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ASIEN/910: USA - Wirtschafts- und Ressourcenstreit ... (SB)


USA - Wirtschafts- und Ressourcenstreit ...


Mit der Beinahe-Kollision zweier Kriegsschiffe am 30. September im Südchinesischen Meer haben die Spannungen zwischen den USA und China eine neue und gefährliche Eskalationsstufe erreicht. Es dürfte kein Zufall sein, daß praktisch zeitgleich mit dem Kräftemessen der Marine beider Länder auch das für Mitte Oktober in Peking geplante Treffen der Verteidigungsminister der USA und Chinas, General a. D. James Mattis und Wei Fenghe, verschoben wurde. Sogar darum gab es Streit. Die Amerikaner behaupteten zunächst, die Chinesen hätten die Begegnung der beiden Militärchefs im Rahmen des U.S. China Diplomatic and Security Dialogue gestrichen. Am 4. Oktober erklärte Peking dies für falsch und erklärte, Mattis sei derjenige, der angeblich "aus Termingründen" keine Zeit für Wei habe und nicht umgekehrt.

Zur Konfrontation im Südchinesischen Meer war es gekommen, als der US-Lenkwaffenzerstörer Decatur in die von China beanspruchte Zwölf-Seemeilen-Zone um die beiden Riffe Gaven und Johnson, die zur Gruppe der Spratly-Inseln gehören, einlief. Aus chinesischer Sicht war dies eine klare Verletzung der eigenen Souveränität. Also wurde die Decatur vom chinesischen Zerstörer Luyang wieder aus der Zwölf-Meilen-Zone hinausgedrängt. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung trennten die schwerbewaffneten Stahlkolosse lediglich 45 Meter. Die USA, welche die Gebietsansprüche Pekings im Südchinesischen Meer nicht anerkennen, reklamierten für sich, mit dem umstrittenen Manöver für sich und alle anderen Staaten der Welt das Recht auf freie Fahrt aufrechterhalten zu wollen, während die Volksrepublik öffentlich eine "gezielte und schwere Provokation" monierte.

Seit diesem Zwischenfall befindet sich das Verhältnis der beiden Staaten im freien Fall. Vor dem Hintergrund des Muskelspiels im Südchinesischen Meer hielt am 4. Oktober US-Vizepräsident Mike Pence am Hudson Institute, das seit Jahrzehnten als Denkfabrik notorischer Militaristen in Washington verschrieen ist, eine Rede, die fast einer Kriegserklärung gleichkam. Pence malte in grellen Farben die "gelbe Gefahr" an die Wand, bezeichnete den Vorfall bei den Spratlys als "gefährlichen Kleinkrieg" und verkündete, die USA würden sich von China nicht einschüchtern lassen, sondern ihre Bemühungen um die "Navigationsfreiheit" im Südchinesischen Meer verstärken. Pence warf China vor, die USA militärisch und wirtschaftlich herausfordern zu wollen. Er sprach von chinesischer Industriespionage sowie vom Versuch Pekings, die Wahlen in den USA zu beeinflussen, ohne auch nur den geringsten Beweis dafür vorzulegen. Darüber hinaus bemängelte der christliche Fundamentalist eine fehlende Religionsfreiheit in China und bauschte die Volksrepublik zum "Unrechtsregime" auf.

Offenbar im Rahmen einer konzertierten Aktion veröffentlichte am 5. Oktober Trumps Wirtschaftsberater Peter Navarro in der New York Times eine wahre Anklageschrift, bestehend aus all den vermeintlichen Verstößen Chinas gegen die Prinzipien des "freien Marktes" und des "fairen Handels", während am selben Tag das Verteidigungsministerium einen Bericht mit dem Titel "Assessing and Strengthening the Manufacturing and Defense Industrial Base and Supply Chain Resiliency of the United States" herausgab, der im Kern aus einem Katalog von Maßnahmen zur Errichtung einer Kriegswirtschaft bestand, damit die Supermacht USA nicht nur gegen die ökonomische Konkurrenz aus dem Reich der Mitte bestehen, sondern im Ernstfall auch eine großangelegte militärische Auseinandersetzung mit der Volksrepublik China gewinnen kann. Ebenfalls am 5. Oktober wartete die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg mit einer spektakulären Meldung auf, derzufolge der chinesische IT-Konzern Super Micro Computer seit Jahren in seine millionenfach, unter anderem auch von Amazon und Apple verwendeten Motherboards heimlich Mikrochips einbaue, die von der Volksarmee entwickelt worden seien und dieser Hackerangriffe erleichterten bzw. ermöglichten. Das Verteidigungsministerium in Peking und Super Micro Computer haben den Bericht als unseriös abgetan, seinen Inhalt als falsch bezeichnet.

