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ASIEN/790: Nordkorea erklärt USA und Südkorea den Krieg (SB)


Nordkorea erklärt USA und Südkorea den Krieg

Säbelrasseln am 38. Breitengrad nimmt gefährliche Dimensionen an



Seit Nordkorea am 12. Februar seinen dritten Atomtest durchführte, woraufhin die USA eine Verurteilung Pjöngjangs durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erwirkten, will das Säbelrasseln am 38. Breitengrad nicht abreißen. Im Gegenteil nimmt es dermaßen zu, daß man befürchten muß, die USA und Nordkorea könnten durch ihr Streben, unbedingte Standfestigkeit im Angesicht des Feindes zu demonstrieren, in einen Krieg hineinstolpern, an dem aus Gründen der Bündnistreue sich zusätzlich Südkorea, Japan, China und Rußland zu beteiligen verpflichtet sähen. Die Grenzen der Zerstörung eines solchen Gemetzels sind nach oben offen. Kämen Atomwaffen zum Einsatz, wäre das eventuell das Ende der Menschheit.

Bedenkt man die große Gefahr für alle Beteiligten - und Nicht-Beteiligten - könnte man sich nur wünschen, Pjöngjang und Washington würden ihr gegenseitiges Aufschaukeln beenden. Leider ist es nicht der Fall. Die Regierung in Pjöngjang hat besonders heftig auf die Verhängung neuer Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat reagiert, den USA die Vorbereitung eines Angriffskrieges vorgeworfen und mit präemptiven Atomschlägen auf Ziele auf Hawaii und dem amerikanischen Festland gedroht. Man führt die Heftigkeit der nordkoreanischen Reaktion auf die Tatsache zurück, daß die Volksrepublik China im Vergleich zu früher, wo sie sich enthalten oder ihr Veto eingelegt hätte, diesmal die entsprechende UN-Resolution unterstützt hat. China ist der wichtigste, weil praktisch einzige Handelspartner der Nordkoreaner. Ohne Energielieferungen und Lebensmittelimporte aus der Volksrepublik würde der Staat Nordkorea vermutlich ganz schnell kollabieren. Das Verhalten der Pekinger Diplomatie scheint in Pjöngjang, wo der neue, unerfahrene Machthaber Kim Jong Un nicht einmal ein Jahr im Amt ist, Befürchtungen ausgelöst zu haben, die USA setzten mit der Duldung der Chinesen zur Umsetzung ihres erklärten Zieles - Regimewechsel in Nordkorea - an.

In Reaktion auf die Drohungen aus Nordkorea haben die USA eine Aufstockung der Anzahl ihrer in Alaska und Kalifornien stationierten Abfangraketen angekündigt. Vor einigen Tagen haben Südkorea und die USA zudem mit ihrem gemeinsamen Frühjahrsmanöver begonnen. Doch nachdem die amerikanischen Streitkräfte bei dem Kriegsspiel B-52-Bomber eingesetzt hatten, die Atomwaffen befördern können und vom US-Luftwaffenwaffenstützpunkt Andersen auf der südpazifischen Insel Guam gestartet waren, haben die Nordkoreaner alle Telefonleitungen mit der südkoreanischen Militärführung, die es beiden Seiten ermöglichen sollten, den Ausbruch eines Krieges infolge irgendwelcher Mißverständnisse zu verhindern, gekappt. Praktisch zeitgleich hat Nordkorea den Waffenstillstand, der den Koreakrieg 1953 de facto beendete, aufgekündigt und seine sämtlichen Raketenstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt.

Den Drohungen zum Trotz gehen alle Militärexperten davon aus, daß die Nordkoreaner mit ihren Raketen kein US-Territorium, weder Guam, Hawaii noch Alaska, sondern lediglich Ziele in Südkorea und Japan erreichen können. Die grenznahe südkoreanische Hauptstadt Seoul könnten sie mit Artilleriebombardements und Kurzstreckenraketen in Schutt und Asche legen. Das Leben der rund 28.000 in Südkorea stationierten US-Militärangehörigen wäre im Kriegsfall akut gefährdet. Auf Yokosuka, dem Stützpunkt der 7. US-Flotte an der Tokioter Bucht, würden die nordkoreanischen Mittelstreckenraketen vermutlich nur so herunterregnen. Um Verbundenheit mit Südkorea und Japan zu zeigen, hat das Pentagon am 28. März erstmals zwei Tarnkappenbomber vom Typ B2 Spirit an besagtem Frühjahrsmanöver teilnehmen lassen. Sie sind von ihrem Heimatstützpunkt Whiteman im US-Bundesstaat Missouri gestartet, haben auf Ziele auf zwei kleinen, südkoreanischen Inseln Bombenattrappen abgeworfen und sind wieder nach Hause geflogen. Dies gaben am selben Tag der neue US-Verteidigungsminister Chuck Hagel und Generalstabschef Martin Dempsey höchstpersönlich bekannt.

Wenngleich der Pentagonchef und der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs meinten, mit der Aktion keine Provokation Nordkoreas herbeiführen zu wollen, hat der Langstreckenflug der beiden B2-Tarnkappenbomber, die für den Transport von Atombomben und Lenkwaffen gedacht sind, genau dies erreicht. Innerhalb weniger Stunden nach der gemeinsamen Pressekonferenz von Hagel und Dempsey hat sich Kim Jong Un mit der Behauptung zu Wort gemeldet, seine Streitkräfte seien bereit und in der Lage, "mit den US-Imperialisten abzurechnen". Am 30. März gab die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA eine Erklärung heraus, in der es hieß, Nordkorea und Südkorea befänden sich miteinander "im Kriegszustand". Die "langanhaltende Situation zwischen Krieg und Frieden", die seit 1953 auf der koreanischen Halbinsel geherrscht habe, sei "endgültig vorbei", so die KCNA. Angesichts der jüngsten Zuspitzung äußerte der russische Außenminister Sergej Lawrow die Sorge, daß die Lage "außer Kontrolle geraten" könnte.

Angaben aus Südkorea zufolge lief jedoch bis zuletzt in Kaesong, dem Industriepark, in dem seit mehr als zehn Jahren nahe der gemeinsamen Grenze nordkoreanische Arbeiternehmer für südkoreanische Großkonzerne eine Reihe von verschiedenen Produkten fertigen, der Normalbetrieb weiter. 2012 wurden dort Waren im Wert von 470 Millionen Dollar hergestellt. Weil Kaesong eine der wichtigsten Devisenquelle für das kommunistische Nordkorea ist, gehen Beobachter davon aus, daß ein Waffengang mit allem, was dazu gehört, nur dann ernsthaft droht, wenn Pjöngjang die südkoreanischen Manager in Kaesong entweder nach Hause schickt oder als Kriegsgefangene festsetzt.

30. März 2013