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ASIEN/890: Koreakonflikt - Strategeme ... (SB)


Koreakonflikt - Strategeme ...


Die Geheimgespräche, die der amtierende CIA-Chef und designierte US-Außenminister Mike Pompeo seit Monaten mit der Führung Nordkoreas führt und über die Tim Shorrock als erster am 22. März bei der linken amerikanischen Wochenzeitschrift The Nation berichtete, verlaufen offenbar recht gut. Am 17. April sorgte US-Präsident Donald Trump für eine Sensation, als er verkündete, daß Pompeo in der Osterzeit Ende März/Anfang April Pjöngjang heimlich besucht und sich dort mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un getroffen hatte. Das waren Gespräche auf der höchsten Ebene zwischen den USA und Nordkorea, seit Madeleine Albright als Amerikas Chefdiplomatin im Oktober 2000 Pjöngjang besuchte und politische Diskussionen mit Kim Jong-il, dem Vater Kim Jong-uns, führte.

Damals hat Kim Jong-il über Albright eine Einladung an Bill Clinton übermittelt. Doch im November jenes Jahres hat der Republikaner George W. Bush bei der Präsidentenwahl Vizepräsident Al Gore von den Demokraten besiegt - wenn auch denkbar knapp. Clinton entschied sich dagegen, einen solchen historischen Vorstoß wie die erste Reise eines US-Präsidenten in das kommunistische Nordkorea noch vor der Amtsübergabe an Bush jun. im Januar 2001 zu unternehmen, sondern überließ es dem Nachfolger, seinen eigenen Kurs in der Ostasienpolitik zu fahren. Das Ergebnis ist bekannt. Bush und seine Kriegsfalken Dick Cheney und Donald Rumsfeld setzten auf Konfrontation und ihr Lieblingsprojekt, den Aufbau eines milliardenteuren Raketenabwehrsystems, das trotz der Stationierung von mehr als 20 Abfangraketen in Alaska bis heute nicht richtig funktioniert. Das Säbelrasseln Bushs und später Barack Obamas veranlaßte die Nordkoreaner dazu, aus dem Nicht-Verbreitungsabkommen auszusteigen und sich auf die Schaffung einer glaubhaften nuklearen Abschreckung zu konzentrieren. Die enormen Anstrengungen haben sich ausgezahlt. 2017 hat Nordkorea erstmals erfolgreich eine Wasserstoffbombe und eine Interkontinentalrakete getestet. Das Land kann nicht mehr von den USA angegriffen werden, ohne daß diese dabei verheerende Gegenschläge an der eigenen Westküste befürchten müssen.

Im letzten Jahr - Trumps erstes als US-Präsident - hat der New Yorker Baulöwe recht drastische Drohungen in Richtung Pjöngjang im allgemeinem und Kim im besonderen ausgesprochen. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, hat Trump auch eine beträchtliche Streitmacht rund um die koreanische Halbinsel positioniert - darunter Flugzeugträger, Atom-U-Boote und Tarnkappenbomber. Im UN-Sicherheitsrat hat US-Botschafterin Nikki Haley für die Verhängung drakonischer Handelssanktionen gegen Nordkorea gesorgt. Noch Anfang 2018 sah es so aus, als würde die US-Marine beginnen, zur Durchsetzung besagter UN-Handelssanktionen alle Schiffe, die in nordkoreanischen Häfen Station machten, mittels Gewaltandrohung aufzubringen und zu durchsuchen. Ein solches Vorgehen brächte jedes mal die Gefahr einer Kriegseskalation mit sich. Glücklicherweise kam es bisher nicht zur Ausführung.

Statt dessen haben die Verantwortlichen in Seoul und Pjöngjang die Gelegenheit der Winterolympiade im südkoreanischen Pyeongchang im Februar für eine rege und höchst produktive "Sportdiplomatie" benutzt. Es folgten innerkoreanischen Gespräche in Pjöngjang Anfang März, die Einladung Kims an Trump zum Gipfeltreffen und deren überraschende Annahme durch das Weiße Haus. Die Geheimreise Pompeos ist lediglich der jüngste Teil eines komplizierten Annäherungsprozesses, an dessen Ende stehen soll, daß die Gefahr eines Atomkrieges gebannt wird, der nicht nur auf die USA und Nordkorea beschränkt bliebe, sondern auch Südkorea, Japan, China und eventuell Rußland in Mitleidenschaft zöge.

