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ASIEN/637: US-Geheimdienstagent an Mumbai-Anschlägen beteiligt (SB)


US-Geheimdienstagent an Mumbai-Anschlägen beteiligt

Chefplaner der Mumbai-Anschläge war im CIA-Auftrag unterwegs


Über die genaue Urheber- und Täterschaft der furchterregenden Anschläge, die Ende November, Anfang Dezember 2008 die indische Metropole Mumbai tagelang in ein Bürgerkriegsgebiet verwandelten und 180 Menschen das Leben kosteten, herrscht bis heute Unklarheit. Von den angeblich nur zehn schwerbewaffneten Attentätern, die mit Bomben um sich warfen, ein Blutbad im Hauptbahnhof anrichteten und Geiselnahmen in zwei Nobelhotels sowie einem jüdischen Kulturzentrum durchführten, sollen neun entweder durch Polizeikugeln oder die Zündung eigener Sprengstoffgürtel umgekommen sein. Festgenommen wurde als einziger Angreifer der inzwischen 22jährige Pakistaner Muhammed Ajmal Kasab, von dem die indischen Sicherheitsbehörden behaupten, er und seine Kumpane seien im Auftrag bzw. mit Hilfe des pakistanischen Geheimdienstes Inter-Services Intelligence Directorate (ISI) von der Untergrundorganisation Lashkar-e-Taiba, die seit Jahren für eine Abspaltung des östlichen, mehrheitlich von Moslems bewohnten Teils Kaschmirs von Indien kämpft, ausgebildet, ausgerüstet und bis zuletzt instruiert worden.

Gegen diese Darstellung der Ereignisse setzt sich die Regierung in Islamabad bis heute zur Wehr. Vor kurzem bezeichnete der pakistanische Innenminister Rehman Malik die Auslassungen des wenig gebildeten Kasab als beweistechnisch "unzureichend". Die Pakistaner, die behaupten, die Kollegen bei den indischen Sicherheitsbehörden bereits im Sommer 2008 und damit rechtzeitig vor einem bevorstehenden Großanschlag gewarnt zu haben, beklagen sich, vom Nachbarland keine konkreten Verdachtsmomente für eine Verwicklung pakistanischer Akteure in das Gemetzel genannt bekommen zu haben.

In Westen tun Presse und Politik die Unschuldsbeteuerungen der Pakistaner leichtfertig ab. Zu fest sitzen die Klischees vom atomarbewaffneten Krisenstaat, dessen Führung partout nicht die schützende Hand von ihren dschihadistischen Handlangern bei den Taliban Mullah Muhammed Omars, beim Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens, bei der L-e-T und bei den Milizen Jallaludin Hakkanis und Gulbuddin Hekmatyars zurückziehen will, weil sich die bestimmenden Kräfte Pakistans zusammen dem Radikalislam verschrieben hätten. Die Pakistaner sehen die Dinge bekanntlich anders. Sie befürchten, daß mittels eines "Falsche-Flagge"-Terrorismus ihr Staat destabilisiert und letzlich in seinen ethnischen und religiösen Einzelteilen zerlegt werden soll, weil sich auf diese Weise die USA, Israel und Indien des "Problems" der "islamischen Atombombe" entledigen können, ein wichtiger Verbündeter Chinas ausgeschaltet wird, während das Pentagon von einem neuen Klientenstaat Belutschistan die entgültige Kontrolle über den Persischen Golf erhielte und darüber der US-Energiesektor einen besseren Zugang zum öl- und gasreichen Zentralasien bekäme.

Auch wenn sich dieses Szenario zunächst wie Tausendundeine Nacht im 21. Jahrhundert anhört, kursieren in US-Militärkreisen bereits Ausweichpläne zur umfassenden Neuordnung des Raums zwischen Hindukusch und Mittelmeer, wie die Veröffentlichung einer entsprechenden Karte in der Juni-2006-Ausgabe des Armed Forces Journal durch den neokonservativen Kommentator Oberstleutnant a. D. Ralph Peter Peters zeigt. Darüber hinaus weisen die Anschläge von Mumbai eine ganze Reihe von Merkwürdigkeiten auf, die eine Beteiligung von nicht-pakistanischen Geheimdienstlern und Agents provokateures plausibel erscheinen lassen.

Am zweiten Tag des Massakers von Mumbai erhielt der pakistanische Präsident Ali Asif Zardari einen drohenden Anruf von jemanden, der sich als Pranab Mukherjee, den indischen Außenminister, ausgab. Nur kurz zuvor hatte der indische Premierminister Manmohan Singh in aller Öffentlichkeit behauptet, hinter dem sich live im Fernsehen abspielenden Drama von Mumbai steckten "Elemente" aus Pakistan. Mukherjee hat später kategorisch bestritten, den fraglichen Anruf an Zardari getätigt zu haben. Er soll völlig überrascht gewesen sein, als er seinerseits mitten in der fraglichen Nacht einen Anruf von Condoleezza Rice, der damaligen Nationalen Sicherheitsberaterin der USA, erhielt, die wissen wollte, warum er Islamabad mit Krieg drohe. Wer immer den Präsidentenpalast in Islamabad anrief, hat nicht nur die Telefoncodes des indischen Außenministeriums geknackt, sondern auch dafür gesorgt, daß Zardari die pakistanischen Streitkräfte, einschließlich der atomarbewaffneten, in komplette Alarmbereitschaft versetzte - eine mehr als bedenkliche Entwicklung.