Seit diesem Tag reißen die Vorwürfe und Bezichtigungen aus Washington an die Adresse Pekings praktisch nicht mehr ab. Am 10. Oktober wurde ein chinesischer Geschäftsmann wegen Wirtschaftsspionage aus Belgien an die US-Behörden ausgeliefert. Am 11. Oktober ordnete die Trump-Regierung neue und erschwerte Überprüfungen aller chinesischen Investitionen und Firmenübernahmen in den USA an. Bereits vor einigen Monaten hat Washington Strafzölle gegen chinesische Importe im Wert von 250 Milliarden Dollar verhängt und mit weiteren gedroht. Zudem enthält das neue Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko eine Klausel, die Ottawa und Mexiko-Stadt den Abschluß ähnlicher Verträge mit China praktisch verbietet, weil die Volksrepublik keine "freie Marktwirtschaft", sondern eine gelenkte Staatsökonomie sei.

Bekanntlich ist es das Vordringen der Chinesen in den Bereich der High-Tech wegen des militärischen Nutzens der Robotik, der künstlichen Intelligenz et cetera, was Amerikas Sinophobe wie Navarro und Trumps ehemaligen Wahlkampfleiter Steve Bannon mehr als alles andere stört. Von daher überrascht es nicht, daß seit Tagen im Wirtschaftsteil der US-Presse eine aufgeregte Debatte darüber stattfindet, wie man eine landesweite 5G-Mobilfunkinfrastruktur errichten könne, ohne daß chinesische Großunternehmen wie Huawei oder ZTE davon profitieren bzw. ohne deren unter Spionageverdacht stehende Netzwerkprodukte benutzen zu müssen.

Ende November, Anfang Dezember findet das diesjährige Treffen der Staats- und Regierungchefs der 20 wichtigsten Industriestaaten in Buenos Aires statt. Einige Beobachter hoffen, daß es beim G-20-Gipfel in der argentinischen Hauptstadt zu einer Aussprache zwischen Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jingping kommt, die das bilaterale Verhältnis der beiden Staaten in ruhigeres Fahrwasser bringt. Nimmt man jedoch das Interview, das Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton am 11. Oktober dem rechtsgerichteten Radiomoderator Hugh Hewitt gab und in dessen Sendung am Tag darauf ausgestrahlt wurde, denn ist mit keiner baldigen Annäherung zwischen Washington und Peking zu rechnen. Trump würde sich in Buenos Aires auf ein bilaterales Gespräch mit Xi nur dann einlassen, wenn die Volksrepublik bis dahin ihr "Verhalten positiv" - im Sinne der USA - "verändert" habe und zwar politisch, wirtschaftlichen und militärisch, so Bolton.

Der ehemalige UN-Botschafter von George Bush jun. warf China vor, seit Jahren amerikanische Technologie zu "stehlen", und kündigte verstärkte Patrouillenfahrten der US-Marine im Südchinesischen Meer an, um Peking "in seine Schranken" zu weisen. "Ich denke, wir könnten den Abbau fossiler Rohstoffe im Südchinesischen Meer mit oder ohne chinesische Kooperation aufnehmen. Sie müssen wissen, daß sie dort [durch den Ausbau mehrerer Riffe und Inseln - Anm. d. SB-Red.] keine vollendeten Tatsachen geschaffen haben. Das ist keine chinesische Provinz und wird auch niemals eine sein", so Kriegstreiber Bolton, der 2002 und 2003 mit seinen Lügen über die "Massenvernichtungswaffen" Saddam Husseins berühmt wurde.

Demnächst will die US-Marine zusammen mit den befreundeten Schiffen aus Japan, Australien, Frankreich und Großbritannien großangelegte Kriegsspiele im Südchinesischen abhalten und dabei eventuell sogar die Taiwan-Straße durchfahren. China ist über die geplante Provokation mehr als verärgert und behält sich Maßnahmen zur Wahrung der eigenen Sicherheit vor. Im Interview mit den konservativen US-Nachrichtensender Fox News beschwerte sich am 14. Oktober Chinas Botschafter in Washington, Cui Tiankai, wie folgt: "Es sind nicht chinesische Kriegsschiffe, die vor die Küste Kaliforniens oder in den Golf von Mexiko fahren. Das alles findet nahe chinesischer Inseln und vor der chinesischen Küste statt. Wer verhält sich hier also offensiv und wer befindet sich in der Defensive? Die Antwort ist doch klar."

16. Oktober 2018


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