Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


ASIEN/908: Koreakonflikt - der Alltag kleiner Schritte ... (SB)


Koreakonflikt - der Alltag kleiner Schritte ...


Also doch kein Friedensnobelpreis 2018 für Donald Trump, Kim Jong-un und Moon Jae-in; statt dessen hat am 5. Oktober das norwegische Nobelkomitee in Oslo seine diesjährige Entscheidung für die Vergabe an die yesidische Aktivistin Nadia Murad und den Gynäkologen Denis Mukwege wegen ihrer mutigen und nicht ungefährlichen Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Frauen in den Kriegsgebieten des Iraks respektive der Demokratischen Republik Kongo bekanntgegeben. Ausschlaggebend für den Entschluß, Trump, Kim und Moon doch nicht mit dem Nobelpreis zu ehren, dürfte die Verschleppungstaktiken gewesen sein, mit denen seit mehreren Wochen die USA die weltweiten Hoffnungen auf die Schaffung eines dauerhaften Friedens auf der koreanischen Halbinsel trüben.

Zwar haben sich der US-Präsident und der nordkoreanische Staatsratsvorsitzende bei ihrem historischen Treffen am 12. Juni in Singapur auf die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel verständigt, doch gehen die Meinungen Washingtons und Pjöngjangs über den besten Weg, das ehrgeizige Ziel zu erreichen, weit auseinander. Seit Mitte Juni hat Nordkorea seine wichtigsten Anlagen in den Bereichen Atomforschung und Raketenbau entweder außer Betrieb gestellt oder komplett eingemottet. Im Gegenzug haben die USA lediglich ein einziges gemeinsames Kriegsmanöver mit den Streitkräften Südkoreas ausgesetzt - wofür sich Trump öffentlich gerühmt hat, den Amerikanern Steuerzahlungen in Millionenhöhe erspart zu haben.

Nichtsdestotrotz drängt das US-Außenministerium unter der Leitung Mike Pompeos auf einen raschen und kompletten Abbau des nordkoreanischen Atomwaffenarsenals. Als sich Pjöngjang in einen Brief an Trump über die "Mafiamethode" seines Chefdiplomaten beschwerte, hat Ende August der New York Baulöwe und selbsternannte "Meister des Deals" die Verhandlungen bis auf weiteres ausgesetzt. Um den Friedensprozeß zu retten, lud Kim den südkoreanischen Präsidenten Moon nach Pjöngjang zum dritten gemeinsamen Gipfeltreffen in diesem Jahr ein. Ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten der USA beschlossen die beiden Männer Mitte September eine ganze Reihe militärischer, politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen, um die Teilung Koreas zu überwinden und Nord und Süd näherzubringen.

Im Mittelpunkt der Überlegungen, wie man die Wiedervereinigung Koreas bewerkstelligen kann, steht der Plan, Nord- und Südkorea verkehrstechnisch durch den Bau neuer Straßen und Schienenstrecken wieder miteinander zu verbinden. Getrennt werden Nord- und Südkorea seit 65 Jahren durch die gefährlichste Grenze der Welt, die 248 Kilometer lange De-Militarisierte Zone (DMZ) am 38. Breitengrad. Dort liegen rund zwei Millionen Minen begraben. Also haben am 1. Oktober jeweils auf ihrer eigenen Seite der Demarkationslinie Minenräumkommandos beider Armeen begonnen, die unter der Erdoberfläche liegenden Sprengkörper ausfindig zu machen und zu entsorgen. Nebenbei soll auch nach den Überresten von mehreren hundert gefallener Soldaten aus Nord- und Südkorea, den USA und China Ausschau gehalten werden, die ebenfalls im Boden der DMZ liegen sollen.

Die Aufarbeitung des Koreakrieges, der von 1950 bis 1953 tobte und rund drei Millionen Menschen, die meisten von ihnen koreanische Zivilisten, das Leben kostete, ist ein wichtiger Aspekt des aktuellen Friedensprozesses. Im Juli hat Nordkorea den USA die Überreste von 55 amerikanischen Soldaten zwecks Identifizierung in einem Speziallabor des Pentagons auf Hawaii übergeben. Statt am 1. Oktober eine Militärparade zur Gründung der Streitkräfte Südkoreas vor 70 Jahren abzunehmen, hat Präsident Moon an einer Zeremonie zur feierlichen Überführung der Überreste von 64 südkoreanischen Soldaten, deren Identität von der Defense POW/MIA Accounting Agency der USA in Pearl Harbor eindeutig festgestellt werden konnte, teilgenommen (POW = Prisoner of War; MIA = Missing in Action - Anm. d. SB-Red.).

Während die beiden Teile Koreas zügig am Ausbau ihrer Beziehungen arbeiten, herrscht Unklarheit, wie es zwischen Pjöngjang und Washington weitergehen soll. Trump hat zwar die starken Friedenssignale, die vom innerkoreanischen Gipfeltreffen in Pjöngjang ausgingen, ausdrücklich begrüßt und sich für ein weiteres Treffen mit Kim noch in diesem Jahr offen gezeigt, doch die Hardliner in seiner Regierung, allen voran Pompeo und der Nationale Sicherheitsberater John Bolton, beharren auf der Aufrechterhaltung der Sanktionen, die sie "Politik des maximalen Drucks" nennen. Doch wenn die Amerikaner mit Nordkorea vorankommen wollen, werden sie noch das eine oder andere Zugeständnis machen müssen. Bei seinem Redebeitrag auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York forderte am 29. September der nordkoreanische Außenminister Ri Yong-ho von den USA "vertrauensbildende Maßnahmen" und erklärte, ohne sie werde Nordkorea "niemals" auf seine Atomwaffen verzichten.

Wie man aus den bisherigen Verhandlungen weiß, streben die Nordkoreaner eine gemeinsame Erklärung zur formellen Beendigung des Koreakrieges an, der irgendwann später ein Friedensabkommen folgen soll. Die Südkoreaner sind hierzu bereit, doch die Amerikaner wehren sich dagegen aus der berechtigten Angst, ihnen käme die Begründung für die US-Militärpräsenz auf der koreanischen Halbinsel abhanden. Darüber hinaus verlangt Nordkorea eine schrittweise Lockerung der Wirtschaftssanktionen. Dies lehnen Pompeo und Bolton mit dem Argument ab, einzig der ökonomische Druck habe Kim gefügig gemacht.

Der Geschäftsprofi Trump dagegen scheint die Situation etwas realistischer im Sinne des Gebens und Nehmens einzuschätzen. Nach einem Treffen des Nationalen Sicherheitsrats am 26. September erklärte der US-Präsident vor der Presse, er habe es mit der "Denuklearisierung" Nordkoreas nicht eilig; egal ob sie "zwei Jahre, drei Jahre oder fünf Monate" dauere, er, Trump, habe "alle Zeit der Welt". Daß die Trennung der Nordkoreaner von ihrem unter enormen Anstrengungen und Entbehrungen geschaffenen Atomarsenal einige Zeit in Anspruch nehmen würde, war jedem Kenner der Materie klar. Bestätigung für die Richtigkeit dieser Einschätzung lieferte am 1. Oktober der südkoreanische Vereinigungsminister Cho Myoung-gyon mit einer Stellungnahme gegenüber dem Parlament in Seoul, derzufolge Nordkorea über 20 bis 60 Nuklearsprengköpfe verfügt.

5. Oktober 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang