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JUSTIZ/663: 15 Jahre nach Oklahoma-Anschlag - Aufklärung unerwünscht (SB)


15 Jahre nach Oklahoma-Anschlag - Aufklärung unerwünscht

Anwalt Jesse Trentadue gibt Antiwar.com ein interessantes Interview


Wie erwartet haben Politik und Medien in den USA den 15. Jahrestag des Bombenangriffs auf das William-T.-Murrah-Gebäude am 19. April 1995 in Oklahoma, der 169 Menschen in den Tod riß, 680 weitere zum Teil schwer verletzte und 324 Gebäude ganz oder teilweise zerstörte, nicht zum Anlaß zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem bis dahin schwersten "Terroranschlag" auf amerikanischem Boden genommen. Genau das Gegenteil ist geschehen. Zur Hauptsendezeit des Jahrestages wartete der Fernsehsender MSNBC mit der aufwendig produzierten Dokumentation "The McVeigh Tapes: Confessions of an American Terrorist" auf, in der 45 Stunden Interviewmaterial mit Timothy McVeigh aus der Zeit, als dieseer im Todestrakt saß, benutzt wurde, um die offizielle Legende von diesem als alleinigen Täter zu zementieren. Schlimmer noch, gleich in der Einleitung versuchte die Moderatorin der Dokumentation, die MSNBC-Kommentatorin Rachel Maddow, mit dem Satz "Neun Jahre nach der Hinrichtung Timothy McVeighs beschleicht uns die Sorge, daß seine Stimme aus dem Grab in der neuen wachsenden Welle amerikanischen regierungsfeindlichen Extremismus seinen Widerhall findet", die neue Tea-Party-Bewegung in den USA, die gegen die Innenpolitik der demokratischen Regierung von Präsident Barack Obama Sturm läuft, in eine terroristische Ecke zu schieben. Auch in der Vorankündigung zu der Sendung hieß es in der regierungstreuen New York Times "... in einer Zeit, in der rechtsgerichtete Milizen wieder Zulauf kriegen oder zumindest durch Lautstärke auf sich aufmerksam machen und regierungskritisches Gerede die regierungsfeindliche Inbrust anheizt, wird McVeighs Abstieg in die Gewalt ebenso viel als warnendes Beispiel wie als Gedenken präsentiert".

Mit solchen Formulierungen lagen MSBNC und Amerikas "Paper of Record" voll auf offizieller Linie. Bereits am 16. April hatte Bill Clinton bei einem Auftritt als Hauptredner auf einem von dem Center for American Progress Action Fund und dem Democratic Leadership Council (DLC) veranstalteten Symposium in Washington zum Thema des Oklahoma-Anschlages eindringlich vor dem Gewaltpotential gewarnt, das die angeblich übersteigerte Kritik seitens Teilen der republikanischen Opposition an der Obama-Regierung entfesseln könnte. Am drauffolgenden Tag gab Robert Mueller, Direktor des Federal Bureau of Investigation (FBI) eine Erklärung heraus, in der es hieß, "Home-grown- und Einzeltäter-Extremisten" stellten für die nationale Sicherheit der USA inzwischen eine genauso große Bedrohung dar wie die, die angeblich vom Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens ausgehe. Das will was heißen, schließlich hatte Präsident Obama nur wenige Tage zuvor auf dem von ihm eigens organisierten Nuklearsicherheitsgipfel in Washington die Möglichkeit, daß "eine terroristische Organisation in den Besitz einer Atombombe" gelangen könnte, wortwörtlich zur "größten Einzelbedrohung der Sicherheit der USA" erklärt.

Ganz im Gegensatz zur allgemeinen Beweihräucherung der offiziellen Version der Ereignisse von Oklahoma brachte am 19. April die kleine unabhängige Website Antiwar.com ein enorm aufschlußreiches und empfehlenswertes Interview, das Scott Horton am 30. April mit dem Anwalt Jesse Trentadue aus Salt Lake City, Utah, zu diesem traurigen Thema geführt hatte. Seit Jahren versucht Trentadue die Hintergründe des Oklahoma-Anschlags zu beleuchten. Sein Bruder Kenneth, ein verurteilter Bankräuber, kam im August 1995, mehrere Tage nach seiner Verhaftung wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen, in einem Bundesgefängnis in Oklahoma unter mysteriösen Umständen ums Leben. Die offizielle Todesursache lautet Selbstmord. Demnach hat sich Trentadue in seiner Einzelzelle aufgehängt und ist erstickt. Die zahlreichen schweren Schnitt- und Schlagverletzungen an der Leiche deuteten jedoch auf massive Gewalteinwirkung durch fremde Hände hin.

