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ASIEN/656: Hillary Clinton droht dem US-Verbündeten Pakistan (SB)


Hillary Clinton droht dem US-Verbündeten Pakistan

Ehemalige First Lady heizt den "Antiterrorkrieg" rhetorisch an


Während im Pentagon erste Zweifel am Sinn der Truppenaufstockungsstrategie Präsident Barack Obamas und General Stanley McChrystals in Afghanistan einschließlich der für diesen Sommer geplanten Offensive gegen die Taliban-Hochburg Kandahar aufkommen, treiben die USA den "Antiterrorkrieg" in Pakistan voran. Die Anzahl der CIA-Drohnenangriffe auf mutmaßliche Verstecke der Taliban in den pakistanischen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan steigt ebenso unaufhörlich wie die der zivilen Opfer der hochumstrittenen Maßnahme, während Washington die Regierung in Islamabad massiv bedrängt, nach Militäroperationen gegen Islamisten im Swat-Tal, in Bajaur und in Südwasiristan, die jene Regionen in Kriegsgebiete verwandelt haben, die pakistanischen Streitkräfte endlich nach Nordwasiristan hineinzuschicken. Dort sollen sich angeblich die Führungsmitglieder verschiedener aufständischer Gruppen wie die des Hakkani-Netwerkes und der pakistanischen Taliban um Hakimullah Meshud sowie eine unbekannte Anzahl ausländischer Al-Kaida-Aktivisten aufhalten. Wegen der schwierigen topographischen Bedingungen in Nordwasiristan und der Schlagkraft der Islamisten dort versucht das pakistanische Militär seit Jahren um die Durchführung einer großangelegten Offensive in jener Region herumzukommen.

Wohlwissend um die schwierige politische Position, in der sich das im eigenen Land vielkritisierte pakistanische Militär befindet, halten sich die für die bilaterale Zusammenarbeit zuständigen US-Generäle wie der Generalstabschef Michael Mullen, der CENTCOM-Chef David Petraeus und der ISAF-Oberbefehlshaber McChrystal mit Kritik an den Kameraden in Rawalpindhi auffällig zurück. Anders sieht es bei den Politikern in Washington aus. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendwelche Volksvertreter im Repräsentantenhaus oder Senat Pakistan mangelnde Zusammenarbeit im "Antiterrorkrieg" vorwerfen, das Land quasi zum "Schurkenstaat" erklären, eine Einfrierung der amerikanischen Hilfsgelder verlangen und die Gefahr eines Putsches extremistischer Kräfte in Islamabad an die Wand malen. An die Spitze derjenigen, die dauernd an den Pakistanern etwas auszusetzen haben, gehört Hillary Clinton.

Obamas Chefdiplomatin hat den Fall des Faisal Shahzad, eines US-Bürgers pakistanischer Herkunft, dem am 1. Mai ein Autobombenanschlag auf dem New Yorker Times Square mißlungen sein soll, zum Anlaß für eine erneute Breitseite Richtung Islamabad genommen. Ungeachtet der Tatsache, daß es bisher keine handfesten Beweise für eine Verbindung Shahzads zu irgendwelchen "Terror"-Gruppen in Pakistan gibt, hat Clinton bei einem Interview für die am 9. Mai ausgestrahlte CBS-Sendung "60 Minutes" den gescheiterten Anschlag in New York für einen diplomatischen Rundumschlag gegen die Regierung in Islamabad genutzt. Zwar lobte sie die Pakistaner wegen der jüngsten Offensiven in den Stammesgebieten, verlangte jedoch noch größere Anstrengungen im "Antiterrorkampf" und unterstellte bestimmten Teilen des pakistanischen Sicherheitsapparats die Zusammenarbeit mit Taliban und Al Kaida. "Ich sage nicht, daß es auf der höchsten Ebene geschieht, doch ich glaube, daß es irgendwo in dieser Regierung [der pakistanischen - Anm. d. Red.] Leute gibt, die wissen, wo Osama Bin Laden und Al Kaida sind, wo sich Mullah Omar und die Führung der afghanischen Taliban aufhalten, und wir erwarten mehr Kooperation, um diejenigen, die uns am 11. September angegriffen haben, entweder der Gerechtigkeit zuzuführen oder gefangenzunehmen oder zu töten." Der schwerwiegenden Unterstellung schickte die ehemalige First Lady und Senatorin aus New York unter Verweis auf die Ereignisse vom Times Square eine offene Drohung hinterher: "Wir haben ganz deutlich gemacht, daß das sehr schwerwiegende Konsequenzen nach sich zöge, sollte, Gott bewahre, ein solcher Angriff erfolgreich sein und sollten wir die Spuren nach Pakistan zurückverfolgen können."

In Pakistan, wo nach Informationen von Innenminister Rehman Malik die Polizei den Hinweisen der US-Behörden auf etwaige Kontakte Shahzads zur islamistischer Szene nachgegangen und zu dem vorläufigen Schluß gekommen ist, daß diese nicht auf Handfestem beruhen, haben die Äußerungen Clintons größte Empörung ausgelöst. Im pakistanischen Senat wurden am 10. Mai die "nackten Drohungen" der US-Außenministerin verurteilt. Man verwies darauf, daß Shahzad ein Bürger der Vereinigten Staaten sei, und unterstellte der Regierung in Washington, die Pakistaner "wie Sklaven" zu behandeln. In diesem Zusammenhang kritisierte man die eigene Regierung, sich seitens Washington zu viel gefallen zu lassen.

Bereits im letzten Oktober hatte Clinton bei ihrem ersten Besuch als Obamas Secretary of State in Pakistan ihre Gastgeber mit öffentlichen und damit sehr undiplomatischen Behauptungen vor den Kopf gestoßen, Bin Laden und Mullah Omar hielten sich irgendwo in der islamischen Republik auf und würden dabei von irgendwelchen dubiosen Figuren beim pakistanischen Militär oder Geheimdienst Inter-Services Intelligence Directorate (ISI) geschützt. Doch wenn Hillary Clintons Informationen stimmten, dann wüßte auch die CIA längst, wo sich die beiden Hauptfeinde Amerikas befinden. Also wenn heute, fast neun Jahren nach den Anschlägen vom 11. September, der mutmaßliche Auftraggeber Bin Laden immer noch frei herumläuft, dann nur weil die Verantwortlichen in den USA ihn nicht haben gefangennehmen oder töten wollen. Alles andere ist dummes Gerede.

15. Mai 2010