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AFRIKA/2031: Trotz Super-GAU im Akw Fukushima - kein Rückzug aus der Atompolitik (SB)


Südafrikas Regierung hält an Plan zum Bau neuer Atomkraftwerke fest

Andere afrikanische Staaten haben ähnliche Vorhaben noch nicht gestrichen


Unter dem Eindruck der schweren Nuklearkatastrophe in Japan haben afrikanische Regierungen ihre Pläne zum Bau von Atomkraftwerken bestenfalls überdacht, aber nicht gestrichen.

Wenn in einem der reichsten und technologisch fortschrittlichsten Länder der Welt in mehreren Meilern Super-GAUs stattfinden und die Umgebung weithin verstrahlt wird, dann bleiben davon anscheinend selbst die Apologeten der friedlichen Nutzung der Atomenergie nicht unberührt. So warnte der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA, Yukiya Amano, kürzlich auf einer Konferenz in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, daß die Entwicklung der Nuklearenergie strenge Richtlinien und Umweltschutzmaßnahmen erfordere. Zwar sollte Entwicklungsländern Nuklearenergie verfügbar gemacht werden, aber das sei ein kompliziertes Unterfangen, welches unter anderem eine umfangreiche Ausbildung und Sicherheitsmaßnahmen erfordere. Es sei im Interesse der afrikanischen Staaten, erneuerbaren Energien wie Wind, Sonne, Erdwärme und Wasserkraft Priorität gegenüber der Kernenergie einräumen. [1] Und das aus dem Munde des Leiters einer internationalen Einrichtung, die sich der Verbreitung der zivilen Nutzung der Atomenergie verschrieben hat!

Nigeria scheint seine nuklearen Ambitionen tatsächlich auf die lange Bank geschoben, wenngleich nicht gestrichen zu haben. Das jedenfalls geht aus den Erklärungen des nigerianischen Staatsministers für Energie, Nuhu Wya, vor einigen Tagen auf einer Energiekonferenz in Lagos hervor. Warum über Atomenergie reden - wir haben so viele andere ungenutzte Energiequellen zur Verfügung, meinte er. Warum über etwas reden, das noch nicht verfügbar und Bestandteil eines Langzeitplans sei. [1]

In Südafrika, in dem das einzige kommerziell betriebene Atomkraftwerk des Kontinents, das Akw Koberg, arbeitet, hatte das Kabinett Mitte März einen nationalen Energie- und Elektrizitätsplan (Integrated Resources Plan 2010) zum Ausbau der Atomenergie beschlossen - ungeachtet der aktuellen Fukushima-Katastrophe, die sich bereits am 11. März ereignete. Sechs neue Akws will der Kapstaat bis zum Jahr 2030 bauen, um den Atomenergieanteil von derzeit rund sechs auf dann 23 Prozent des Energiebedarfs Südafrikas anzuheben.

Die Folgen des Atomunfalls in Fukushima seien hinsichtlich des Verlusts an Menschenleben verglichen mit dem der verheerenden Überschwemmungen unbedeutend, erklärte der Leiter der südafrikanischen Atom-Aufsichtsbehörde NNR, Boyce Mkhize. [2] Die Behauptungen über Gefährlichkeit oder Untauglichkeit von Atomkraft gründeten sich nicht auf reale Fakten, meinte er. Und der Nuklearexperte Tony Scott vom staatlichen Energiekonzern Eskom sekundiert, daß täglich mehr Menschen bei Straßenunfällen getötet würden als in der Atomindustrie.

Auch Ghana will anscheinend nicht von seinen bisherigen Plänen abrücken. Zumindest gilt dies für den Generaldirektor der Ghanaischen Atomenergiekommission, Prof. Edward Akaho. Bis 2018 könnte in seinem Land ein Atomkraftwerk in Betrieb gehen, gibt er sich zuversichtlich. [3] Für Ghanas Energieproduktion wurde nicht der kleindimensionierte Forschungsreaktor bei Kwabenya, einem Vorort von Accra, ausgesucht, sondern das Land will ein größeres Kernkraftwerk bauen. Prof. Akaho sieht allerdings noch politische Hürden, bevor das Projekt in Angriff genommen werden kann. Zunächst müsse das Parlament ein Gesetz erlassen, um eine Atomaufsichtsbehörde ins Leben zu rufen, die unabhängig von Ghanas Atomenergiekommission arbeite, erklärte er. Akaho und Vertreter der IAEA werden in Kürze potentielle Akw-Standorte in Ghana auskundschaften. [4]

Der Wunsch nach einer zuverlässigen Energiequelle kam in Ghana im Zuge der Energiekrise 2007 auf. Der damalige Präsident John Agyekum Kufuor rief eine Nuklearenergiekommission ins Leben, die eine Machbarkeitsstudie zur Möglichkeit des Landes, seine Energieproduktion durch Atomenergie zu steigern, erstellte. Nach einer fast fünfmonatigen Vorbereitungszeit präsentierte der Kommissionsvorsitzende Prof. Daniel Adjei Bekoe einen Fahrplan, wie Ghana in die Lage versetzt wird, bis zum Jahr 2018 Atomstrom produzieren.

