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LATEINAMERIKA/2370: Venezuela und Belarus bauen Kooperation aus (SB)


Abschluß neuer Verträge bei Lukaschenkos Besuch in Caracas


Mit seiner Außenpolitik hält Venezuelas Präsident Hugo Chávez der US-amerikanischen Suprematie eine multipolare Welt entgegen, zu der er mit dem Ausbau politischer und wirtschaftlicher Beziehungen zu Rußland und China wie auch einer Reihe von Ländern, die Washington ins Visier genommen hat, einen Beitrag leistet. Er hat sich seit jeher nicht gescheut, Kontakt mit Staaten und Führungspersonen aufzunehmen, die von den Vereinigten Staaten und deren Verbündeten mit politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln angegriffen wurden. Das gilt für Libyens Omar al-Gaddafi, Saddam Hussein im Irak, Alexander Lukaschenko in Belarus oder seinen iranischen Amtskollegen Mahmoud Ahmadinejad.

Wenngleich es Chávez sicher auch persönlich reizen mag, dem Imperium den einen oder andern Stich zu versetzen, so entspringt der Vorwurf, er handle aus Eitelkeit, Geltungssucht und Machthunger doch demselben Arsenal der Bezichtigung, das den Gegner nicht nur als andersdenkend angreift, sondern in seinem Wesen zu diffamieren sucht. Der Zusammenhalt von Menschen, Strukturen, Regionen oder gar Ländern unter Bewahrung ihrer Verschiedenheit und Vielfalt ist das Feindbild und Hindernis einer globalen Weltordnung, wie sie die USA und ihre Verbündeten unter Spaltung, Fragmentierung und Pulverisierung aller verbindenden und solidarischen Bezüge und Denkweisen vorantreiben.

Nach dem Massaker der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen, bei dem zwischen Ende Dezember 2008 und Mitte Januar 2009 binnen drei Wochen rund 1.400 Palästinenser getötet, viele weitere verletzt und materielle Schäden in Milliardenhöhe angerichtet wurden, brachen Venezuela und Bolivien die Beziehungen zu Israel ab. "Warum können arabische Politiker nicht das tun, was ein Nicht-Araber und Nicht-Moslem fertigbringt?", fragte der Fernsehsender Al-Dschasira damals in einem Bericht über den in der arabischen Welt populären Staatschef Venezuelas.

Die Beziehungen zwischen Venezuela und den USA verschlechterten sich während der Regierungszeit George W. Bushs dramatisch und erreichten einen Tiefpunkt, als Chávez den US-Botschafter ausweisen ließ und den Chefdiplomaten seines Landes aus Washington zurückrief. Der venezolanische Staatschef räumte Nachfolger Barack Obama durchaus Kredit ein, die Rückkehr zur Normalisierung einzuleiten, doch teilte er die anfangs rasant um sich greifenden Blauäugigkeit und Euphorie hinsichtlich der Intentionen des neuen Präsidenten nicht. Nachdem dieser behauptet hatte, der Präsident Venezuelas "exportiere den Terrorismus" und sei ein Hindernis für den Fortschritt in Lateinamerika, bezeichnete Chávez ihn als "ignorant", was angesichts der Schwere der von Obama erhobenen Vorwürfe noch eine relativ milde Reaktion war.

Dennoch schloß er Signale aus dem Weißen Haus nicht aus, die Obamas Bereitschaft zu einer Veränderung der Beziehungen zu den Ländern Lateinamerikas belegen und auch das Verhältnis zwischen Caracas und Washington wieder auf eine rationale Ebene zurückführen könnten. Der erhoffte Neustart blieb jedoch aus, da Obama der weithin erhobenen Forderung nicht nachkam, die Blockade Kubas zu beenden. Später folgten das Abkommen über die Nutzung von sieben kolumbianischen Stützpunkten durch die US-Streitkräfte und die indirekte Unterstützung des Putsches in Honduras, welche belegten, daß die USA ihre Hegemonialpolitik unvermindert fortsetzen.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die venezolanische Bündnispolitik sowohl hinsichtlich ihrer Signalwirkung in der internationalen Diplomatie an Bedeutung, wie sie auch mit Blick auf die wirtschaftliche Kooperation längst konkrete Züge angenommen hat. So vertiefen derzeit Venezuela und Belarus ihre strategische Zusammenarbeit. Die Präsidenten Hugo Chávez und Alexander Lukaschenko haben bei einem zweitägigen Besuch des belorussischen Staatschefs in der venezolanischen Hauptstadt Caracas mehrere Kooperationsverträge unterzeichnet. Nach Angaben der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina betreffen die geschlossenen Abkommen die Bereiche Energiewirtschaft, Handelspolitik, Finanzwesen, Wissenschaft und Technik sowie das Transportwesen. [1]

