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AFRIKA/2110: Streik in Südafrikas Platinminen (SB)


Südafrikas Bergarbeiter riskieren Leib und Leben für industrielle High-tech-Produkte



Ein weitreichender Streik in den Platinminen Südafrikas legt mehr als 40 Prozent der globalen Produktion dieses Rohstoffs lahm. [1] Bislang ist sein Weltmarktpreis deshalb noch nicht gestiegen. [2] Analysten rechnen jedoch damit, daß, wenn das Angebot schneller abnimmt als die Nachfrage, die Preise für das Edelmetall wieder anziehen könnten. Die hohen Einnahmeverluste der drei Minengesellschaften Anglo-American Platinum (Amplats), Impala Platinum (Implats) und Lonmin durch den Streik würden aber selbst bei einem Anstieg der in letzter Zeit gesunkenen Weltmarktpreise nur zu einem geringen Teil kompensiert werden.

Seit 2012 wird in dem sogenannten Platingürtel von Marikana im Nordwesten des Kapstaats über längere Fristen hinweg gestreikt. Die jüngste Phase begann Mitte Januar 2014, als 80.000 Arbeiter in den Ausstand traten. Sie fordern bessere Arbeitsbedingungen und eine Anhebung der Löhne, was die Unternehmen mit Verweis auf den gesunkenen Weltmarktpreis ablehnen. Bemühungen der südafrikanischen Regierung, den Streik zu verhindern, scheiterten ebenso wie jüngere Vermittlungsversuche, um die Arbeiter zum Abbruch ihres Streiks zu bewegen. Wenige Monate vor den Wahlen im Mai dieses Jahres kommt der Regierung von Präsident Jacob Zuma die Arbeitsniederlegung im Platinbergbau als weiterer Krisenherd neben vielen anderen äußerst ungelegen.

Am 16. August 2012 wurden 34 streikende Bergarbeiter der Lonmin-Mine von der Polizei erschossen. Doch bereits vor diesem sogenannten Marikana-Massaker befand sich der südafrikanische Bergbau (neben Platin werden auch Gold, Diamanten, Eisenerz, Chrom, Mangan, Vanadium, Steinkohle, Nickel, Titan, Antimon und Palladium abgebaut) in Aufruhr. Anschließend nahmen die Spannungen weiter zu. Jetzt hat die Polizei die Sicherheitsvorkehrungen nochmals verschärft.

Die Gewerkschaft AMCU (Association of Mineworkers and Construction Union), die sich 1998 von der in ihren Augen zu nachgiebigen Gewerkschaft NUM losgesagt hat und am 14. August 2013 von Lonmin als offizielle Gewerkschaft anerkannt wurde, fordert unter anderem die Anhebung der Monatslöhne für Berufsanfänger auf 12.500 Rand, umgerechnet 842 Euro.

2011 hat Südafrika 139 Tonnen Platin gefördert, gefolgt von Rußland (26 Tonnen) und Kanada (10 Tonnen). Das Edelmetall wird in vielen industriellen Produkten verwendet. Es findet sich unter anderem in Katalysatoren für den Fahrzeugbau und die Chemieindustrie, in medizinischen Geräten, in der Weltraumtechnologie und in Laserdruckern. Die Wirtschaftsflaute in Europa mit dem Einknicken des Absatzes von Fahrzeugen hat sich aufgrund des geringeren Bedarfs an Platin bis nach Südafrika durchgeschlagen.

Nun sollen die Kumpel den Kopf dafür herhalten, daß die milliardenschweren, börsennotierten Platinunternehmen Umsatzeinbußen verzeichnen. Ein umfangreicher Stellenabbau korrespondiert mit der Weigerungshaltung der Geschäftsführungen gegenüber den legitimen Forderungen der Arbeitnehmer.

Vor zwei Jahren hat die Lonmin-Mine die Löhne der Bergarbeiter um 11 bis 22 Prozent erhöht. Das bedeutete für die Lohnempfänger weniger, als es zunächst den Anschein hat, da erstens von einem sehr niedrigen Lohnniveau gestartet wurde, in dem sich noch immer das Erbe der Ära der Apartheid widerspiegelt, und zweitens die jahrelange Inflation der Verbraucherpreise von zeitweilig über sechs Prozent ausgeglichen werden mußte. Insofern entsprach die Lohnerhöhung keinem gleichwertigen Reallohnanstieg. Die aktuellen Forderungen sind nicht überzogen: die Arbeiter wollen eigentlich nicht viel mehr, als daß sie nicht weiter verarmen.

Die Arbeit im Bergbau ist gesundheitlich ruinös und lebensgefährlich. Wie gefährlich, das hat vor wenigen Tagen der Tod von acht Kumpeln in der Doornkop-Mine des Goldunternehmens Harmony, rund 30 Kilometer westlich von Johannesburg, gezeigt. Nach einem Brand unter Tage war es zu einem Felsabbruch gekommen. Acht Arbeiter konnten sich retten, einer wird noch vermißt, acht kamen ums Leben. Innerhalb eines Jahres (2012) wurden im südafrikanischen Bergbau 112 Personen getötet. [3]

Daneben gibt es noch eine unbekannte Zahl von Bergarbeitern, die durch ihre entfremdete, physisch ruinöse Arbeit verschlissen werden und sozusagen vorzeitig sterben. Diesem grundsätzlichen Problem, das auf die vorherrschende Produktionsweise zurückzuführen ist, wäre allerdings nicht mit einem Streik und der Forderung nach einem höheren Lohn, der immer nur der geringere Anteil von dem sein kann, was die Arbeiter als Mehrwert erwirtschaftet haben und vom Arbeitgeber abgegriffen wurde, zu begegnen. Dann hätte selbst eine Gewerkschaft wie AMCU als Vermittlerin zwischen den Interessen der Arbeiter und denen der Unternehmer keinerlei Existenzberechtigung.


Fußnoten:

[1] http://www.fin24.com/Economy/Costs-mount-as-Amcu-strike-talks-drag-on-20140210

[2] http://www.boerse-go.de/nachricht/platin-profitiert-nicht-von-streiks-in-suedafrika,a3652266.html

[3] http://allafrica.com/stories/201402060248.html

10. Februar 2014