Jesse Trentadue geht davon aus, daß Justizbeamte bei der Vernehmung seinen Bruder zu Tode gefoltert haben, weil sie ihn aufgrund der Körpergröße, des Aussehens und einer Tätowierung am rechten Arm mit einem Bekannten McVeighs und eventuellen Mittäter des Oklahoma-Anschlages, dem Bankräuber Richard Lee Guthrie, verwechselt hatten. In den Wochen und Monaten vor dem Anschlag war McVeigh nachweislich in rechtsextremen Kreisen im Mittleren Westen der USA unterwegs gewesen und stand sowohl mit Mitgliedern der sogenannten Aryan Republican Army, die Anfang der neunziger Jahren als Bankräuber - die Midwest Bank Bandits - zu einiger Berühmtheit gelangt waren, als auch mit der Neonazigruppe Aryan Nation in Elohim City in Oklahoma, die sich damals von Andreas Strassmeir, einem Bundeswehroffizier a. D. und mutmaßlichen V-Mann entweder des Bundesnachrichtendienstes (BND) oder des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), in Guerillakampftaktiken, darunter dem Bau von Bomben, ausbilden ließ, in Kontakt.

Lange Zeit glaubte Jesse Trentadue der offiziellen Version zum Tod seines Bruders - und das, obwohl ihm 1996 telefonisch von Unbekannten das Gegenteil berichtet worden war. Die Dinge änderten sich für Trentadue erst, als er von McVeigh persönlich, kurz vor dessen Hinrichtung im Sommer 2001, über eine dritte Person eine geheime Botschaft erhielt. Darin gab sich der verurteilte Massenmörder davon überzeugt, daß Trentadues Bruder umgebracht wurde, weil die Behörden ihn tatsächlich für Guthrie und damit für jenen Mann hielten, den zahlreiche Augenzeugen in den letzten Minuten vor dem Oklahoma-Anschlag neben McVeigh im Fahrerhaus jenes Lastwagens, in dem sich die riesige Düngemittelbombe befand, gesehen haben wollen und dessen Identität bis heute nicht ermittelt worden ist.

Im Rahmen einer Klage gegen die US-Bundesjustizbehörden hat Trentadue 2005 die Existenz von rund 340 Dokumenten nachgewiesen, aus denen unter anderem hervorgeht, daß das FBI im Vorfeld von den Vorbereitungen für den Anschlag wußte, und zwar aufgrund einer umfassenden, mit der "unabhängigen" Antirassismus-Organisation Southern Poverty Law Center (SPLC) um den Alabamaer Anwalt Morris Dees durchgeführten, verdeckten Operation gegen rechtsgerichtete Milizen im Mittleren Westen. Ein belastendes, ursprünglich vertrauliches, auf den 4. Januar 1996 datiertes Fernschreiben, das der damalige Bundespolizeichef Louis Freeh an eine Reihe von FBI-Außenbüros sowie die Sonderermittlungskommission in Oklahoma City, die OKBOMB Task Force, schickte, bestätigt, daß die SPLC einen Informanten unter den Neonazis in Elohim City hatte, als McVeigh dort anrief und um Hilfe bei der Umsetzung seiner teuflischen Pläne bat. In dem Fernschreiben wird der Anruf McVeighs in Elohim City auf den 17. April 1995, zwei Tage vor dem Anschlag, datiert. Bekanntlich verfügte das Büro der Bundesbehörde für Alcohol, Tobacco and Firearms (BATF) in Tulsa mit Carol Howe ebenfalls über eine eigene Informantin bei den Elohim-City-Leuten. Sie hat die Person, die damals mit McVeigh telefonierte und anschließend auch bei den letzten Anschlagsvorbereitungen half, als Strassmeir identifiziert. Um Howe an einer entsprechenden Aussage beim McVeigh-Prozeß zu hindern, wurde diese von den Justizbehörden vorübergehend unter Anklage gestellt.

