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ASIEN/604: USA heizen Koreakrise mit Raketentest an (SB)


USA heizen Koreakrise mit Raketentest an

Massenmedien zeigen sich für die Provokationen Washingtons blind


Seit dem Scheitern der Gespräche zur Beilegung des Streits um das zivile und militärische Atomprogramm Nordkoreas liefern sich das kommunistische Land und die USA eine Eskalation, von der man hoffen möchte, es handele sich hier lediglich um ein vielleicht notwendiges Vorgeplänkel, damit beide Seiten den eigenen Hardlinern Gelegenheit zum Dampfablassen geben können, bevor man erneut am Verhandlungstisch Platz nimmt, aber die in sich die Gefahr eines fürchterlichen Krieges mit Zigtausenden von Toten und unabsehbaren Konsequenzen birgt. Auf den Test einer nordkoreanischen Langstreckenrakete am 4. April, bei dem es sich laut Pjöngjang um die versuchte Plazierung eines Kommunikationssatelliten im All gehandelt hat, folgte auf Drängen der USA eine Verurteilung und die Verhängung von Wirtschaftssanktionen durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. In Reaktion auf diese aus Sicht Pjöngjangs einseitige, feindliche Parteinahme der "internationalen Gemeinschaft" haben die Nordkoreaner am 25. Mai ihren zweiten und bislang ersten erfolgreichen Atomtest durchgeführt.

Dieser Schritt wurde in den westlichen Massenmedien durchweg als unerhörte Provokation verurteilt. Auch im Sicherheitsrat war man sich über die angeblich von Nordkorea ausgehende Bedrohung für den internationalen Frieden einig und verhängte weitere Sanktionen einschließlich des Verbots des Exports von Atom- und Raketentechnologie. Wie dieses Verbot durchgesetzt werden soll und von wem, ist unklar. Nordkorea hat erklärt, daß man jedwedes Entern seiner Handelsschiffe, während sich diese in internationalem Gewässer befinden, als kriegerischen Akt betrachte, der entsprechende Folgen zeitigen werde. Derzeit wird das nordkoreanische Handelsschiff Kang Nam, das Richtung Myanmar mit einer unbekannten Ladung unterwegs ist, von den US-Kriegsschiffen John McCain und McCampbell begleitet. Da die Birmesen eine Überprüfung des Schiffmanifests vermutlich nicht zulassen werden, kann man nur hoffen, daß die Regierung von US-Präsident Barack Obama bei ihrer Erklärung, nordkoreanische Schiffe nicht gewaltsam entern, sondern deren Bewegungen zwecks eventueller Meldung verfolgen zu wollen, bleibt.

Mitte Juni gab es Berichte in der japanischen Presse, die Nordkoreaner hätten vor, am 4. Juli eine Langstreckenrakete zu testen, welche die Entfernung bis Hawaii zurücklegen könnte, um den Amerikanern den Nationalfeiertag zu verhageln. Ungeachtet der Tatsache, daß niemand weiß, ob Nordkoreas Raketen über eine solche Reichweite verfügen - von der Zielgenauigkeit und der Fähigkeit zum Transport eines atomaren Sprengkopfes ganz zu schweigen -, gab US-Verteidigungsminister Robert Gates bekannt, er habe bereits Schlüsselelemente des umstrittenen, milliardenteuren Raketenabwehrsystems, nämlich das noch in der Entwicklungsphase befindlichen Theater High Altitude Air Defense Missile System (THAAD) der Armee und das SBX-Radar, nach Hawaii verlegen lassen. Ungeachtet dessen, daß das Gerücht von der eventuellen Beschießung Hawaiis mit der nordkoreanischen Taepodong-2 von irgendwelchen Schlaumeiern aus der Abteilung für psychologische Kriegsführung entweder in Pjöngjang, Tokio oder Arlington stammte, tat Gates so, als sei Hawaii und damit Amerika vor einem zweiten Überraschungsangriff auf Pearl Harbor sicher.

Doch weil praktisch jedes Kind weiß, daß das Raketenabwehrsystem eine Mogelpackung ist, darf man sich über die jüngste Episode in dieser Eskalationphase nicht wundern. Wie die Nachrichtenagentur Associated Press meldet, haben am 29. Juni die US-Streitkräfte eine Interkontinentalrakete vom Typ Minuteman 3 getestet, die vom Luftwaffenstützpunkt Vandenberg in Kalifornien abgehoben und kurze Zeit später über das Zielort vor dem rund 8000 Kilometer entfernten Atoll Kwajalein im Südapazifik gleich drei Sprengkopfattrappen abgesetzt hat. In der AP-Meldung wurde Oberstleutnant Lesa K. Toler, leitender Offizier des für den Test zuständigen 576th Flight Test Squadron, mit den Worten zitiert: "Das sind gefährliche Zeiten, in denen wir jetzt leben. Es ist extrem wichtig, daß der Oberbefehlshaber der Streitkräfte (gemeint ist natürlich Barack Obama - Anm. d. Red.) über die Fähigkeiten verfügt, die er braucht, um die Mission des Führens und des Gewinnens der Kriege der Nation zu erfüllen." An dem hochprovokativen Raketentest der USA hat auf diplomatischer Ebene niemand Anstoß genommen. Den Massenmedien war es auch nur eine Tickermeldung wert. Die selbstgerechten Kommentare werden offenbar für Nordkorea, das in erster Linie auf die Landesverteidigung bedacht ist und für das ein Krieg mit Südkorea oder Japan einem Selbstmord gleichkäme, aufgespart.

30. Juni 2009