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LATEINAMERIKA/2228: Honduras droht Rückführung ins Lager der USA (SB)


Wird der Kurswechsel Präsident Zelayas zu Grabe getragen?


Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat Honduras mit Ausschluß gedroht, sollte Präsident Manuel Zelaya nicht binnen einer Frist von 72 Stunden, die am Samstag abläuft, wieder eingesetzt werden. Die UN-Vollversammlung, die Europäische Union und das Zentralamerikanische Integrationssystem haben beschlossen, die neue Führung in Tegucigalpa nicht anzuerkennen. Die Weltbank hat Kredite über 280 Millionen Euro auf Eis gelegt. Neben einer Reihe weiterer Länder haben die diplomatischen Vertretungen der EU beschlossen, ihre Botschafter aus dem mittelamerikanischen Land zurückzubeordern. Spaniens Außenministers Miguel Angel Moratinos teilte mit, daß neben seinem Land auch Deutschland, Frankreich und Italien sowie die Vertretung der EU-Kommission bis auf weiteres nicht mehr auf Botschafterebene in Honduras vertreten sind. Die USA haben die militärische Zusammenarbeit eingeschränkt, wovon gemeinsame Manöver, Antidrogeneinsätze und die Zusammenarbeit der Streitkräfte bei humanitären Einsätzen betroffen sind. Die US-Regierung hat jedoch eine Entscheidung über die Aussetzung finanzieller Hilfen auf Montag verschoben. Die Weltbank legte Kredite im Umfang von rund 282 Millionen Euro auf Eis. Die Nachbarländer Guatemala, Nicaragua und El Salvador haben die Handelsbeziehungen zu Honduras bis auf weiteres eingestellt.

Die Liste verhängter oder angedrohter Sanktionen ließe sich noch lange fortsetzen, was darauf verweist, daß sich die Putschisten in Tegucigalpa einer breiten und nahezu geschlossenen Front der Ablehnung gegenübersehen, die sie international isoliert und unter Druck setzt. Allerdings darf man nicht unterschlagen, daß die Motive, sich diesem einhelligen Protest gegen den Staatsstreich anzuschließen, höchst unterschiedlicher Natur sind. Präsident Zelaya wurde entmachtet und zwangsweise nach Costa Rica abgeschoben, weil er sich Amtskollegen wie Hugo Chávez, Evo Morales und Rafael Correa angenähert und das Land in die ALBA geführt hat. Während er sich der Unterstützung in Caracas, La Paz und Quito wie auch in zahlreichen anderen Hauptstädten lateinamerikanischer Länder sicher sein kann, ist die Position der Obama-Administration taktischer Natur. Das zeigt nicht nur die zögerliche und zwiespältige Haltung der US-Regierung hinsichtlich der Sanktionen, sondern auch die lange und berüchtigte Vorgeschichte der Beziehungen zu den früheren Regierungen und den Militärs von Honduras.

Honduras ist das einzige Land Mittelamerikas, in dem die USA einen permanenten Militärstützpunkt unterhalten. Auf einem Flugplatz nur 60 Meilen von der Hauptstadt entfernt sind rund 800 Soldaten und andere Mitarbeiter stationiert. Jahrzehntelang hat Washington die zumeist rechtsgerichteten Regierungen des Landes unterstützt und Operationen in der gesamten Region durchgeführt. Im Jahr 1954 wurde von Honduras aus der Putsch gegen den gewählten Präsidenten Guatemalas, Jacobo Arbenz Guzmán, eingeleitet und in den 1980er Jahren war das Land die Basis für die Kämpfe der Contras gegen die Sandinisten in Nicaragua.

Manuel Zelaya hat seine ursprünglich für heute geplante Rückkehr nach Honduras bis zum Wochenende in der Hoffnung verschoben, daß sich die Lage unter dem Druck des Ultimatums der OAS bis dahin entspannt hat und seine persönliche Sicherheit eher gewährleistet ist. Eine schnelle Rückkehr sei nicht klug, sagte Costa Ricas Präsident und Friedensnobelpreisträger Oscar Arias der Zeitung "Prensa Libre" in San José. Bislang hat der vom Parlament ernannte Übergangspräsident Roberto Micheletti nicht im mindesten eingelenkt und Gesprächen mit der OAS über eine Wiedereinsetzung Zelayas eine Absage erteilt. Er pocht auf den erlassenen Haftbefehl, der dem entmachteten Staatschef im Amt begangene Verbrechen zur Last legt, die eine sofortige Festnahme im Falle seiner Rückkehr zur Folge hätten. Ihm werden insgesamt 18 Delikte angelastet, die es nach den Worten von Generalstaatsanwalt Roy Urtecho unumgänglich machen, Zelaya vor Gericht zu stellen. [1]

Längst verdichten sich die Berichte aus Honduras zu einem Bild wachsender Repression gegen jene Fraktionen der Bevölkerung, die den Umsturz verurteilen und die Rückkehr des demokratisch gewählten Präsidenten fordern. Im Kontext der verhängten nächtlichen Ausgangssperre hat der Kongreß mehrere Verfassungsrechte vorerst außer Kraft gesetzt, wovon vor allem die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit betroffen sind. Auch dürfen Verdächtige mehr als 24 Stunden ohne die Erhebung von Vorwürfen festgehalten werden. Außerdem soll vorübergehend die Einreise nach Honduras schärfer kontrolliert werden.

