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LATEINAMERIKA/2249: US-Stützpunkte in Kolumbien bedrohen Südamerika (SB)


Strategische Optionen in Vorbereitung künftiger Sourcenkriege


Während der vielzitierte "Krieg ums Öl" in aller Munde ist und dabei den unbestreitbaren Hunger der führenden Industriestaaten nach fossilen Brennstoffen allzu oft unter mehr oder minder weitgehender Mißachtung systemischer Gesellschaftsentwürfe unzulässig verabsolutiert, bleibt die längst eingeläutete Phase globaler Herrschaftssicherung zumeist ausgeblendet. In einer Welt, deren unmittelbar lebensnotwendige Sourcen Luft, Wasser und Nahrung nur für einen Bruchteil der Menschheit ausreichen und künftig in Anbetracht des Bevölkerungswachstums und des katastrophalen Klimawandels um so weniger für alle Menschen verfügbar sein werden, zielen die strategischen Entwürfe der Machteliten auf eine unumkehrbare Weltordnung ab, die das Überleben einer Minderheit zu Lasten der in erbärmlichsten Verhältnissen vegetierenden oder zugrundegehenden Mehrheit gewährleistet.

Unter den politischen, militärischen und ökonomischen Aspekten dieser Zugriffsentwicklung nimmt die Verfügung über die ergiebigsten Reserven an produzierten Nahrungsmitteln, Trinkwasser und nicht zuletzt biologischen Potentialen zur Entwicklung neuer Medikamente gegen alte und neue Seuchen eine herausragende Stellung ein. Südamerika bleibt aus Perspektive der Vereinigten Staaten keineswegs ein hegemonial für sich reklamierter Hinterhof, den man dauerhaft vernachlässigen oder gar leichten Herzens in eine eigenständige Entwicklung entlassen kann, sondern im Gegenteil eine Region diverser unverzichtbarer Bodenschätze und nachwachsender Rohstoffe zur Treibstoffgewinnung, wie auch und vor allem von Nahrungsmitteln und Biodiversivität.

Der Trend lateinamerikanischer Länder, sich der US-amerikanischen Dominanz zu entledigen und eine Entwicklung auf Grundlage verstärkten regionalen Zusammenschlusses anzusteuern, stellt unter strategischen Gesichtspunkten eine Bedrohung weltweit in Stellung gebrachter Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten dar, die untrennbar mit dem Raub in Gestalt von Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft wie auch der ungezügelten Plünderung natürlicher Vorkommen verbunden sind. Zu prognostizieren ist unter diesen Voraussetzungen keinesfalls ein Rückzug Washingtons aus dieser Weltregion oder ein partnerschaftliches Verhältnis mit emanzipatorischen Bewegungen. Absehbar ist vielmehr eine variable Mischung aus Maßnahmen verstärkter Einbindung, Spaltungsprozessen und dem forcierten Ausbau militärischer Optionen, wie sie derzeit unter dem Schleier eines moderateren Umgangstons der Obama-Administration und der hochentwickelten Blendwirkung des aktuellen US-Präsidenten vorangetrieben werden.

War schon die von George W. Bush für die Kontrolle Lateinamerikas reaktivierte 4. US-Flotte ein weithin als tölpelhafter Affront oder anachronistischer Rückfall mißverstandener Auftakt zu verstärkter militärischer Präsenz mit Blick auf künftige Sourcenkriege, so gilt das um so mehr für die geplanten US-Stützpunkte in Kolumbien, die der Marine und Luftwaffe ausgezeichnete Optionen zur Überwachung riesiger Gebiete und Operationen nicht im Lande selbst, sondern weit darüber hinaus eröffnen. Da die Verträge für die Dauer von zehn Jahren geschlossen werden und eine automatische Verlängerung im Gespräch ist, geht es hier um eine langfristige Weichenstellung und damit weit mehr als nur einen Fuß in der Tür dieser Weltregion.

Die Liste naheliegender Operationsziele beginnt beim verstärkten Kampf gegen die kolumbianische Guerilla und der angestrebten Rückeroberung des ganzen Landes, das als engster Verbündeter der USA in Südamerika zu einem Brückenkopf ausgebaut und zugleich der ungehinderten ökonomischen Verwertung zugeführt werden soll. Sie setzt sich fort mit der Bedrohung von Nachbarländern wie Venezuela, Bolivien und Ecuador, die sich am entschiedensten gegen die Ansprüche Washingtons zur Wehr setzen. Hinzu gesellt sich die Kontrolle des gesamten Amazonasgebiets als gewaltige Source von Bodenschätzen und Rohstoffen. Und selbst den führenden Agrarproduzenten Brasilien und Argentinien samt dem kleinen Nachbarn Paraguay, der bereits mit einem bedeutenden US-Stützpunkt auf seinem Territorium gestraft ist, rückt das Eingreifpotential der USA dichter auf den Leib.

Gegenüber dem "Plan Kolumbien", in dessen Rahmen dem Verbündeten seit dem Jahr 2000 mehr als fünf Milliarden Dollar US-Militärhilfe zugeschustert wurden, haben Pachtverträge zur Nutzung der kolumbianischen Stützpunkte Palanquero, Apiay und Malambo für die Luftwaffe sowie Cartagena und Málaga Bay für die Marine einige bedeutende Vorteile. Zum einen läuft der Kolumbienplan früher oder später aus, da er der Zustimmung des US-Kongresses unterliegt und durch eine politische Entscheidung an Auflagen geknüpft, eingeschränkt oder nicht erneuert werden kann. Militärische Stützpunkte im Ausland sind hingegen von wenigen Ausnahmen abgesehen der parlamentarischen Kontrolle weitgehend entzogen, was sowohl für die Finanzierung als auch die konkreten Verhältnisse vor Ort betrifft. Wohl hat der US-Kongreß personelle Obergrenzen für die stationierten Soldaten und Offiziere festgelegt, doch werden diese mit Hilfe privater Dienstleister verschleiert und umgangen.

Soweit bekannt, sind die Operationen auf den fünf Stützpunkten im Unterschied zu der von Ecuador nicht länger geduldeten Präsenz auf der Basis Manta am Pazifik von Anfang an nicht auf die Bekämpfung des Drogenschmuggels beschränkt und entziehen sich bei Einsätzen im Ausland vollends kolumbianischer Kontrolle. Die einheimischen Militärs bleiben zwar formal Hausherrn der Stützpunkte, doch arbeiten sie ohnehin eng mit den US-Streitkräften zusammen und haben im Fall dennoch auftretender Kontroversen wenig bis gar keinen Einfluß.

Auch das kolumbianische Parlament bleibt weitgehend ausgeschlossen, zumal die Regierung mit dem geplanten Abkommen gegen Artikel 173 der Verfassung verstößt, der die Präsenz ausländischer Truppen im Land nur im Transit gestattet, wofür eine Zustimmung parlamentarischer Instanzen notwendig ist. Die Administration Präsident Uribes treibt eine Entwicklung voran, die ihre Statthalterschaft und damit die Macht im eigenen Land perpetuiert und zugleich den US-Streitkräften Tür und Tor für die Bedrohung der Nachbarländer öffnet. Boliviens Präsident Evo Morales sprach im Zusammenhang mit dieser Entscheidung der Führung in Bogotá von einem Verrat und erhob die Forderung, sämtliche ausländischen Stützpunkte aus der gesamten Region zu verbannen.

4. August 2009