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß die ersten Opfer der Anschläge von Mumbai Hemant Karkare, der Chef des Anti-Terror Squad (ATS) im Bundesstaat Maharashtra, und seine beiden Assistenten Ashob Kamte und Vijay Salaskar waren, die wenige Wochen zuvor eine Gruppe Hindufanatiker um den Militärgeheimdienstler Oberstleutnant Prasad Purohit mit Verbindung zur Führung der oppositionellen hindunationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) ausgehoben hatte, die in den drei Jahren zuvor eine ganze Reihe von Bombenanschlägen in indischen Städten verübt hatten, die mehr als 100 Todesopfer gefordert hatten und als das Werk irgendwelcher Moslemfundamentalisten erscheinen sollten. Anlaß zum Nachdenken liefert ebenfalls die Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press vom 6. Dezember 2008, wonach an jenem Tag die indischen Sicherheitsbehörden zwei Männer in Kaschmir festgenommen hätten, welche die Mobiltelefone für die Attentäter von Mumbai besorgt hätten und von denen der eine, Mukhtar Ahmed, ein "Offizier der Spezialpolizei, Teil eines halboffiziellen Aufstandsbekämpfungsnetzwerkes" sei.

Diese Bezeichnung dürfte eventuell auch auf den Amerikaner David Coleman Headley zutreffen, der am 3. Oktober in Chicago festgenommen wurde und unter Verdacht steht, die Anschläge von Mumbai organisiert und zuletzt einen Angriff auf die dänische Zeitung Jyllands-Posten geplant zu haben, die 2005 mit einer Reihe beleidigender Mohammed-Karikaturen Empörung in der muslimischen Welt ausgelöst hatte. In der Anklageschrift wirft die Staatsanwaltschaft dem 49jährigen Headley unter anderem vor, die Ziele der Mumbai-Anschläge - Hauptbahnhof, die Nobelhotels Oberoi und Taj Mahal, das Café Leopold und das jüdische Kulturzentrum Nariman House - persönlich ausgekundschaftet zu haben. Nun stellt sich heraus - dank eines spektakulären, in seiner Bedeutung von der westlichen Presse weitesgehend ignorierten Berichts der US-Zeitungsgruppe McClatchy vom 14. Dezember -, daß Headley (Geburtsname Daood Gilani) seit den Ende der neunziger Jahre als Undercoveragent für die US-Drogenbekämpfungsbehörde arbeitete und weltweit unterwegs war.

Um dem vordergründigen Widerspruch, daß ein inoffizieller Mitarbeiter der Drug Enforcement Agency (DEA) eine führende Rolle bei den Anschlägen von Mumbai gespielt hat, wenn nicht sogar der "Mastermind" des ganzen Unternehmens war, aus dem Weg zu gehen, flüchten sich praktisch alle bei der US-Presse, die sich mit unappetitlichen Enthüllung befassen, in die Interpretation, Headley hätte mit seinen Führungsoffizieren ein doppeltes Spiel gespielt. Gegen diese Version sprechen die Angaben der Times of India vom 16. Dezember, wonach zumindest die CIA von der Zusammenarbeit zwischen Headley und irgendwelchen pakistanischen Buhmännern bei der L-e-T wußte. Nach Angaben der Times of India, die sich auf einen Informanten im indischen Innenministerium beruft, hat die CIA Neu-Delhi bezüglich der Aktivitäten Headleys in Indien im Vorfeld der Mumbai-Anschläge nicht gewarnt, "um zu gewährleisten", daß dieser "nicht als US-Geheimdienstagent entlarvt" würde. In Indien sorgt diese Wendung nicht zuletzt für Empörung, weil die US-Behörden den indischen Polizeiermittlern keinen Zugang zu Headley gewähren.

Der Fall Headley erinnert an ähnliche Merkwürdigkeiten in Verbindung mit den schrecklichen Mehrfachanschlägen, die sich am 25. und 26. Juli 2008 in den indischen Städten Bangalore - sieben Bomben, zwei Tote - und Ahmedabad - 17 Bomben, 45 Tote - ereigneten und am 29. Juli in der Kaschmir-Region entlang der Line of Control (LoC) zu einem dreizehnstündigen Artillerieduell zwischen den Streitkräften Indiens und Pakistans führten. Später stellte sich heraus, daß die Bekenner-E-Mail in Bezug auf die Anschläge von Ahmedabad, die als Vergeltung für das Pogrom in Gujarat ausgewiesen wurden, bei dem 2002 rund 1000 Moslems von einem aufgebrachten Hindu-Mob gelyncht worden waren, vom Laptop eines Amerikaners namens Kenneth Haywood abgeschickt worden war, der in Mumbai für ein dort ansässiges US-Unternehmen arbeitete. Zwei Tage, bevor Haywood am 18. August 2008 von den Ermittlern des Bundesstaates Maharashtra - das heißt vom später ermordeten Antiterror-Chef Karkare - vernommen werden sollte, flog er mit Ehefrau und den gemeinsamen beiden Kindern von Mumbai in die USA zurück. Die Frage, wie Haywood dies geschafft hat, obwohl gegen seine Person ein Ausreiseverbot vorlag, ist bis heute nicht geklärt worden. Offenbar hatte er mächtige Freunde. Vermutlich sind es dieselben wie die Headleys.

17. Dezember 2009