Im Interview mit Scott Horton von Antiwar.com hat Trentadue die Geschichte seiner Ermittlungen erzählt und über den neuesten Stand berichtet. Überraschenderweise ist es ihm tatsächlich doch noch gelungen, Terry Nichols, der wegen seiner Hilfe beim Bau der Düngemittelbombe eine lebenslage Freiheitsstrafe im Hochsicherheitsgefängnis in Florence im US-Bundesstaat Colorado verbüßt, zu besuchen. Zur Unterstützung der Klage Trentadues hatte Nichols 2007 eine 19seitige eidesstattliche Erklärung abgegeben, in der er behauptete, daß McVeigh nach der Rückkehr vom Golfkrieg 1991 als V-Mann von der Bundespolizei angeheuert wurde und daß er die Anweisung zur Durchführung des Oklahoma-Anschlages vom damaligen Stellvertretenden Vizedirektor des FBI, Larry Potts, erhalten hat. Im Gespräch mit Trentadue hat Nichols die Gründe für diese Annahme erläutert.

Trentadue selbst glaubt nicht, daß die US-Bundesbehörden den Oklahoma-Anschlag absichtlich durchführen ließen, sondern vorhatten, ihn in letzter Minute zu vereiteln und die Beteiligten sozusagen im Scheinwerferlicht der Medien festzunehmen, nur daß irgend etwas schiefgegangen sein muß. Gegen diese Interpretation spricht die enorme politische Auswirkung des grausamen Massakers, das McVeigh nach eigenen Angaben als Vergeltung für den Feuertod der 86 Branch Davidianer um David Koresh bei der Erstürmung ihres Anwesens durch Polizei und Armee zwei Jahre zuvor auf den Tag genau in Waco, Texas, verübt hatte und das aufgrund dieser angeblichen Motivlage eine massive Diskreditierung und Schwächung der damaligen Milizenbewegung verursachte. Darüber hinaus gibt es nicht wenige Sprengstoffexperten, die schon damals meinten, daß die Lastwagenbombe niemals die verheerende Zerstörung hätte anrichten können, welche nach der Explosion am Murrah-Gebäude selbst und in der gesamten Innenstadt von Oklahoma zu sehen waren. Zu diesen Experten gehört der pensionierte Brigadegeneral Benton K. Partin, der früher für die US-Luftwaffe Bomben und nicht-atomare Sprengköpfe gebaut und getestet hatte. Partin hat einen eigenen Bericht über die Sprengung verfaßt, in dem er zu der Schlußfolgerung kommt, daß es zusätzlich zur Lastwagenbombe noch gewaltigere Detonationen im Murrah-Gebäude selbst gegeben haben muß. In dem Buch "The Oklahoma City Bombing and The Politics of Terror" aus dem Jahr 1998 zitierte der Autor David Hoffman aus einem Brief, den Partin dem Kongreß in Washington am 17. Mai 1995 zustellen ließ, folgenden Abschnitt:

Als ich das erste Mal die Bilder der von der Lastwagenbombe am Bundesgebäude angerichteten Schäden sah, war meine erste Reaktion, daß ein solches Schadensmuster technisch unmöglich gewesen wäre, ohne daß es zusätzliche Sprengladungen am Sockel einiger der Stahlbetonsäulen gegeben hätte. ... Die Annahme, daß die einfache Explosion einer Lastwagenbombe von dem angegebenen Ausmaß und entsprechender Größe imstande gewesen wäre, eine Entfernung von rund 20 Metern zu überbrücken und den Sockel von der Größe der Stahlbetonsäule A-7 zum Einsturz zu bringen, sprengt jede Vorstellung.

Die vielleicht wichtigste Neuheit der Ermittlungen Trentadues ist, daß der eifrige Anwalt inzwischen dokumentarische Hinweise auf eine Verwicklung der CIA in den Oklahoma-Anschlag hat zutage fördern können. Das ist hoch brisant deshalb, weil dem US-Auslandsgeheimdienst jegliche Aktivität im Inland verboten ist. Die fraglichen Dokumente dürfen nicht ausgehändigt werden, und zwar aus Gründen der Nationalen Sicherheit. Es geht hier um Kontakte der CIA zu ausländischen Informanten. Gegenüber Scott Horton äußerte sich Trentadue an dieser Stelle des Interviews wie folgt:

