Anmerkungen:

[1] Peru Frees American Held Since 1995 (25.05.10)

New York Times

27. Mai 2010