Zweifellos ist den Sicherheitskräften daran gelegen, den Protest der Anhänger Zelayas einzudämmen und den offensichtlich falschen Eindruck zu erwecken, die Bevölkerung stehe mit großer Mehrheit hinter dem erzwungenen Führungswechsel. Der Gewerkschafter Angel Alvarado berichtete gegenüber dem venezolanischen Sender YVKE Mundial von Demonstrationen und Straßenblockaden in 23 Orten. So seien allein in San Pedro Sula, der zweitwichtigsten Stadt des Landes, 10.000 Menschen auf die Straße gegangen und Opfer brutaler Unterdrückung durch Soldaten und Polizisten geworden. (junge Welt 02.07.09)

Das Straßenbild Tegucigalpas und anderer Städte wird von patrouillierenden Soldaten und Polizisten beherrscht. Die Rede ist von zwei getöteten Demonstranten und Hunderten Verletzten sowie Verhaftungen in unbekannter Zahl. Mitglieder der Regierung Zelayas wurden festgenommen oder deportiert, Fernseh- und Radiostationen geschlossen und Journalisten an der Arbeit gehindert oder inhaftiert. Verschiedene Organisationen haben Menschenrechtsverletzungen der Putschisten angeprangert. So teilte der Leiter des Antifolterkomitees in Honduras, Juan Almendares, telefonisch mit, daß die Armee dazu übergehe, Jugendliche zu verschleppen und zwangsweise zu rekrutieren. Angaben des Jesuitenpaters Ismael Moreno zufolge drangen Soldaten in den von seiner Gemeinde betriebenen Radiosender ein. Sie hätten den Sendebetrieb unterbrochen und den Mitarbeitern damit gedroht, die Einrichtungen zu zerstören, falls sie weiter senden sollten.

Manuel Zelaya hatte das Präsidentenamt Anfang 2006 als Großgrundbesitzer und Holzfabrikant für die Liberale Partei angetreten, so daß zunächst nichts darauf hindeutete, daß er kein Vertreter seiner Klasseninteressen und politischer Sachwalter der Eliten sein würde. Zu seinem Sinneswandel dürften die Folgen des regionalen Handelsabkommens mit den USA (CAFTA) beigetragen haben, die Honduras, in dem mehr als 60 Prozent der Bevölkerung in bitterer Armut leben, nicht etwa den versprochenen Entwicklungsschub bescherten, sondern die Abhängigkeit von der US-Wirtschaft vertieften und die Lebensbedingungen mehrheitlich verschlechterten. Hinzu kamen Sanktionen der US Food and Drug Administration wie auch das imperiale Gehabe des US-Botschafters. Für dringend benötigte Infrastrukturprojekte mußte die Regierung Kredite der Weltbank erbitten, die nur unter jahrelanger Verzögerung gewährt wurden und mit knebelnden Auflagen verbunden waren.

Vermutlich waren es eher pragmatische als ideologische Motive, die zur Annäherung an die vor allem von Venezuela gestützte ALBA und Petrocaribe führten, die als Gegengewicht zur Abhängigkeit von den USA ins Leben gerufen worden waren. Honduras erhielt Finanzhilfen sofort, in vollem Umfang und ohne Bedingungen, die es der Regierung erlaubten, Sozialprojekte in Angriff zu nehmen. Zudem bezieht das Land täglich 20.000 Faß Rohöl zu außerordentlich günstigen Tarifen von Venezuela.

Was ihn endgültig zum Paria der honduranischen Eliten und somit auch der USA machte, war sein Versuch, nach dem Vorbild Venezuelas, Boliviens und Ecuadors eine verfassunggebende Versammlung anzustreben, in der sich das Volk kraft seiner Mehrheit eine seinen Interessen gemäßere Ordnung geben könnte, die Grundlage gesellschaftlicher Reformprozesse wäre. Gezielt irreführend als Versuch diffamiert, Zelaya wolle weitere Amtszeiten erzwingen, um sich zum Despoten aufzuschwingen, bot dies den Vorwand, sich seiner zu entledigen. Unter reger Beteiligung Washingtons wurden Pläne geschmiedet, wobei die honduranischen Militärs und deren Kumpane entweder übers Ziel hinausschossen oder zu Schachfiguren in einem komplexen strategischen Plan der US-Administration degradiert wurden.

Man kann davon ausgehen, daß Washington mit Hochdruck an einer Übereinkunft zwischen Zelaya und den Putschisten arbeitet. Als wahrscheinliche Konsequenz deutet sich eine Rückkehr Manuel Zelayas ins Präsidentenamt unter Auflagen an, die seinen Handlungsspielraum einengen und das Vermächtnis seiner Regierungszeit mit dem Ende seiner persönlichen politischen Ambitionen zu Grabe tragen.

Anmerkungen:

[1] http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5hcTXBWKjL5QTNA5UorA9Kby4EB2g

2. Juli 2009