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ASIEN/712: Polizisten wegen Verwicklung in Bhutto-Mord verhaftet (SB)


Polizisten wegen Verwicklung in Bhutto-Mord verhaftet

Aufklärung der Ermordung der PPP-Chefin kommt nur langsam voran


Als in Herbst 2007 Benazir Bhutto nach rund zehn Jahren im Exil in die Heimat zurückkehrte, um ihre Pakistan People's Party (PPP) bei den für das Frühjahr 2008 angesetzten Parlamentswahlen anzuführen und das Ende der diktatorischen Ära von General Pervez Musharraf als Präsident einzuläuten, war sie sich des Risikos für ihr Leben bewußt. Die ehemalige Regierungschefin, der beste Chancen auf die erneute Ernennung zur Premierministerin vorausgesagt wurden, hat bei ihrer Rückkehr erklärt, daß die Verantwortlichen, sollte sie einem Attentat zum Opfer fallen, im pakistanischen Sicherheitsapparat zu suchen wären. Fast drei Jahre später bleibt die Ermordung von Bhutto am 27. Dezember 2007 im Anschluß an eine Wahlkampfveranstaltung in der Garnisonsstadt Rawalpindi immer noch unaufgeklärt. Doch peu-à-peu bestätigt sich der Verdacht einer Verwicklung staatlicher Stellen in das spektakuläre Attentat. Am 4. Dezember hat ein Anti-Terror-Gericht in Islamabad zwei ranghohe Ex-Polizisten angeklagt, den tödlichen Angriff auf Bhutto nicht verhindert und anschließend die Ermittlungen torpediert zu haben, und deren Verhaftung angeordnet.

Bei den Angeklagten handelt es sich um Saud Asis, seinerseits Polizeichef von Rawalpindi, und dessen ehemaligen Kollegen Kurram Shahzad. In einer am 4. Dezember erschienenen Meldung der Nachrichtenagentur Agence France Presse wurde der Sonderstaatsanwalt Chaudhry Zulfiqar Ali dahingehend zitiert, die beiden Polizeioffiziere hätten "versäumt, ausreichend für die Sicherheit Bhuttos zu sorgen, ihr eine Autopsie vorenthalten" und seien "darüberhinaus dafür verantwortlich, daß der Tatort unmittelbar nach dem Verbrechen abgespritzt wurde". Beide Punkte sind hochbrisant, denn die genaue Todesursache Bhuttos ist bis heute unklar geblieben. Einige Experten meinen, sie habe sich die tödliche Verletzung zugezogen, als neben ihrem Auto eine Bombe explodierte - die 25 weiteren Menschen das Leben kostete - und ihr Kopf gegen die Kante des Schiebedachs schlug, während andere einen gezielten Kopfschuß für die eigentliche Todesursache halten.

In einem Artikel, der am 6. Dezember bei der britischen Tageszeitung Guardian erschienen ist, berichtete dessen Islamabad-Korrespondent Declan Walsh unter Verweis auf den im April veröffentlichten Untersuchungsbericht eines Expertenteams der Vereinten Nationen, der Polizeichef Asis habe nach nicht einmal zwei Stunden nach dem Anschlag auf Bhutto das Abspritzen des Tatorts veranlaßt. Dadurch hätten die zuständigen Forensiker lediglich 26 Beweisstücke sichergestellt statt "Tausende", die nach einem derartigen Anschlag hätten zu finden sein müssen - darunter auch DNA-Material von eventuellen Tätern. Im selben UN-Bericht wird Asis dafür heftig kritisiert, die Autopsie der Leiche Bhuttos ganze zwei Tage lang blockiert zu haben. Dazu schreibt Walsh:

Das UN-Team konzentrierte sich auf die Handlungen von Asis, der laut Zeugen "dauernd ins Mobiltelefon sprach", während die Ärzte in einem Krankenhaus von Rawalpindi fieberhaft versuchten Bhuttos Leben zu retten. Das UN-Team hat "glaubhafte Informationen" erhalten, daß die pakistanischen Geheimdienste interveniert hatten. Doch Asis weigerte sich zu sagen, mit wem er gesprochen hatte, und versuchte das Versäumnis der Durchführung einer Autopsie [Asif Ali] Zardari [dem Ehemann Bhuttos, der heute Pakistans Präsident ist] anzulasten - etwas, das unlauter war, erklärten die UN-Experten. "Dies deutet auf den vorgefaßten Versuch hin, eine umfassende Untersuchung von Frau Bhuttos Überresten zu verhindern."

Nach dem Tod der 54jährigen Politikerin machten die pakistanischen Behörden, demonstrativ unterstützt von ihren Kollegen bei der CIA, den Chef der pakistanischen Taliban, Baitullah Mehsud, für das Attentat verantwortlich und legten der Presse einen Kopf vor, der der des vermeintlichen Selbstmordattentäters gewesen sein sollte. Seinerseits hat Mehsud bis zu seiner Ermordung durch eine Hellfire-Rakete der CIA im August 2008 jede Beteiligung seiner Gruppe an dem Anschlag energisch bestritten. Im Juli 2008 war Bhuttos Chefleibwächter Khalid Shahenshah selbst unter mysteriösen Umständen auf offener Straße in Karatschi von unbekannten Tätern auf einem Motorrad erschossen worden. Zuvor waren Videoaufnahmen von der letzten Wahlkampfveranstaltung Bhuttos veröffentlicht worden, auf denen zu sehen war, wie Shahenshah durch ungewöhnliche Gesten und Augenbewegungen scheinbar Signale an irgendwelche Scharfschützen zu geben versuchte. Am Tag nach der Erschießung des Zardari-Vertrauten berichteten Zahid Hussain und Sophie Tedmanson in der Londoner Times aus der pakistanischen Hafenmetropole, hinter dem Attentat, das mit der Ermordung Bhuttos zusammenhinge, steckten "dunkle Mächte".

Möglicherweise könnten damit die CIA und ihr Freunde vom privaten Söldnerunternehmen Blackwater gemeint sein. Wie Jeremy Scahill in einem am 15. September dieses Jahres bei der US-Politzeitschrift "The Nation" erschienenen Artikel berichtete, hatte Bhutto bei der Rückkehr nach Pakistan Blackwater-Leibwächter engagiert. Interessanterweise zitierte Scahill aus einem Brief des Blackwater-Managers Robert Richer vom Oktober 2007, in dem es hieß, man sollte für den Fall, daß der Name der berüchtigten Sicherheitsfirma in Verbindung mit dem Bhuttos "auftaucht", "eine Mitteilung von einer Niederlassung von Al Kaida" bereithalten. Klingt nicht besonders "lauter", um auf das vorhin zitierte Wort der UN-Ermittler anzuspielen.

7. Dezember 2010