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JUSTIZ/654: Neue Hinweise auf Vertuschung des Oklahoma-Anschlags (SB)


Neue Hinweise auf Vertuschung des Oklahoma-Anschlags

Videoaufnahmen vom Murrah-Gebäude weisen verräterische Lücken auf


Seit Jahren hält sich der Verdacht, daß mehr Leute als nur Timothy McVeigh und Terry Nichols an dem Anschlag auf das Alfred-P.-Murrah-Bundesgebäude in Oklahoma City beteiligt waren, der am 19. April 1995 168 Menschen das Leben kostete und Hunderte weitere verletzte. Wegen der Hilfe beim Bau der Lastwagenbombe verbüßt Nichols eine lebenslange Freiheitsstrafe, während McVeigh wegen der Durchführung des bis dahin schlimmsten "Terroranschlags" auf amerikanischem Boden im Sommer 2001 hingerichtet wurde. Die Kernthese der US-Regierung beim Oklahoma-Prozeß lautete, McVeigh hätte den Lastwagen mit der 2000 Kilogramm schweren Düngemittelbombe allein vor dem Murrah-Gebäude geparkt und zur Detonation gebracht. Nichtsdestotrotz gab es mehrere Augenzeugen, die gesehen haben wollen, wie am fraglichen Vormittag jener Lastwagen von McVeigh durch die Innenstadt von Oklahoma City gefahren wurde und sich dieser in Begleitung von jemand anderen als Terry Nichols befand. Ein Augenzeuge will sogar beobachtet haben, daß dem Lastwagen ein Auto vorausfuhr, das von einer Frau gefahren wurde, die McVeigh zu einer Parklücke vor dem Murrah-Gebäude lotste. Nach dem Abstellen des Lastwagens sollen McVeigh und sein Begleiter in das fragliche Auto gestiegen und davongefahren sein.

Seit 1996 versucht der Anwalt Jesse Trentadue auf eigene Faust die Hintergründe des Oklahoma-Anschlags zu beleuchten. Trentadues Bruder Kenneth, ein verurteilter Bankräuber, starb im August 1995 in einem Bundesgefängnis in Oklahoma unter mysteriösen Umständen. Die offizielle Todesursache lautet Selbstmord. Die zahlreichen Verletzungen am Körper deuteten jedoch auf Tod durch schwere Mißhandlungen hin. Aufgrund von Informationen von Mithäftlingen glaubt Jesse Trentadue, daß sein Bruder von Angehörigen des Gefängnispersonals bei einer Vernehmung zu Tode gefoltert wurde, die ihn mit einem Bekannten und eventuellen Mittäter McVeighs, dem Bankräuber Richard Lee Guthrie, verwechselt hatten. Im Vorfeld des Anschlags verkehrte McVeigh nachweislich in rechtsextremen Kreisen im Mittleren Westen und hatte Kontakt sowohl zur sogenannten Aryan Republican Army, die sich Anfang der neunziger Jahren einen Namen als Bankräuber - die Midwest Bank Bandits - gemacht hatte, als auch zu der Gruppe Aryan Nation in Elohim City in Oklahoma, die sich damals von dem ehemaligen Bundeswehroffizier und mutmaßlichen V-Mann des BND, Andreas Strassmeir, in Sachen Guerillakampf einschließlich Bombenbau ausbilden ließ.

Vor kurzem hat Jesse Trentadue auf gerichtlichem Wege unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz vom FBI die Aushändigung der Aufnahmen vierer Sicherheitskameras vom Anschlag erwirkt, die auf Bürogebäuden in unmittelbarer Nähe des Murrah-Gebäudes montiert waren. Bei der Besichtigung der Videobänder hat Trentadue eine bemerkenswerte und in ihrer Konsequenz erschütternde Entdeckung gemacht. Alle Aufnahmen kurz vor und nach dem Zeitpunkt des Anschlags sind gelöscht worden. Dies berichtete am 27. September die Associated Press unter Berufung auf die Tageszeitung The Oklahoman, die Kopien der Bänder von Trentadue erhalten und sie wiederum Amerikas größter Nachrichtenagentur zur Verfügung gestellt hatte. Im AP-Bericht "Attorney: OKC bombing tapes appear edited" von Tim Malley heißt es unter anderem:

