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ASIEN/930: Koreakonflikt - wachsende Zusammenschlüsse östlicher Wirtschaftsinteressen ... (SB)


Koreakonflikt - wachsende Zusammenschlüsse östlicher Wirtschaftsinteressen ...


In die verfahrenen Verhandlungen zur Lösung des Atomstreits zwischen Nordkorea und den USA hat sich Rußland eingeschaltet. Zwei Monate nach dem gescheiterten Gipfeltreffen von US-Präsident Donald Trump und Kim Jong-un in Hanoi traf sich am 25. April in Wladiwostok der russische Präsident mit dem nordkoreanischen Staatsratsvorsitzenden. Für Kim, der sich seit der Machtübernahme vor sieben Jahren insgesamt viermal mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping getroffen hat, war es der erste Besuch in Rußland. Die 650 Kilometer lange Strecke von der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang nach Wladiwostok legte er aus Sicherheitsgründen mit einem gepanzerten Zug zurück.

Die Begegnung mit Putin in der Hauptstadt des russischen Fernen Ostens war für Kim deshalb wichtig, weil er sich in der internationalen Öffentlichkeit als kompromißbereiter Staatsmann zeigen konnte. Seit Hanoi werfen sich Washington und Pjöngjang gegenseitig das Scheitern der Gespräche vor. Fest steht jedoch, daß sich die Chefunterhändler Stephen Biegun und Kim Yong-chol im Vorfeld auf eine Mini-Lösung nach dem Rezept schrittweiser Sanktionsabbau der Amerikaner gegen bedeutende, nachweisbare Abrüstungsmaßnahmen der Norkoreaner geeinigt hatten, die jedoch in der vietnamesischen Hauptstadt der US-Delegation, allen voran Außenminister Mike Pompeo und dem Nationalen Sicherheitsberater John Bolton, plötzlich nicht genügte. Als Kim sich weigerte, sich zuerst von seinem kompletten Nukleararsenal zu trennen, um erst danach in den Genuß amerikanischer Sanktionserleichterungen zu kommen - das von Bolton favorisierte "Libyen Modell" - erklärte Trump die Verhandlungen frühzeitig für beendet.

Trotz der gemeinsamen Grenze liegen die wirtschaftlichen Beziehungen Nordkoreas zu Rußland deutlich hinter denen zu China, mit dem die Nordkoreaner 93 Prozent ihres Außenhandels betreiben. Nichtsdestotrotz arbeiten in Rußland rund 10.000 Nordkoreaner, deren Einkünfte in Zeiten internationaler Wirtschaftssanktionen für die Außenhandelsbilanz Pjöngjangs nicht unwichtig sind. Zudem leidet Nordkorea unter einer Lebensmittelknappheit und hofft auf humanitäre Hilfe aus Rußland. Moskau möchte lieber früher als später die Atomfrage auf der koreanischen Halbinsel gelöst sehen, um russische Unternehmen anschließend große Infrastrukturprojekte wie die Anbindung Nord- und Südkoreas an Rußlands Schienen- und Pipelinenetz für Öl und Gas durchführen zu lassen.

Das ganztägige Treffen samt Abendessen zwischen Kim und Putin auf einer Insel vor der russischen Pazifikküste verlief offenbar recht harmonisch. Soweit bekannt, wurde nichts Konkretes vereinbart, doch erörterte man eingehend politische und wirtschaftliche Fragen. Auf der anschließenden Pressekonferenz bot Putin die Vermittlunghilfe Rußlands an, sprach sich für eine "Sicherheitsgarantie" der USA für Nordkorea betonte aber gleichzeitig, daß Moskau gegen niemanden etwas im Schilde führe. Über den Verlauf der Gespräche in Wladiwostok werde Moskau die Partner in Washington und Peking in vollem Umfang informieren, so Putin. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß der US-Chefunterhändler bei den Atomgesprächen, Stephen Biegun, am 17. und 18. April in Moskau gewesen ist, um dort Außenminister Sergej Lawrow und dessen Stab über den letzten Stand der Verhandlungen mit Pjöngjang in Kenntnis zu setzen und der Moskauer Diplomatie die Gründe für das Fiasko von Hanoi aus Washingtoner Sicht zu erläutern.

Vor der Presse in Wladiwostok bekannte sich Putin erneut zum Spannungsabbau mittels wirtschaftlicher Annäherung auf der koreanischen Halbinsel. Dies ist auch die Linie, die Südkoreas Präsident Moon Jae-in vertritt, jedoch wegen der harten Haltung Washingtons gegenüber Pjöngjang nicht so richtig verfolgen kann. Rußlands Staatsoberhaupt äußerte Verständnis für die mißliche Lage Moons, führte dies jedoch lapidar auf Südkoreas "Mangel an Souveränität" zurück. Gemeint ist natürlich der Vasallenstaatstatus Südkoreas, wo bis heute 38.500 US-Soldaten stationiert sind, um jederzeit den Koreakrieg, der sich seit 1953 lediglich im Waffenstillstand befindet, wieder aufnehmen zu können.

Anschließend reiste Putin nach Peking, wo er am 26. April auf dem zweiten Gipfeltreffen der Belt and Road Initiative (BRI) - auch "Neue Seidenstraße" genannt - eine Grundsatzrede hielt. Laut Putin werde sich die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU), die aus Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Rußland und Weißrußland besteht, mit der BRI zusammenschließen, um zwischen Baltikum und Gelbem Meer den größten Wirtschaftsraum der Welt zu schaffen. An diesem Mammutprojekt würden sich die Koreaner - im Norden und Süden - gern beteiligen, doch werden sie von der Vetomacht USA daran gehindert.

29. April 2019


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