Am 27. April kommen Kim und Südkoreas Präsident Moon Jae-in in der Demilitarisierten Zone (DMZ) am 38. Breitengrad zusammen. Bereits jetzt hat man eine direkte telefonische Hotline zwischen dem Blauen Haus in Seoul, dem Sitz des südkoreanischen Staatsoberhaupts, und der Kommission für Staatliche Angelegenheiten in Pjöngjang eingerichtet, die heute in Betrieb gehen soll. Auf der Agenda des Treffens zwischen Kim und Moon stehen sowohl der Verzicht Nordkoreas auf sein Atomwaffenarsenal als auch die Unterzeichnung eines Friedensvertrags zur formellen Beendigung des Koreakriegs, der 1953 nach drei Jahren rein rechtlich lediglich durch einen Waffenstillstand unterbrochen wurde.

Nordkorea gibt sich zur "Entnuklearisierung" tatsächlich bereit, verlangt jedoch im Gegenzug die Beendigung aller "Feindseligkeiten" der USA und Südkoreas - gemeint sind vor allem die dauernden Militärmanöver - und eine "Sicherheitsgarantie". Wie Moon am 19. April gegenüber der Presse erklärte, haben die Nordkoreaner die Ernsthaftigkeit ihrer Kompromißbereitschaft dadurch demonstriert, daß sie auf ihre bisherige Formel, Abschaffung der eigenen Atomwaffen nur gegen den kompletten Rückzug aller US-Streitkräfte von Südkorea, verzichten. Wenngleich eine Bestätigung für dieses wichtige Zugeständnis aus Pjöngjang noch ausbleibt, erklärt es vielleicht, warum auf amerikanischer Seite bereits über die formelle Anerkennung des Staats Nordkorea und die Eröffnung einer US-Botschaft in Pjöngjang gesprochen wird.

Vom Ausgang des innerkoreanischen Gipfeltreffens hängt ab, ob Kim und Trump tatsächlich zusammen kommen. Deren Begegnung ist bereits für Mai bzw. Juni terminiert, nur auf den passenden Ort hat man sich nicht geeinigt. Als mögliche neutrale Treffpunkte sind unter anderen Stockholm, Genf und Singapur im Gespräch. Angeblich werden Kim und Moon über Wege hin zur Wiedervereinigung Koreas sprechen. Als konkreter Schritt in Richtung Entspannung gilt die Überlegung, sämtliche Militärkapazitäten am 38. Breitengrad drastisch zu reduzieren, um auf beiden Seiten in einer Tiefe von mehreren Kilometern eine demilitarisierten Zone zu schaffen, die diesen Namen tatsächlich verdient. Eine solche Entflechtung trüge sicherlich dazu bei, die Gefahr irgendwelcher Zwischenfälle an der Grenze zu bannen.

Auch wenn aktuell die diplomatische Atmosphäre Anlaß zu Hoffnung gibt, bleibt die Möglichkeit des Rückfalls in alte Positionen vorerst bestehen. Beim Treffen mit dem japanischen Premierminister Shinzo Abe am 17. April erklärte Trump, er werde jederzeit aus den Gesprächen mit den Nordkoreanern aussteigen, sollten sich diese aus seiner Sicht als nicht zielführend erweisen. Am 12. Mai steht die Entscheidung an, ob Trump seine Drohung, den 2015 von Obama vereinbarten Atomvertrag mit dem Iran aufzukündigen, wahr macht.

Bei Gesprächen mit ausländischen Staatsgästen haben die Nordkoreaner immer wieder auf das Schicksal Muammar Gaddhafis als mahnendes Beispiel hingewiesen. 2004 hat der libysche Revolutionsführer sich mit dem Westen versöhnt und sein eigenes Atomprogramm aufgegeben, nur um sieben Jahre später von den NATO-Mächten USA, Frankreich und Großbritannien gewaltsam gestürzt zu werden. Vor diesem Hintergrund könnte eine Aufkündigung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran durch Trump negative Auswirkungen auf die Verhandlungen mit den Nordkoreanern haben. Diese werden sehr genau beobachten, wie die Amerikaner mit dem "Mullah-Regime" in Teheran verfahren und daraus ihre eigenen Schlüsse über die Verläßlichkeit Washingtons ziehen.

20. April 2018


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