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AFRIKA/2205: Wasserstreit - keine Lösung ... (SB)



Sieben Jahre nach Beginn der Verhandlungen über das größte Staudammprojekt in Afrika konnten die Streitparteien keine Einigung erzielen. US-Finanzminister Steve Mnuchin hatte Delegationen aus Ägypten, Sudan und Äthiopien, das bereits 70 Prozent des am Blauen Nil errichteten Staudamms GERD (Grand Ethiopian Renaissance Dam) fertiggestellt hat, zwei Tage zu abschließenden Beratungen in Washington empfangen. Am vergangenen Freitag sollte die Vereinbarung unterzeichnet werden, doch wie kurz zuvor angekündigt blieb die äthiopische Delegation dem Treffen fern. Es bedürfe noch heimischer Abstimmungen, lautete die Begründung. [1]

Lediglich Ägypten hat das Abkommen unterzeichnet und zeigte seine Zufriedenheit über das Verhandlungsergebnis, dem am 23. März 2015 eine Grundsatzvereinbarung vorausgegangen war.

Mit dem Staudamm GERD will Äthiopien nicht nur den Stromhunger seiner rasch wachsenden Wirtschaft stillen, sondern auch zum führenden Stromexporteur Ostafrikas aufsteigen, und zwar so rasch wie möglich. Die bedeutet allerdings, daß es das Staubecken innerhalb weniger Jahre füllt, das Aufstauen nicht auf die Regenzeit beschränkt, sondern auch in Dürreperioden reichlich Wasser zurückhält, und möglichst noch in diesem Jahr die Turbinen zum Laufen bringt, auch wenn der Damm noch nicht fertiggestellt ist. Bei voller Auslastung der 16 Turbinen würde der 1,8 Kilometer lange Damm die Strommenge von sechs Atomkraftwerken von je 1000 MW Leistung bringen. [2]

Der äthiopische Standpunkt ist in dieser Form für Ägypten nicht hinnehmbar. Der Nil, mit rund 6.650 Kilometer der längste Fluß der Erde, bildet die Lebensader Ägyptens. Ohne ihn wäre das Land eine einzige trockene Wüste, so wie heute schon die Gebiete östlich und westlich des Niltals. Auch Ägypten will prosperieren, für die rasch wachsende Bevölkerungszahl genügend Agrarerzeugnisse produzieren und den Fluß weiterhin als wichtige Verkehrsverbindung zwischen Ober- und Unterägypten nutzen.

Hinzu kommt die Gefahr, daß, wenn der Nil weniger Wasser führt, der geringere Druck des Flusses gegenüber dem Mittelmeer das schon vorhandene Problem der Salzwasserintrusion verstärkt. Dadurch gehen landwirtschaftliche Flächen verloren. Außerdem steigt der Meeresspiegel des Mittelmeeres aufgrund der globalen Erwärmung. Käme jetzt noch hinzu, daß der Nil nennenswert weniger Wasser führt, würde das ebenfalls die Landwirtschaft im Mündungsgebiet des Nils beeinträchtigen.

Trotz der Vermittlungsversuche ihres gemeinsamen Verbündeten USA waren die unterschiedlichen Standpunkte Äthiopiens und Ägyptens nicht zu überbrücken. Zu groß ist die Diskrepanz zwischen der Vorstellung Äthiopiens, das den Stausee innerhalb der nächsten fünf bis sieben Jahre auffüllen will, und Ägyptens, das einen Zeitraum von zwölf bis 21 Jahren vorschlägt.

Am Samstag, einen Tag nach der Unterzeichnung der umstrittenen Vereinbarung durch Ägypten, erklärte Äthiopien, die Verhandlungen seien keineswegs abgeschlossen. Der Text des Dokuments sei nicht das Ergebnis der Verhandlungen zu den technischen und rechtlichen Fragen der drei beteiligten Länder. Im übrigen weise man die US-Forderung zurück, daß der Staudamm nicht getestet oder gefüllt werden solle, bevor nicht mit den Stromanrainerstaaten Sudan und Ägypten eine Einigung erzielt worden sei. [3]

Die Retourkutsche Ägyptens ließ nicht lange auf sich warten. Am Sonntag erwiderten das ägyptische Außenministerium und das Ministerium für Wasserwirtschaft in einer gemeinsamen Erklärung, es sei schon merkwürdig, daß nach mehr als fünf Jahren intensiver Verhandlungen, bei denen alle Aspekte und Details angesprochen worden seien, Äthiopien plötzlich mehr Zeit beansprucht. [4]

Daß sich bei den offenen technischen Fragen Äthiopien benachteiligt fühlt, kann wohl als Hinweis gedeutet werden, daß die Position Kairos stärker zur Geltung gekommen war als die Addis Abebas. Das könnte man auch als Versagen der US-Diplomatie bezeichnen.

Ägyptens per Staatsstreich an die Macht gekommene Präsident Abdel Fattah El Sisi, der aus dem Militärapparat stammt, hat in der Vergangenheit zu verstehen gegeben, daß das Wasser des Nils existentiell wichtig für Ägypten ist und er niemals ein für sein Land schlechtes Verhandlungsergebnis akzeptieren wird. Am Samstag ließ Kairo verlautbaren, daß es "alle verfügbaren Mittel" einsetzen werde, um das Recht des ägyptischen Volkes zu verteidigen.

Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed Ali, 2019 mit dem Friedensnobelpreis geehrt, sagte laut der in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässigen Zeitung "The National", sein Land sei vorbereitet, den Damm gegen jeden Angriff zu verteidigen. Es sei ein leichtes, eine Million Menschen für den Kampf zu mobilisieren.

Die Verwendung solch bellizistischer Rhetorik bedeutet nicht, daß ihr als nächstes automatisch Taten folgen. Die Staatsführer beider Streitparteien müssen auch jeweils ihre innenpolitische Position verteidigen und wollen nach außen hin nicht als schwach erscheinen. Das könnte aber auch mutmaßliche Sachzwänge entstehen lassen, für die dann eine militärische Lösung gesucht wird. Dadurch daß die Diplomatie der USA und auch der Weltbank gescheitert ist, könnte mehr Glas zerbrochen sein als vor Beginn der Verhandlungen.


Fußnoten:

[1] https://home.treasury.gov/news/secretary-statements-remarks/statement-by-the-secretary-of-the-treasury-on-the-grand-ethiopian-renaissance-dam

[2] http://schattenblick.de/infopool/politik/redakt/afka2201.html

[3] https://www.thenational.ae/world/mena/egypt-and-ethiopia-escalate-war-of-words-over-draft-nile-dam-agreement-1.986567

[4] https://www.mfa.gov.eg/English/MediaCenter/News/Pages/Ethiopians.aspx

2. März 2020


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