Ob aber der westafrikanische Staat an seinen Atomplänen festhalten wird, steht nach den Ereignissen in Japan noch nicht fest. In der Öffentlichkeit des Landes wird kontrovers über das Thema Atomkraft diskutiert. Das gleiche gilt für Nigeria und Südafrika. Die Nichtregierungsorganisation Greenpeace hat am Donnerstag ihre Forderung an den südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma wiederholt, von den Plänen zum Bau neuer Akws Abstand zu nehmen. [5] Unterstützt wurde dies durch Strahlenmeßergebnisse in der Ukraine und die verheerende Entwicklung in Japan. In Nigeria warnte der Vizevorsitzende des Unternehmensverbands MAN (Manufacturers Association of Nigeria), Chief Gbadebo Giwa, daß sein Land nicht über die Ressourcen verfüge, um mit den Problemen in Verbindung mit Atomkraftwerken umzugehen. Statt dessen solle die Regierung besser auf Erdgas als Energiequelle setzen. [6]

Ein großer Teil des bei der Erdölförderung austretenden Erdgases wird nach wie vor abgefackelt. Das sorgt nicht nur für Mindereinnahmen in Milliardenhöhe, sondern auch für extreme Umweltschäden. Die Einwohner des Nigerdeltas, des Hauptfördergebiets des Landes, leiden unter den öligen, rußigen Partikeln, die von den teils meterhohen Flammen beim sogenannten Gas-Flaring entstehen. Eine weitgehende Nutzung des Gases wird angestrebt, verzögert sich aber nicht zuletzt deshalb, weil die Erdölkonzerne die teilweise hohen Investitionskosten zum Auffangen des Gases nicht leisten wollen.

Neben Südafrika, Nigeria und Ghana streben noch mehrere weitere Länder Afrikas die Nutzung der Atomenergie an. Sie folgen damit - wieder einmal - einer vom westlichen Wirtschaftsmodell bestimmten Entwicklung. Der Wachstumsbegriff wird unkritisch adaptiert, was bedeutet, daß im durch die Weltordnung vorgegebenen Rahmen miteinander konkurrierender Staaten einige erfolgreich sein werden, aber nur zu Lasten vieler anderer, wie die ungebrochene Verarmung der LDC, der am wenigsten entwickelten bzw. ärmsten Staaten gezeigt hat. Von den über 50 LDC haben es in den letzten vier Jahrzehnten nur drei - Botswana, Kapverden und die Malediven - geschafft, ihren LDC-Status zurückzulassen und in die sogenannte Dritte Welt vorzustoßen.


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Anmerkungen:

[1] "IAEA Warns Africa about Nuclear Ambitions", Alternative Energy Africa, 5. April 2011
http://www.ae-africa.com/read_article.php?NID=2865

[2] "Südafrika baut neue Atommeiler - 'Fukushima-Folgen unbedeutend'", UrsprünglicheQuelle: www.proplanta.de, 1. April 2011
http://www.kapstadt.com/aktuelles/meldung/?tx_ttnews[tt_news]=436&tx_ttnews[backPid]=44&cHash=a457397308

[3] "Despite Warnings, Ghana Aims for Nuclear", Alternative Energy Africa, 6. April 2011
http://ae-africa.com/read_article.php?NID=2869&PHPSESSID=ae2131fa4705c994784ba6ccb3abf4f0

[4] "Ghana: Nation Targets Nuclear Power By 2018", Public Agenda (Accra), 4. April 2011
http://allafrica.com/stories/201104050606.html

[5] "South Africa: Learn from Chernobyl Nuclear Disaster - Greenpeace Reminds Government", Greenpeace International (Amsterdam), 7. April 2011
http://allafrica.com/stories/201104070670.html

[6] "Nigeria: Power - MAN Urges FG to Shelve Nuclear Option", This Day (Lagos), 5. April 2011
http://allafrica.com/stories/201104060590.html

7. April 2011