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ASIEN/851: Myanmars Rohingya geraten unter "Terrorverdacht" (SB)


Myanmars Rohingya geraten unter "Terrorverdacht"

Aung San Suu Kyi läßt die muslimischen Mitbürger im Stich


In Myanmar sieht sich die muslimische Minderheit der Rohingya einer grausamen Offensive der staatlichen Streitkräfte ausgesetzt. Dörfer werden niedergebrannt; Männer, Frauen und Kinder werden ermordet, einige von ihnen erst nachdem sie gefoltert bzw. vergewaltigt wurden. Über die Armee hält Premierministerin und Friedensnobelpreisträgerin Daw Aung San Suu Kyi ihre schützende Hand, sie spricht von einer unübersichtlichen Lage und hält sich eisern an die Linie von Myanmars buddhistischen Ethnofaschisten, denen zufolge die 1,1 Millionen Rohingya nicht zum Volk der 60 Millionen Birmesen gehören, sondern illegale Einwanderer aus Bengalen bzw. deren Nachkommen seien. Und das trotz der Tatsache, daß die Rohingya seit Jahrhunderten das Gebiet des heutigen Bundesstaats Rakhine besiedeln, wie die Ähnlichkeit der Namen zeigt.

Seit 2012 kommt es gegen Myanmars Rohingya immer wieder zu Pogromen, die von gewaltbereiten buddhistischen Mönchen angeführt werden. Die Gewaltexzesse haben wiederum Flüchtlingswellen ausgelöst, bei denen Tausende verzweifelte Rohingya entweder auf dem Landweg oder mit Fischerbooten nach Bangladesch, Malaysia oder ins indonesische Sumatra zu gelangen versuchten. Seit am 9. Oktober unbekannte Täter einen Wachposten an der Grenze zwischen Myanmar und Bangladesch überfallen und dabei neun myanmarische Soldaten getötet haben, herrscht in Rakhine der Ausnahmezustand. Ausländische Reportern, Menschenrechtlern und Vertretern von Hilfsorganisationen wird der Zugang zur Krisenregion verwehrt, damit die Streitkräfte ungehindert ihr mörderisches Handwerk betreiben können. Gegen den Vorwurf der Vereinten Nationen, in Rakhine komme es zu Menschenrechtsverbrechen, erklärte Suu Kyi, so etwas gebe es in jedem Land; erst bei der Vorlage entsprechender Beweise werde sie die Täter zur Verantwortung ziehen.

Die Beweise für den Völkermord liegen längst vor. Bereits im November hat die in New York ansässige Organisation Human Rights Watch zwei Berichte veröffentlicht, auf deren Satellitenfotos man erkennen konnte, daß mindestens 1250 Gebäude in fünf Rohingya-Dörfern niedergebrannt worden waren. In Südostasien sorgen Medienberichte von Übergriffen gegen die Rohingya für Empörung. Vor den Botschaften Myanmars in Bangkok, Jakarta und Kuala Lumpur ist es zu Demonstrationen gekommen, bei denen Suu Kyi auf Transparenten als "Schlächterin" bezeichnet wurde. Mindestens 27.000 Rohingya sind über die Grenze nach Bangladesch geflohen. Offiziellen Angaben der Behörden Myanmars zufolge sind im Rahmen der Armee-Operation bislang 86 Zivilisten ums Leben gekommen. Die tatsächliche Anzahl der Opfer dürfte weit höher liegen.

In einem Bericht der linksliberalen britischen Tageszeitung Guardian vom 10. Dezember hat Penny Green, Juraprofessorin an der University of London, die über ein Jahr die Entwicklung in Rakhine eingehend untersucht hat, den Umgang von Myanmars Militär mit den Rohingya als "völkermörderisches Vorgehen" bezeichnet. Wörtlich erklärte sie:

Es ist wichtig, Völkermord als einen Prozeß zu verstehen, der sich über viele Jahre entfaltet, mit der Stigmatisierung der Zielgemeinde beginnt und in physische Gewalt, Zwangsisolierung, systematische Benachteiligung und am Ende Massenvernichtung ausartet. Seit vier Jahren leiden die Rohingya unter einem staatlichen Programm der Verweigerung der Gesundheitsversorgung und des Zugangs zu Lebensmitteln, der Einschränkung der Möglichkeiten, sich den Lebensunterhalt zu verdienen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und sich frei zu bewegen. Und nun, seit dem 9. Oktober dieses Jahres sehen sich die Rohingya im nördlichen Bundesstaat Rakhine einer schrecklichen neuen Phase des Völkermords, darunter Massentötungen, Vergewaltigungen, Beseitigung von Dörfern und die Auslöschung ganzer Gemeinden, ausgesetzt, die von den Streitkräften Myanmars ungestraft umgesetzt wird.

Ein Ende der Straflosigkeit für Suu Kyis Schergen in Rakhine ist nicht in Sicht. Das Gegenteil ist der Fall, seit am 14. Dezember die International Crisis Group (ICG) gemeldet hat, daß hinter dem blutigen Überfall auf den Grenzposten im Oktober eine bislang unbekannte Kampftruppe namens Harakah al-Yakin stecke. Die Gruppe, deren Mitglieder sich gemäß ihrer YouTube-Postings und Kommunikationen in den sozialen Medien als Verteidiger der Rohingya verstehen, steht laut Angaben der ICG mit anderen dschihadistischen, sprich radikal-islamischen "Terrororganisationen" in Saudi-Arabien und Pakistan in Verbindung. Nach dieser Feststellung werden die Militärs in Myanmar bestimmt nicht zögern, ihr Abschlachten unschuldiger Moslems in Rakhine als einen weiteren Teil des vom Westen seit dem 11. September 2001 propagierten "globalen Antiterrorkriegs" zu deklarieren.

17. Dezember 2016


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