Ich glaube, es handelte sich um eine gemeinsame Operation des FBI und der deutschen Regierung. Man darf nicht vergessen, die Leute, die sie im Visier hatten, gehörten zur damals entstehenden Neonazi-Bewegung. Sie erwachte zum Leben in den USA und wurde damals nach Europa zurückexportiert. Die deutsche Regierung war in großer Sorge, daß sie dort Wurzeln schlagen könnte. Und deshalb glaube ich, daß es zu einer gemeinsamen Unternehmung der Regierung Deutschlands und der Vereinigten Staaten kam, mit Hilfe des FBI diese Gruppen zu infiltrieren. Ich bin auch auf einen Namen gestoßen, der mich in dieser Ansicht bestätigt. Man, das FBI, verweist auf diese Operation unter dem Namen PATCON, was ein Akronym für Patriot Conspiracy war. Und ich denke, das Ziel bestand darin, die Milizenbewegung zu infiltrieren, und deshalb haben sie diese potentiell gefährliche Gruppe im Osten Oklahomas, die zusammen auf einem Anwesen namens Elohim City wohnte, ins Visier genommen. Strassmeir hat sich als Waffen- und Sprengstoffexperte Zugang zu diesem Gelände verschafft. Ich glaube, er war ein Agent provokateur. Ich glaube, er hat diese Leute dazu gebracht, das Murrah-Gebäude in die Luft zu jagen.

Bisher gab es zwei Spuren, die eine Verwicklung der CIA in den Oklahoma-Anschlag nahelegten. Die Zünder, welche beim Bau der Düngemittelbombe benutzt wurden, stammten aus einem Einbruch bei dem Waffenhändler Roger Moore in Arkansas, zu dem McVeigh Nichols unter Androhung von Gewalt gegen seine Person und seine Familie gezwungen haben soll. Später soll Nichols erfahren haben, daß der Einbruch ein Täuschungsmanöver gewesen war, damit Moore nach dem Anschlag behaupten konnte, nichts damit zu tun gehabt zu haben. Laut Nichols stand McVeigh jedoch mit Moore seit längerem in Kontakt und übernachtete auch gelegentlich bei ihm und seiner Freundin Karen Anderson. Als Moore nach dem Anschlag wegen der Zünder ins Blickfeld der Polizei geriet, soll er gegenüber einem Anwalt geprahlt haben, man könne ihm nichts anhaben, denn er stehe unter "Zeugenschutz". In seinem Buch äußert David Hoffman die Vermutung, daß der Iran-Contra-Veteran ein heimlicher CIA-Agent sei.

Anfang 1996 verließ Strassmeir die USA. Aus Dokumenten, deren Freigabe Jesse Trentadue erstritten hat, war Ende 1995, Anfang 1996 offenbar der damalige FBI-Chef Freeh nicht nur stets über den Aufenthaltsort des Deutschen informiert, sondern wußte auch noch von dessen Plänen, sich nach Mexiko abzusetzen und in die Bundesrepublik zurückzukehren, und hat dagegen nichts unternommen - und das, obwohl schon zu jenem Zeitpunkt Strassmeir wegen eines abgelaufenen Visums als illegaler Einwanderer eingestuft worden war und vom BATF wegen illegalen Waffenbesitzes gesucht wurde. Darüber hinaus hatte bereits die Sonderkommission um den Oklahoma-Anschlag die Einwanderungsbehörde INS vor dem "bewaffneten und gefährlichen" Ex-Bundeswehroffizier gewarnt und gebeten, daß er beim Versuch, das Land zu verlassen, zwecks Vernehmung sofort festgenommen werde.

Bei der eigentlichen Ausreise erhielt Strassmeir tatkräftige Unterstützung von dem ehemaligen CIA-Piloten Dave Holloway und dem Anwalt Kirk Lyons aus North Carolina. Holloway hat Strassmeir, dessen Vater früher ein hochrangiges Mitglied der Christlichen Demokratischen Union (CDU) in Berlin war, im Privatflugzeug über die Grenze nach Mexiko ausgeflogen, während Lyons die Aktion finanzierte. Weder Holloway noch Lyons sind jemals wegen ihrer Fluchthilfe für den mutmaßlichen "Topterroristen" juristisch zur Verantwortung gezogen worden, was angesichts des größeren Komplexes des Oklahoma-Anschlages nicht weiter verwundert.

20. April 2010