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AFRIKA/2118: Große UN-Klimakonferenz im dürregeplagten Kenia (SB)


Mehr als 1,5 Millionen Einwohner Kenias von akutem Nahrungsmangel bedroht

Ärmere Länder sind die Verlierer bei den Verhandlungen zur Begrenzung des Klimawandels


Während am Dienstag in der kenianischen Hauptstadt Nairobi eine internationale Klimaschutzkonferenz begonnen hat, meldete Capital FM, daß in dem Land mehr als 1,5 Millionen Einwohner von akutem Nahrungsmangel bedroht sind. [1] Nach Regierungsangaben sind die Betroffenen mindestens die nächsten sechs Monate auf Soforthilfe angewiesen. In weiten Landesteilen Nordkenias blieb die Niederschlagsmenge in der letzten Anbausaison unter dem Durchschnitt. Besonders betroffen sind die Counties Mandera, Garissa, Isiolo, Wajir und Teile von Tana River County heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme des Ministry of Devolution and Planning und der Bezirksverwaltungen.

In den marginalen landwirtschaftlichen Gebieten haben die geringen Niederschläge die halbe Ernte vernichtet. Auch die Viehwirtschaft leidet enorm unter der Trockenheit, so daß die Hirten ihre Tiere verkaufen müssen. Wegen des Überangebots an Schlachttieren und ihres meist schlechten Ernährungszustands sind die Preise in den Keller gerutscht. Damit nicht genug, wurden in der Bevölkerung inzwischen schon über 920 Fälle von Cholera verzeichnet. Die Durchfallerkrankung wird häufig durch verschmutztes Wasser ausgelöst.

Das sind einige der typischen Begleiterscheinungen einer Dürre, wie sie in Ostafrika nicht unbekannt ist, aber wie sie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten im Zuge der globalen Erwärmung noch häufiger und intensiver auftreten könnte. Ob auch eine bislang nicht identifizierte Krankheit unter 200 Kamelen dazu zählt, ist nicht bekannt. Sicher ist jedenfalls, daß nicht nur Menschen, sondern auch Tiere vom Klimawandel betroffen sind.

In den wissenschaftlichen Klimaprojektionen zählt der Osten Afrikas zu den Gebieten, in denen die Niederschlagsmenge sogar zunehmen könnte. Damit wird jedoch nicht behauptet, daß dadurch die regelmäßig auftretenden Trockenzeiten ausgeglichen werden. Entscheidend ist die Verteilung der Niederschlagsmenge im Jahreslauf. Kenia wie auch sein Nachbar Somalia, wo die allgemeine Versorgungslage noch um ein Vielfaches schlechter ist, sind typische Länder, die mal von Überschwemmungen, mal von Dürren heimgesucht werden. In beiden Fällen wird die Ernte verdorben, und mal spült Wasser die für die Landwirtschaft wichtige oberste Bodenschicht weg, mal greift der Wind nach dem staubtrockenen Erdreich und trägt es davon. Die Verluste gehen über die unmittelbaren Schäden, die schon schlimm genug sind, hinaus.

Auf dem diese Woche in Nairobi begonnenen, viertägigen Treffen des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) soll die große Abschlußkonferenz der Klimaschutzverhandlungen Anfang Dezember in Paris vorbereitet werden. [2] Dort wollen dann die Staats- und Regierungschefs der Unterzeichnerstaaten des auslaufenden Kyoto-Protokolls ein Nachfolgeabkommen beschließen.

Wenn die ärmeren Länder an den bisherigen Beschlüssen kritisieren, daß eine Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur auf zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit, wie es von den Schwellen- und entwickelten Ländern angestrebt wird, zu wenig ambitioniert ist und der Temperaturanstieg bei 1,5 Grad Celsius gestoppt werden sollte, dann wird diese Forderung mit den verheerenden Klimawandelfolgen begründet, auf die die Dürre im Osten Afrikas womöglich nur einen kleinen Vorgeschmack liefert. Schon heute verfügen Länder wie Kenia kaum über die erforderlichen Mittel, um auch nur unter den gegebenen Klimaverhältnissen die Ernährung aller in Not geratenen Einwohner sicherzustellen.

So hat die Regierung gemeinsam mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen dreizehn Counties bestimmt, in denen 691.800 Einwohner zumindest einmal im Monat weiterhin mit Nahrung versorgt werden sollen. Zugleich ist jedoch in dem Bericht von Capital FM die Rede davon, daß 1,63 Millionen Einwohner akute Nahrungshilfe benötigen. Da stellt sich schon die Frage, was denn mit den fast eine Million Hungernden ist, die in dieser Rechnung nicht auftauchen. Ist ihre Versorgung mit Nahrung gesichert oder fallen sie aus der Versorgungsleistung heraus?

Im vergangenen Jahr hat das Welternährungsprogramm die Essensrationen für die rund 500.000 Bewohnerinnen und Bewohner der Flüchtlingslager Dadaab und Kakuma in Nordkenia halbiert. [3] Müssen nun auch die Einwohner Nordkenias befürchten, daß sie aus dem Versorgungssystem der Regierung und der internationalen Hilfsorganisationen herausfallen?

Eines steht jedenfalls fest: Nach den Zielen im Verhandlungsprozeß für ein Post-Kyoto-Protokoll wird die Zahl der Menschen, die von Naturkatastrophen wie die gegenwärtige Dürre in Nordkenia heimgesucht werden, deutlich zunehmen.


Fußnoten:

[1] http://allafrica.com/stories/201502240150.html

[2] http://www.ipcc.ch/scripts/_session_template.php?page=_41ipcc.htm

[3] http://m.evangelisch.de/artikel/111083/un-halbieren-essens-rationen-fuer-fluechtlinge-kenia

24. Februar 2015


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