"Diese Kameras hätten die verschiedenen Straßen um das Murrah-Gebäude und die Zufahrten dazu zeigen müssen. ... Das Wichtigste, was sie zeigen, ist, was sie nicht zeigen. ... Vier Kameras an vier verschiedenen Standorten, die praktisch zur gleichen Zeit am Vormittag des 19. April 1995 auf Leerlauf schalten. Das kann doch kein Zufall sein. ... Das Interessanteste ist, daß sie ab 9.02 Uhr wieder anspringen", sagte Trentadue. ... Er sagte, Regierungsvertreter behaupteten, die Sicherheitskameras hätten die Minuten vor der Bombenexplosion nicht aufgenommen, weil "ihnen das Band ausging" oder weil "die Kassette ausgetauscht wurde". ... "Das Fehlen der Aufnahme dieser entscheidenden Zeitintervalle ist der Beweis dafür, daß es dort etwas gibt, das, wenn es nach dem Willen des FBI geht, niemand zu sehen bekommen soll", erklärte Trentadue.

Der Anwalt aus Salt Lake City macht keinen Hehl aus seiner Überzeugung, daß sich irgend jemand bei den Bundesbehörden an besagten Videobändern zu schaffen gemacht hat, um die Aufnahmen rund um das Murrah-Gebäude in den letzten Minuten und Sekunden vor dem mörderischen Anschlag für immer zu vernichten. Da stellt sich die Frage, wer eine solche Tat der Beweisvernichtung in Verbindung mit dem zweitschwersten Massenmord der US-Geschichte begangen hat und wann dies geschehen sein könnte.

Fest steht, daß die Associated Press am 19. März 2004 unter der Überschrift "Document: Oklahoma City Bombing Was Taped" von Behördenunterlagen berichtete, die auf die Existenz mindestens eines Videobands hinwiesen, auf dem zu sehen gewesen sein sollte, wie der fragliche, zur Bombe umfunktionierte Mietlastwagen der Firma Ryder kurz vor dem Anschlag vor das Murrah-Gebäude vorfährt, parkt und anschließend zwei Männer, von dem der eine eindeutig als McVeigh zu erkennen ist, aus der Fahrerkabine aussteigen, in das bereits erwähnte Fluchtauto steigen und sich davonmachen. In dem damaligen AP-Bericht zitierte der Reporter John Diamond aus einer auf den 25. April 1995 - also sechs Tage nach dem Anschlag - datierten Eintragung im Logbuch des Secret Service wie folgt:

Videobänder von Sicherheitskameras in der Gegend zeigen die Detonation des Lastwagens 3 Minuten und 6 Sekunden, nachdem die Verdächtigen aus dem Lastwagen ausstiegen.

Laut Diamond hieß es in einer zweiten, auf den 24. April 1995 datierten Eintragung in das Logbuch des Secret Service, die Videoaufnahmen deckten sich mit der Aussage jenes Augenzeugen, der gesehen habe, wie der Ryder-Lastwagen und ein vorausfahrendes Fluchtauto vor dem Murrah-Gebäude vorfuhren und eine unbekannte Frau den Fahrer des Lastwagens in eine Parklücke lotste.

Für die Beteiligung des in erster Linie für die Sicherheit des US-Präsidenten zuständigen Secret Service an den Oklahoma-Ermittlungen gibt es eine einfache Erklärung. Sechs der acht bei dem Anschlag getöteten Bundesbeamten waren Secret-Service-Mitglieder, folglich handelt es sich hier um das blutigste Ereignis in der Geschichte dieser Behörde.

Vor dem Hintergrund des zweiten Mordprozesses gegen Terry Nichols im Frühjahr 2004 sorgte der AP-Bericht von John Diamond für eine kleine Sensation. Auf den Antrag der Verteidigung nach Vorlage der hochbrisanten, vom Secret Service neun Jahre zuvor eingesehenen Videoaufnahmen behaupteten FBI, Justizministerium und Staatsanwaltschaft, niemand wisse, wo sie sich befänden und ob sie überhaupt noch existierten. In der Zwischenzeit hat man sie offenbar gefunden - jedoch erst, nachdem irgend jemand dafür gesorgt hatte, daß der schlagende Gegenbeweis zur Theorie von McVeigh als alleinigen Oklahoma-Täter für immer verschwand.

29. September 2009