Während es bis zum Jahr 2005 so gut wie keine nennenswerten Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern gegeben hatte, erreichten sie 2009 immerhin einen Umfang von 200 Millionen US-Dollar. Wie aus venezolanischen Regierungskreisen verlautete, könne diese Summe dank der neuen Abkommen erheblich gesteigert werden. Wichtigster Posten sind die geplanten Geschäfte mit Erdöl, von dem Venezuela von Mai an täglich 80.000 Barrel (ein Barrel entspricht 159 Litern) nach Belarus liefern will, wo es raffiniert und anschließend gemeinsam in Europa verkauft werden soll. Nach Einschätzung von Prensa Latina ebnet diese Liefervereinbarung Venezuela den Weg auf den europäischen Energiemarkt. Auch die gemeinsame Ölförderung in Venezuela soll ausgeweitet werden.

Umgekehrt erhofft sich Belarus, über Venezuela neue Absatzmärkte in Lateinamerika erschließen zu können. Zu den strategischen Zielen gehört die Zusammenarbeit im Wohnungsbau in dem südamerikanischen Land. Lukaschenko kündigte bei seinem Besuch an, man werde Venezuela beim Bau von 5.000 Wohnhäusern unterstützen. Gemeinsam mit seinem Amtskollegen Hugo Chávez besuchte er den zentral gelegenen Bundesstaat Aragua, in dem diese Wohnungen entstehen sollen. Dabei hob Chávez die belorussischen Erfahrungen im Häuserbau hervor und verwies auf die gewaltige Leistung des Wiederaufbaus nach den schweren Verwüstungen, die im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Truppen verursacht worden waren. [2]

Minsk unterstützt das südamerikanische Land bereits beim Wohnungsbau und in der Landwirtschaft etwa mit Lieferungen von Traktoren. Zudem sollen nun mit belorussischer Hilfe in Venezuela Fabriken zur Produktion von Traktoren, Bussen und Lastkraftwagen errichtet werden. [3]

Während einer Sondersitzung der Nationalversammlung in Caracas bot Lukaschenko auch Unterstützung im Bereich der nationalen Sicherheit an. Die Regierung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez solle sich nicht über Bedrohungen von außen sorgen müssen, sagte er und machte dabei weitreichende Erfahrungen seines Landes beim Ausbau eines einheitlichen nationalen Verteidigungssystems geltend. Chávez, der genau wie Lukaschenko ein erklärter Gegner der USA ist und vor deren Bedrohung auf der Hut sein muß, hatte Interesse am Kauf von Flugabwehrraketen der früheren Sowjetrepublik geäußert. [4]

Nachdem Hugo Chávez im September 2009 zu Besuch in Belarus gewesen war, würdigte er seinen Amtskollegen nun in Caracas als "Sozialisten", der die Bemühungen um eine multipolare Welt fördere. Lukaschenko begrüßte seinerseits die in den vergangenen Jahren forcierte Annäherung zwischen beiden Ländern.

Anmerkungen:

[1] Venezuela und Belarus vertiefen Zusammenarbeit http://www.amerika21.de/nachrichten/inhalt/2010/maerz/venez-923543-belarus/

[2] Venezuela und Belarus wollen strategische Zusammenarbeit (17.03.10)
junge Welt

[3] Lukaschenko und Chávez vereinbaren Ölgeschäft (16.03.10)
http://www.focus.de/politik/ausland/international-lukaschenko-und-chvez-vereinbaren-oelgeschaeft_aid_490140.html

[4] Weißrussland bietet Venezuela Militär-Kooperation an (17.03.10)
http://www.dw-world.de/dw/function/0,,12356_cid_5361297,00.html

18. März 2010