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AFRIKA/2087: Der erste Bodenatlas für Afrika - ein Danaergeschenk? (SB)


Wo liegen die besten Böden Afrikas? Und vor allem: Wer will das wissen?



Seit dem 26. April gibt es einen Bodenatlas für ganz Afrika. [1] Vorgestellt wurde er von der Europäischen Kommission, deren interner wissenschaftlicher Dienst (JRC) das Projekt einer Gruppe von Bodenwissenschaftlern aus Afrika und Europa koordiniert hat. In einer Pressemitteilung [2] der EU-Kommission heißt es, daß der Bodenatlas eine "Grundlage für die Nahrungs-, Futtermittel- und Brennholzversorgung sowie für die Verringerung des Überschwemmungsrisikos und den Schutz der Wasservorräte" sein soll.

Bei der Präsentation des Werks im Rahmen einer gemeinsamen Sitzung der Europäischen Kommission und der Kommission der Afrikanischen Union in Addis Abeba erklärte EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard: "Die Böden Afrikas sind sowohl für die Anpassung an den Klimawandel als auch für dessen Eindämmung von zentraler Bedeutung, und sie bilden die Grundlage für nachhaltige Entwicklung und Nahrungsmittelsicherheit. Die Produktivität des Bodens ist zudem für die Erreichung vieler Millenniumsziele entscheidend." [2]

Máire Geoghegan-Quinn, EU-Kommissarin für Forschung, Innovation und Wissenschaft, ergänzte: "Mit der umfassenden Untersuchung zu dieser begrenzten natürlichen Ressource möchten wir den Menschen bewusst machen, dass wir die Böden in Afrika besser schützen und nachhaltig mit ihnen umgehen müssen." [2]

Hier soll nicht in Abrede gestellt werden, daß das überaus hehre Ziele sind. Allerdings kommt man nicht umhin festzustellen, daß sich die afrikanischen Böden seit einigen Jahren im Fokus von Agrokonzernen befinden, die landwirtschaftliche Flächen aufkaufen oder pachten, um darauf Pflanzen für die Produktion von Nahrung oder Agrotreibstoffen anzubauen, ein Phänomen, das häufig den Begriff "land grabbing" - Landraub oder Landnahme - verdient, und dem ist nichts Gutes abzugewinnen. Die Agrokonzerne dürfen sich bei den Herausgebern des Bodenatlas dafür bedanken, daß sie ihnen ihre Arbeit abgenommen und damit das Risiko einer Fehlinvestition gesenkt haben!

Das Land Grabbing kam natürlich bisher ganz gut ohne solch einen Bodenatlas aus. So wurden laut der Land Matrix [3] seit dem Jahr 2000 weltweit rund 50 Mio. Hektar Land verpachtet oder verkauft, 35 Prozent davon in Afrika. Dennoch muß man davon ausgehen, daß der Bodenatlas unter anderem dafür genutzt wird, solche Landgeschäfte zu tätigen. Denkbar ist zum Beispiel, daß Regierungen ihre Verhandlungsposition gegenüber Investoren zu stärken versuchen, indem sie auf die im Atlas ausgewiesene gute Bodenqualität eines zur Pacht freigegebenen Stück Lands verweisen.

Man könnte an dieser Stelle einwenden, daß in dieser Welt nichts davor gefeit ist, mißbraucht zu werden, und daß der Bodenatlas eigentlich eine gute Sache ist. Dem soll nicht widersprochen werden, doch sei zu bedenken gegeben, daß die Bauern und Hirten vor Ort in der Regel wissen, welche Böden sie auf welche Weise nutzen können, und daß das Anliegen, einen kontinentweiten Überblick über die Bodenart und -qualität zu erhalten, eben auch von einer kontinentweiten, das heißt übergeordneten Administration vorgetragen und mit der Herausgabe des Bodenatlas verwirklicht wurde. Das Interesse der hyperadministrativen Ebene muß sich nicht unbedingt mit dem der lokalen Ebene decken. Die Initiative, einen Bodenatlas herauszubringen, geht von der Afrikanische Union in Verbindung mit der Euopäischen Union und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) aus.

Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß in Afrika Nahrungsmangel herrscht und eine Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge dazu beitragen kann, ihn zu lindern. Nur im distanzierten Auge des Betrachters erscheint das Aufbrechen der Erde mittels eines von einem Ochsen gezogenen Einzahn-Holzpflugs als Idyll einer anspruchslosen Lebensführung; für die Betroffenen selbst ist es nicht romantisch, beispielsweise während der "lean season", jener mageren Zeit, in der die Vorräte sich dem Ende zuneigen und die neue Ernte der nächsten Saison noch nicht reif ist, am ohnehin knappen Essen sparen zu müssen.

