Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


AFRIKA/2133: Gute Waffen, schlechte Waffen (SB)


USA zielen mit ihrem Vorschlag von Sanktionen gegen Südsudan auf Rußland und China


Wenn der seit vielen Jahren größte Waffenexporteur der Welt verlangt, an ein bestimmtes Land keine Waffen zu liefern, weil dort mit ihnen unvorstellbare Greueltaten verübt werden könnten, dann zeigt sich hieran der blanke Zynismus der Hersteller von Tötungsmaschinen. Selbstverständlich ist in jedem Fall davon auszugehen, daß Waffen irgendwann auch ihrem Verwendungszweck entsprechend benutzt werden. Verhindern ließe sich das nur, würden sie gar nicht erst produziert.

Mitte November hat die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, angekündigt, sie wolle in den nächsten Tagen bei der Weltorganisation einen Entwurf zu einer Resolution über ein Waffenembargo gegen Südsudan und Sanktionen gegenüber einzelnen Personen einreichen. "Es gibt keinen guten Grund dafür, warum wir nicht jene davon abhalten sollten, umfangreiche Greueltaten mit Hilfe von Mitteln zu begehen, mit denen sie das effektiver machen können", erklärte Power. [1]

Die Vetomächte Frankreich und England befürworten den Vorschlag der USA, Rußland und China hingegen sind dagegen. Alle fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats verfolgen in diesem Disput eigene Interessen, die nichts mit den vorgebrachten Argumenten zu tun haben müssen. Wenn Samantha Power ein Waffenembargo gegen Südsudan fordert, aber zugleich ignoriert, daß die USA syrische Milizen, die brandschatzen, foltern und anderen Menschen die Köpfe abschneiden, mit Waffen unterstützt - um nur eines von vielen Beispielen zu nennen -, dann hat sie von vornherein jegliche Glaubwürdigkeit verspielt.

Auf der anderen Seite ist auch der stellvertretende russische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Petr Iliichev, nicht einen Deut glaubwürdiger, wenn er ein Embargo als "voreilig" und "wenig hilfreich in diesem Konflikt" bezeichnet. Sanktionen gegen südsudanesische Anführer wären seiner Ansicht nach "der Gipfel der Verantwortungslosigkeit". Würde man sie beispielsweise gegen den südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir verhängen, drohe diesem das gleiche Schicksal wie Libyens Staatsführer Muammar Gaddafi. Rußland ist übrigens nach den USA der zweitgrößte Waffenexporteur der Welt.

China's Deputy Ambassador Wu Haito ist der Meinung, daß Sanktionen die Lage nur verkomplizieren würden, man solle doch, bitte schön, "positivere Signale" aussenden. China ist der viertgrößte Waffenexporteur der Welt. Deutschland, das keinen ständigen Sitz im Sicherheitsrat hat, diesen aber anstrebt, hat sich auf den dritten Platz in der Weltrangliste vorgeschoben.

Es geht bei der Meinungsverschiedenheit im UN-Sicherheitsrat nicht darum, die Konkurrenz im weltweiten Waffenhandel auszustechen, und schon gar nicht geht es primär darum, das nächste Blutvergießen zu vermeiden. Denn, wie gesagt, dafür gäbe es das höchst wirksame Mittel des vollumfänglichen Waffenembargos gegen ausnahmslos jedes Land - am besten noch begleitet von eigenen Abrüstungsmaßnahmen.

Fünf Jahre nachdem der Westen Geburtshelfer bei der jüngsten Staatsgründung auf dem afrikanischen Kontinent gespielt hat, ist Südsudan ein "failed state", ein gescheiterter Staat. Heute ist Libyen ebenfalls ein gescheiterter Staat, aber die USA und ihre Verbündeten im Sicherheitsrat würden niemals zugeben, daß die desolate Lage dort sowie in Südsudan eine unmittelbare Folge ihrer eigenen Ideologie und Praxis ist.

Der Tod des jahrzehntelangen Anführers der für die Rechte des vernachlässigten Süden Sudans kämpfenden Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA), John Garang, am 31. Juli 2005 durch einen Hubschrauberabsturz hatte den Weg für radikalere Kräfte freigemacht. Hatte sich Garang noch für ein vereintes Sudan eingesetzt, kam für seinen Nachfolger, Salva Kiir, nur die Separation von Sudan in Frage. Ausgerechnet Kiir war es, der ein Jahr zuvor einen SPLA-internen Putschversuch von Offizieren anführte, die den Friedenskurs Garangs ablehnten.

Sanktionen gegen Kiir würden sicherlich nicht den falschen treffen und keine Waffen mehr an den verarmten Südsudan zu liefern scheint auf den ersten Blick ein hehres Anliegen zu sein. Aber nicht jeder Resolutionsentwurf wird in der Absicht verfaßt, daß er durchkommt. Rußland und China als Staaten erscheinen zu lassen, die sich einem Waffenembargo widersetzt haben, kann von großem Wert an der Propagandafront sein. Zu befürchten ist nun, daß der US-Verbündete Salva Kiir die in ihn gesetzten negativen Erwartungen erfüllt und seine Soldaten, die vorwiegend zu der Volksgruppe der Dinka gehören, massiv gegen ethnische Minderheiten wie die Nuer vorgehen läßt. Der Sonderberater zur Verhütung von Genozid des UN-Generalsekretärs, Adama Dieng, spricht bereits von einem drohenden Genozid in Südsudan, und damit meint er nicht die Vernachlässigung der zahllosen Hungernden, die sterben, weil das Land von inneren wie äußeren Interessensgruppen zerrissen wird.

Man könnte argumentieren, daß mit einem Waffenembargo gegen Südsudan immerhin ein Anfang gemacht werde, Powers Vorschlag also unterstützt werden sollte. Aber das wäre insofern ein Irrtum, weil ein solches Embargo eben genau kein Anfang wäre, sondern die Fortsetzung der immer gleichen Absichten der Einflußnahme nur in einer anderen Variante. Gut vorstellbar, daß die Embargobefürworter von heute in nur einem Jahr das genaue Gegenteil dessen vertreten, was sie propagieren, und Waffen an Südsudan liefern. Das wäre jedoch kein Widerspruch oder, um genau zu sein, die Aufrechterhaltung dieses Widerspruchs wäre zutiefst Ausdruck von Herrschaft. Denn wer es sich leisten kann und über die entsprechenden Machtmittel verfügt, braucht sich an die eigenen Regeln nicht zu halten. Keine Waffen an Südsudan und auch nicht woanders hin verdient die volle Unterstützung.


Fußnote:

[1] http://www.africadaily.net/reports/US_seeks_UN_arms_embargo_against_South_Sudan_999.html

25. November 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang