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LATEINAMERIKA/2335: Streik in chilenischen Kupferminen erfolgreich beendet (SB)


International beachteter Arbeitskampf nach nur zwei Tagen beigelegt


Chile verfügt mit rund 40 Prozent der bekannten Ressourcen über die größten Kupfervorkommen der Welt, deren Bedarf das südamerikanische Land zu etwa einem Drittel deckt. Die Förderung von knapp einer halben Million Tonnen dieses Industriemetalls im Jahr macht Chile zu dem mit Abstand größten Produzenten, weshalb die dort herrschenden Produktionsbedingungen beträchtlichen Einfluß auf den Weltmarkt haben. Der Kupfertagebau ist der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes, das mit den Exporterlösen ein Viertel seines Staatshaushalts bestreitet, was die enorme innenpolitische Bedeutung dieser Branche unterstreicht.

Der Streik der Arbeiter zweier Kupferminen im Norden des Landes, die in Besitz des staatlichen Konzerns Codelco sind, beherrschte daher nicht nur in Chile selbst die Schlagzeilen, sondern fand auch in den internationalen Medien große Beachtung. Was am Montag als unbefristeter Arbeitskampf begann, endete nach nur zwei Tagen mit einer Einigung und ging als einer der kürzesten Ausstände in die Geschichte des chilenischen Bergbaus ein. Berichten internationaler Presseagenturen zufolge sprachen sich fast 70 Prozent der 5.600 Beschäftigten an den Abbaustätten Chuquicamata und Mina Sur nach mehrstündiger Diskussion für ein neues Abkommen mit dem Staatskonzern aus.

Die Minenarbeiter hatten zunächst 7,5 Prozent mehr Lohn gefordert und sollen nun eine Erhöhung um 5 Prozent erhalten. Zudem einigte man sich auf die Möglichkeit von Bonuszahlungen und zinsfreien Krediten. Nach Angaben der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina feierten die drei beteiligten Gewerkschaftsverbände das Abkommen als Erfolg. Gewerkschaftsvertreter begründeten den Arbeitskampf mit dem Versuch der Unternehmensleitung, erkämpfte Standards abzuschaffen. Der Ausgang des Arbeitskampfes sei historisch, da man keinen Punkt des Tarifvertrags aufgegeben habe und diese historischen Errungenschaften auch niemals preisgeben werde. [1]

Inzwischen haben die Kumpel in den auf fast 3.000 Meter Höhe gelegenen Minen Chuquicamata und Mina Sur des Staatskonzerns Codelco, in denen rund vier Prozent des weltweiten Kupferbedarfs gefördert werden, ihre Arbeit wieder aufgenommen. Nach Angaben des Unternehmens waren in den beiden Tagen des Arbeitskampfs Fördereinbußen in Höhe von gut 2.400 Tonnen entstanden. Trotz des umgehend beigelegten Streiks stieg der Preis des Industriemetalls auf dem Weltmarkt weiter an und verteuerte sich nach 7.485 Dollar pro Tonne am Dienstagabend auf 7.622 Dollar. [2]

Der anhaltend hohe Kupferpreis war 2009 um mehr als 150 Prozent gestiegen, woran die Arbeiter in dem zweitgrößten Minenbetrieb der Welt teilhaben wollten. Als wichtigster Wirtschaftsfaktor des Landes stand der Staatskonzern angesichts der nationalen Bedeutung des Streiks im Fokus der politischen Führung, die den Arbeitskampf in mehr oder minder harschen Worten kritisierte. Präsidentin Michelle Bachelet hatte sich wenige Stunden nach Streikbeginn in einer Radiobotschaft an die Bevölkerung gewandt und ihrem Bedauern über die festgefahrene Situation Ausdruck verliehen. Dieser Arbeitskampf sei schlecht für Chile, weshalb die Beteiligten möglichst bald zu einem Ergebnis kommen sollten. Innenminister Edmundo Pérez Yoma verurteilte den Arbeitskampf gar als unverständlich und unsolidarisch gegenüber den übrigen Arbeitern im Land. Die Unternehmensleitung sprach von überhöhten Forderungen, die ethisch untragbar seien, und beklagte einen Ausfall von acht Millionen US-Dollar pro Streiktag. [4]

Von besonderer Brisanz war der Streik der Minenarbeiter auch deshalb, weil in Chile am 17. Januar ein neuer Präsident gewählt wird. Aussichtsreichster Kandidat ist der rechtsgerichtete Milliardär Sebastián Piñera, der im ersten Wahlgang mit 44 Prozent die absolute Mehrheit verfehlt hatte. Dieser kündigte für den Fall seines Sieges die Privatisierung des Staatskonzerns Codelco an, so daß weitere und wesentlich härtere Arbeitskämpfe zu erwarten wären. Die Kupferindustrie zählt mit einem Organisationsgrad von fast hundert Prozent zu den Hochburgen der chilenischen Gewerkschaftsbewegung, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß Nichtmitglieder nur 85 Prozent des Lohnes ausgezahlt bekommen.

Der Konzern Codelco ist seit den Tagen Präsident Salvador Allendes, dessen Volksfrontregierung die Kupferindustrie 1971 sozialisierte, trotz aller Angriffe und Beschädigungen durch die Privatisierungswelle der Pinochet-Ära das einzig existierende Staatsunternehmen geblieben. Da die Rechte seiner Arbeiter auch und gerade im Chile von heute durchaus historisch genannt werden können und seine Erlöse großenteils in das Sozialsystem fließen, bleibt Codelco über ein bloßes Symbol besserer Zeiten der Arbeiterbewegung hinaus eine Errungenschaft, die es angesichts des drohenden Rechtsrucks um so entschiedener gegen künftige Angriffe zu verteidigen gilt.

Anmerkungen:

[1] Kupfer-Streik in Chile erfolgreich beendet (07.01.10)
http://www.amerika21.de/nachrichten/inhalt/2010/jan/kupfer-9274740- chile/

[2] Streik in chilenischen Kupferminen beendet (06.01.10)
http://www.dw-world.de/dw/function/0,,12356_cid_5088979,00.html

[3] Kupferminen-Arbeiter beenden Streik (06.01.10)
http://www.drs.ch/www/de/drs/nachrichten/wirtschaft/164070.kupferminen- arbeiter-beenden-streik.html

[4] Streik in den Anden. Chilenische Arbeiter legen weltgrößte Kupfermine von Chuquicamata lahm. Präsidentin Bachelet: Arbeitskampf schadet dem Land (06.01.10)
junge Welt

7. Januar 2010