Aus diesem Grund wissen die Befürworter einer Politik, die vermehrte Investitionen in die Landwirtschaft fordert, ein schlagkräftiges Argument auf ihrer Seite. Allerdings können auch sie den Verdacht nicht ausräumen, daß sich das Motiv, weswegen die Landwirtschaft Afrikas jahrzehntelang vernachlässigt wurde und sich nun auf einmal um das Gegenteil bemüht wird, gar nicht verändert hat: das marktwirtschaftliche Streben nach Profit. Das kann mit einer Vernachlässigung von Investitionen oder eben ihrer Propagierung einhergehen. Zumindest läßt sich privaten Unternehmen und auch Staatsfonds, die sich an der Landnahme in Afrika beteiligen, attestieren, daß es Ihnen nicht primär darum geht, die Nahrungsnot zu beheben, die Bauern aus der Armut herauszuholen und die allgemeine Landflucht zu stoppen, sondern landwirtschaftliche Erzeugnisse für die zahlungskräftige Kundschaft, zumeist sogar für den Export zu produzieren.

Dazu erklärte Alicia Kolmans von der Hilfsorganisation Misereor in Aachen, im Gespräch mit dem Schattenblick: "Es gibt diesen Glauben, daß man private Investitionen tatsächlich auch positiv gestalten und beispielsweise Kleinbauern daran verdienen lassen kann, indem man etwa Modelle der Vertragslandwirtschaft unterstützt: Die Kleinbauern produzieren und die Produktionsmittel kommen von den Konzernen, die wiederum den Kleinbauern die Produkte abkaufen. Das sind jedoch keine neuen Konzepte, und sie haben in der Vergangenheit nicht funktioniert. Warum sollten sie also jetzt funktionieren? Die Konzerne haben nicht das Interesse, die kleinbäuerliche Produktion und die Versorgung der lokalen Märkte zu fördern. Sie wollen vielmehr Cash crops für den Export produzieren." [4]

Im Gespräch mit Experten klopft der Schattenblick seit längerem die von Politikern und Ökonomen gehandelten Konzepte zur Stärkung der afrikanischen Landwirtschaft ab, ist dabei aber in der Regel auf Ernüchterung gestoßen. So antwortete Wilfried Bommert, ehemaliger Rundfunkjournalist und Buchautor (Bodenrausch. Die Globale Jagd nach den Äckern der Welt, Köln 2012) im August vergangenen Jahr auf die Frage des Schattenblick, ob er bei seinen Auslandsreisen und umfangreichen Recherchen jemals auf ein Landinvestitionsprojekt eines ausländischen Unternehmens in Afrika gestoßen sei, das zum Wohle der örtlichen Bevölkerung tätig war und Vorbild für andere Projekte sein könnte: "Alles, was als Vorbild deklariert wird, löst sich bei näherem Hinsehen wieder auf. Es werden Versprechungen gemacht, die nachher nicht eingehalten werden. Der Standard sieht leider so aus, daß von den Regierungen Landflächen als frei deklariert werden, obwohl sie von Leuten bewirtschaftet werden." [5]

Nur wenn die Pacht- und Produktionsverträge mit den Agrounternehmen so abgefaßt sind, daß ein Gutteil des Erwirtschafteten im Land bleibt, bestehen geringe Chancen, daß dies der einheimischen Bevölkerung unmittelbar zugute kommt. Selbst Dr. Michael Brüntrup vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn, der sich um einen differenzierten Blick auf die Tätigkeit von Unternehmen bemüht, die in Afrika Land pachten oder kaufen wollen, stellte gegenüber dem Schattenblick fest:

"Sie werden immer versuchen, die besten Böden mit verkehrsnaher Anbindung für den Transport des Produkts zu den Märkten zu bekommen. Das ist eine Frage von Angebot und Nachfrage und was man auf den Böden anpflanzen kann. Solange die Investoren im Prinzip so gut wie nichts zahlen müssen - gerade in Afrika wird ihnen das Land regelrecht nachgeschmissen -, solange kann man von ihnen nicht verlangen, sich mit kargen Böden zufriedenzugeben." [6]

Aus dem detaillierten Bodenatlas für Afrika geht hervor, wo die für die Landwirtschaft unattraktiv sandigen (22 %), flachgründigen, steinigen (17 %) und jungen, schwach entwickelten Böden (11 %) liegen. Das könnte den Investoren helfen, diese Erkenntnisse künftig bei der Verfolgung ihres Ansinnens vermeidungssicherer denn je zu berücksichtigen.


Fußnoten:

[1] Der über 500 MB große Atlas wird in drei Teilen zum Download angeboten:
http://eusoils.jrc.ec.europa.eu/library/maps/africa_atlas/Documents/JRC_africa_soil_atlas_part1.pdf
http://eusoils.jrc.ec.europa.eu/library/maps/africa_atlas/Documents/JRC_africa_soil_atlas_part2.pdf
http://eusoils.jrc.ec.europa.eu/library/maps/africa_atlas/Documents/JRC_africa_soil_atlas_part3.pdf

[2] http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-375_de.htm#PR_metaPressRelease_bottom

[3] http://landportal.info/landmatrix

[4] http://schattenblick.com/infopool/politik/report/prin0127.html

[5] http://schattenblick.com/infopool/politik/report/prin0126.html

[6] http://schattenblick.com/infopool/politik/report/prin0119.html

30. April 2013