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LATEINAMERIKA/2176: Janet Jagan war die erste Präsidentin Guayanas (SB)


Frühere sozialistische Staatschefin im Alter von 88 Jahren gestorben


Am 28. März ist Janet Jagan, die erste Präsidentin Guayanas war, im Alter von 88 Jahren in einem Regierungskrankenhaus der Hauptstadt Georgetown gestorben. Sie wurde am 20. Oktober 1920 als Janet Rosalie Rosenberg in Chicago geboren und absolvierte eine medizinische Ausbildung an der Wayne State University in Detroit und an der Northwestern University in Chicago. Die wegen ihrer kommunistischen Überzeugung "Rote Janet" genannte Studentin lernte im Dezember 1942 im Alter von 22 Jahren an der Medical School in Chicago Cheddi Jagan aus Britisch-Guayana kennen, der damals in den USA Soziologie und Zahnmedizin studierte. Er war das älteste von elf Kindern einer aus Indien in das südamerikanische Land eingewanderten Familie, die ihren Lebensunterhalt mit dem Schneiden von Zuckerrohr verdiente. Gegen den heftigen Widerstand ihrer jüdischen Eltern heiratete Janet Rosenberg den angehenden Arzt am 5. August 1943 und ging noch im selben Jahr mit ihm nach Britisch-Guayana, wo Cheddi Jagan eine Praxis für Kieferchirurgie eröffnete und eine politische Karriere aufnahm.

Janet Jagan, die an der politischen Arbeit ihres Mannes großen Anteil hatte, gründete die erste Frauenorganisation des Landes. Die beiden riefen im Jahr 1946 ein Komitee für Politische Angelegenheiten ins Leben, das zum Kern der am 1. Januar 1950 von ihnen mitbegründeten People's Progressive Party (PPP) wurde. Zu deren zentralen Forderungen gehörten die volle Selbstverwaltung Guayanas, die Verstaatlichung der Zuckerindustrie und soziale Reformen. Im Jahr 1950 wurde Janet Jagan erstmals zur Generalsekretärin der PPP wie auch in den Stadtrat von Georgetown gewählt. Von 1950 bis 1956 gab sie das Parteiorgan "Thunder" heraus.

Die PPP errang bei den Parlamentswahlen 1953 mit 18 der 24 Mandate einen großen Sieg, worauf Cheddi Jagan Chefminister und Leiter weiterer Ressorts, Janet Jagan stellvertretende Parlamentssprecherin wurde. Nach nur sechsmonatiger Amtszeit der neuen Regierung, deren sozialistische Ausrichtung der britischen Führung ein Dorn im Auge war, entsandte Premierminister Winston Churchill im Oktober 1953 Kriegsschiffe und Truppen, um die Regierung zu stürzen. Cheddi Jagan wurde abgesetzt und Britisch-Guayana wieder dem Kolonialregime unterworfen. Im folgenden Jahr wurden die Jagans wegen der Teilnahme an verbotenen Kundgebungen zu sechsmonatigen Haftstrafen verurteilt.

Nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis wurden sie zwei Jahre lang unter Hausarrest gestellt und von der Kolonialpolizei auf Schritt und Tritt überwacht. Die britische Intervention schürte die Spannungen zwischen den Bewohnern Guayanas afrikanischer Herkunft, bei denen es sich häufig um die Nachfahren von Sklaven handelte, und den eingewanderten Indern. Gegen alle Widerstände setzte das Paar seine politische Arbeit fort, und so kehrte Cheddi Jagan 1957 erneut an die Spitze der Regierung zurück, während Janet Jagan das Amt der Arbeitsministerin übernahm.

Da sie nach wie vor aus ihrer sozialistischen Gesinnung und ihrer Bewunderung der kubanischen Revolution keinen Hehl machten, trat nun Washington auf den Plan, um diese Regierung zu stürzen. Wie aus inzwischen freigegebenen Geheimdokumenten hervorgeht, gab Präsident John F. Kennedy der CIA 1961 den Auftrag, die Regierung Guayanas zu destabilisieren. In einer verdeckten Operation finanzierte die CIA Streiks, streute Falschinformationen aus und führte Sabotageakte durch, die Rassenunruhen provozierten. Diese Strategie spülte schließlich Forbes Burnham an die Macht, einen schwarzen, in London ausgebildeten Anwalt und Rivalen in der PPP, der 1966 Präsident und Premierminister des Landes wurde.

Als Jüdin und Marxistin war Janet Jagan in den USA Gegenstand diverser Verschwörungstheorien, die sie unter anderem fälschlich in Verbindung mit Ethel und Julius Rosenberg gebracht hatten. Auch nachdem Guayana 1966 die Unabhängigkeit erlangte, blieb sie weiterhin politisch aktiv, errang 1973 einen Sitz im Parlament und wurde 1980, 1985 und 1992 wiedergewählt, womit sie langgedienteste Abgeordnete des Landes wurde. Zudem gab sie die Zeitung "The Mirror" heraus. Unterdessen rückte Burnham in seinen Positionen immer weiter nach links, nationalisierte Unternehmen, verhängte Einfuhrsperren für Grundnahrungsmittel und andere Produkte und erklärte Guayana 1970 zu einer kooperativen Republik. In Folge internationaler Sanktionen und einer weitreichenden Kapitalflucht war das Land am Ende der Ära Burnhams, die mit seinem Tod im Jahr 1985 endete, zu einer der ärmsten Nationen Lateinamerikas abgesunken.

Cheddi Jagan wurde 1992 zum Präsidenten Guayanas gewählt, und während seiner Amtszeit war Janet Jagan kurzzeitig Botschafterin ihres Landes bei den Vereinten Nationen. Als ihr Mann 1997 starb, kandidierte sie selbst für die höchsten Staatsämter und gewann die Wahlen. Sie war ab 17. März 1997 Premierministerin und wurde am 19. Dezember 1997 Präsidentin Guayanas. Damit war sie die zweite Staatschefin eines lateinamerikanischen Landes nach Isabel Perón in Argentinien, wobei sie im Unterschied zu dieser in einer demokratischen Wahl ins Amt kam. Ihre Amtszeit war von heftigen Anfeindungen des oppositionellen People's National Congress und immer wieder aufbrechenden Protestkundgebungen und Ausschreitungen geprägt.

Nach einem leichten Herzinfarkt trat Janet Jagan im Sommer 1999 zurück und machte damit den Weg für ihren in Moskau ausgebildeten Finanzminister Bharrat Jagdeo frei, der seit dem 11. August 1999 Präsident Guayanas ist. Auf dem 29. Kongreß der PPP erhielt sie am 2. August 2008 bei der Wahl des Zentralkomitees die zweithöchste je erreichte Stimmenzahl und wurde danach ins Exekutivkomitee der Partei gewählt.

Zudem gehörte sie dem Council of Women World Leaders an, einem internationalen Netzwerk ehemaliger und amtierender Premierministerinnen und Präsidentinnen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, auf höchster Ebene für Frauenrechte und gleiche Entwicklungschancen einzutreten.

Neben ihrer politischen Arbeit engagierte sie sich auch für die Kultur und Literatur Guayanas. Sie schrieb selbst mehrere Bücher, veröffentlichte als Herausgeberin unter anderem Gedichte und unterstützte Autoren und künstlerische Projekte. Auch war sie überzeugt davon, daß guayanische Kinder Bücher benötigen, die ihre Lebenswirklichkeit widerspiegeln.

30. März 2009