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ASIEN/919: Indien, Pakistan - Symbole und Provokationen ... (SB)


Indien, Pakistan - Symbole und Provokationen ...


Vom verheerenden Autobombenanschlag, der am 14. Februar in Pulwama 44 indische Soldaten tötete und damit Indien die höchsten Verluste an einem Tag seit Beginn des muslimischen Volksaufstandes im indisch-besetzten Teil Kaschmirs bescherte, werden auf dem Subkontinent die Nachwirkungen noch lange zu spüren sein. Indien wirft Pakistan eine Mitverantwortung am Blutbad vor - entweder mittels geheimdienstlicher Unterstützung der kaschmirischen Aufständischen durch das Inter-Services Intelligence Directorate (ISI) oder wegen des systematischen Versäumnisses Islamabads, gegen die Hintermänner solcher Gruppen in Pakistan vorzugehen. Pakistan bestreitet dies und weist auf die brutale Unterdrückung der muslimischen Mehrheit in Kaschmir durch die indischen Sicherheitskräfte als eigentliche Ursache des Dauerproblems hin.

Im April und Mai finden in Indien Parlamentswahlen statt. Also sieht sich Premierminister Narendra Modi von der hindu-nationalistischen Bharatiya Janatha Party (BJP) gezwungen, gegenüber Pakistan den starken Mann zu markieren. Ob Modi wie 2016 nach einem blutigen Überfall der Gruppe Jaisch-e-Mohammed (J-e-M) mit 18 toten Soldaten auf einem indischen Stützpunkt nahe der Line of Control, die den pakistanischen vom indisch-besetzten und weitaus größeren Teil Kaschmirs trennt, erneut den Befehl zu gezielten Vergeltungsschlägen auf Ziele in Pakistan erteilt, muß sich noch zeigen. Ein solcher Vorstoß ist natürlich mit der Gefahr einer militärischen Eskalation - bis hin zum Atomkrieg - verbunden.

Das gleiche gilt für die Drohung, die Nitin Gadkari, Modis Minister für Transport und Wasserressourcen am 21. Februar per Twitter von sich gegeben hat. Demnach will Neu-Delhi in Reaktion auf den Pulwama-Vorfall die Menge an Wasser, die Pakistan von den Gletschern im indischen Teil des Himalaya-Gebirgsmassivs erhält, reduzieren. Die Aufteilung des Wassers des mächtigen Stroms Indus ist nach einem Staatsvertrag aus dem Jahr 1960 geregelt. Seit einigen Jahren jedoch baut Indien am Oberlauf des Indus ein Damm nach dem anderen und versetzt sich damit in die Lage, Islamabad effektiv mit der Drosselung des für 80 Prozent der pakistanischen Landwirtschaftsfläche lebensnotwendigen Wassers drohen zu können. Pakistan hat wiederholt gegen den Dammbau Indiens protestiert und dies als Verstoß gegen besagtes Abkommen kritisiert, ist jedoch mit der Klage international auf taube Ohren gestoßen.

Statt dessen ist es Indien, das diplomatische Rückendeckung erhält. Am 22. Februar hat die in Paris ansässige Financial Action Task Force (FATF), die Geldwäsche und "Terrorfinanzierung" verfolgt, Pakistan wegen der angeblich fehlenden Bekämpfung von J-e-M, Lashkar-e-Taiba, Islamischem Staat (IS), Al Kaida und den Taliban offiziell ermahnt. Die 1987 von der damaligen G-7 ins Leben gerufene Organisation hat von den Behörden in Islamabad verlangt, bis Mai eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzierung solcher Gruppen zu ergreifen, sonst käme Pakistan auf die "schwarze Liste" der FATF, was pakistanische Banken in erhebliche Schwierigkeiten brächte und für sie zusätzliche Kosten verursachten. Pakistan wäre nicht ganz vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen, würde jedoch als Parialand gelten, mit dem man lieber keine Geschäfte macht oder in dem man keine größeren Investitionen tätigt. Seit längerem versuchen die USA im Sicherheitsrat, die J-e-M und deren Chef Masood Azhar, der seit Jahren völlig unbehelligt in Pakistan lebt, auf die Terrorliste der Vereinten Nationen gesetzt zu bekommen. Bisher hat China die Initiative jedes Mal blockiert. Ob Peking nach dem Pulwama-Vorfall bei der Linie bleibt, ist fraglich.

Interessant ist jedenfalls ein anderer Ansatz Indiens, nämlich Pakistan aus dem International Cricket Council (ICC) wegen Terrorunterstützung verbannt zu bekommen. Letzte Woche hat der indische Cricketverband unter Verweis auf das Geschehen in Pulwama eine entsprechende Protestnote an das ICC in London gerichtet. Auf dem Subkontinent ist Cricket das Spiel der Massen schlechthin. Pakistans Premierminister Imran Khan gilt im eigenen Land als Cricket-Idol, weil er als Kapitän die pakistanische Mannschaft zum Gesamtsieg bei der Weltmeisterschaft 1992 in Australien und Neuseeland führte. Wegen des Streits um Kaschmir hat es zwischen Indien und Pakistan seit 2013 kein Cricket-Länderspiel mehr gegeben. Doch in diesem Frühsommer, vom 30. Mai bis 14. Juli, findet in England und Wales die 12. Cricket-WM statt. Am 16. Juni sollen in Manchester Indiens und Pakistans beste Cricketspieler gegeneinander antreten. Unter den indischen Cricket-Fans, -Spielern und -Funktionären ist inzwischen eine lebhafte Debatte darüber ausgebrochen, ob man das Spiel nicht vielleicht besser boykottieren sollte.

25. Februar 2019


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