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AFRIKA/1973: Kenia - Umstrittener Jatropha-Anbau in Dakatcha-Woodland (SB)


Kenias führende Naturschutzorganisationen kritisieren
Jatropha-Projekt


Die Vorstellung, über den Anbau von Jatropha die Entwicklung einer Region fördern zu können und den Bauern zu einem nennenswerten Einkommen zu verhelfen, hat sich vielerorts als Fehleinschätzung erwiesen. Anscheinend ist die "Wunderpflanze" doch nicht so genügsam, wie ihr gemeinhin attestiert wird, zumindest nicht gemessen an den Ertragserwartungen von mehreren Tonnen Jatrophasamen pro Hektar. Um solche Ernteerträge zu erzielen, müssen offenbar die Wachstumsbedingungen ausgesprochen gut sein. Das heißt, die Jatrophasorte muß zu dem ausgesuchten Standort passen, genügend Nährstoffe verfügbar haben und ausreichend mit Wasser versorgt sein. In Indien, Madagaskar und anderen Ländern blieben die Erträge weit hinter den Erwartungen zurück.

So etwas spricht sich herum. Das dürfte einer von mehreren gewichtigen Gründen sein, warum kenianische Naturschutzgruppen das Unternehmen Kenya Jatropha Energy Ltd. kritisieren. Es will in der Bungale-Region bei Malindi, Coast Province, 50.000 Hektar Land für den Anbau von Jatropha erschließen. Hinter dem Unternehmen steht der italienische Investor Nouve Iniziative Industrial Sri, abgesegnet wurde das Vorhaben vom Malindi County Council.

In einem Bericht auf der kenianischen Website coastweek.com [1] schildert Joshua Kahindi, Vorsitzender der Forestry Association (Forstvereinigung) in Dakatcha Woodland, daß er 2006 damit begonnen habe, Jatropha zu pflanzen. Zunächst nur einen halben Hektar, aber die Pflanzen seien allesamt vertrocknet und hätten ihre Samen und Blätter verloren. "Die Leute, die Jatropha gefördert haben, haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht", sagt er heute. Aufgrund seiner schlechten Erfahrungen hält er nichts von den Plänen, auf den sandigen Böden des Dakatcha-Walds Jatropha anzupflanzen.

Auch Paul Matiku, Exekutivdirektor der Naturschutzorganisation Nature Kenya, kann die Begeisterung mancher Leute über Jatropha nicht teilen. National wie global wisse man noch nicht genug über die Wirtschaftlichkeit der Produktion von Jatrophaöl, warnt er. Der Pflanze werde nachgesagt, daß sie in vielen Teilen der Welt Armut ausgelöst habe. Zudem zähle Jatropha zu den invasiven Arten; die Pflanzenreste seien giftig, und wenn die Ernte ausfalle, könne Jatropha für nichts anderes verwendet werden, brachte Matiku ein ganzes Bündel an Bedenken vor. Auf den spärlichen, sandigen Böden des Dakatcha Woodland habe die Jatrophapflanze den Beweis nicht angetreten, genügend Samen zu produzieren. Darum sprächen sich die örtlichen Gemeinden gegen das Anlegen einer großen Plantage in den Waldgebieten aus, erklärt Matiku, dessen Organisation Nature Kenya gemeinsam mit der East Africa Natural History Society im vergangenen Monat eine Presseerklärung veröffentlichte, in der die Einwände gegen das Projekt ausführlich erläutert wurden. [2]

Darüber hinaus berichtete Matiku, daß Jatropha mehr Wasser pro Liter Biosprit benötigt als die meisten anderen Biosprit-Pflanzen und daß eine einzelne Pflanze einen Ertrag von vier bis sechs Kilogramm pro Jahr bringen können, aber daß Untersuchungen des Kenya Forestry Research Institute (KEFRI) einen Ertrag von gerademal 0,6 Kilogramm ergeben hätten. Die Umweltkosten für die Zerstörung von 50.000 Hektar stünden in keinem Verhältnis zu den Einnahmen aus dem Jatrophaanbau. Man müsse sich fragen, wie falsche Erwartungen Armut reduzieren können, ging Matiku mit den Anhängern des Jatropha-Anbaus streng ins Gericht. [1]

Laut einem Gutachten zu den Umweltfolgen (Environmental Impact Assessment - EIA) darf die Jatropha-Plantage gar nicht in den Dakatcha Woodland oder in deren Nähe angelegt werden. Anscheinend ist hier das Papier geduldiger als die Baumfäller. Denn die haben längst begonnen, Flächen zu roden und Claims abzustecken.

Michael Gachanja, stellvertretender Direktor der East African Wild Life Society [1], hegt den Verdacht, daß der italienische Investor weniger Interesse an Jatropha als an den Dakatcha-Wäldern habe. Falls der Anbau von Jatropha scheitere, würde das Unternehmen das Land für andere Zwecke nutzen, solange die Pacht bestehe, mutmaßt er. [1]

Ein weiterer Experte, der nicht in die Lobeshymnen für Jatropha einstimmt, ist David Newman, Chef der in Nairobi ansässigen Biosprit-Beratungsfirma Endelevu Energy. Es gebe vereinzelte Beispiele für den erfolgreichen Anbau von Jatropha, sagte er. Gelegentlich überlebe ein Jatrophabaum auf marginalisiertem Land und erzeuge ohne irgendwelche landwirtschaftlichen Inputs ein paar Samen. Aber es mache einen Unterschied aus, ob man diesen einen Baum habe, oder versucht, sein Beispiel tausende Mal auf einem Feld wiederholen zu wollen. [1]

Genauso wenig wie Jatropha nicht pauschal in den Himmel gelobt werden sollte, sollte die Pflanze pauschal verurteilt werden. Es gibt Dorfgemeinschaften in Mali und anderen afrikanischen Staaten, die gute Erfahrungen mit der Pflanze gemacht haben und nun über einen kleinen Nebenverdienst verfügen, indem sie die Samen an Händler verkaufen. Oder aber die das Öl selbst auspressen und als Brennstoff nutzen. Nicht selten ergibt sich allerdings ein Widerspruch zwischen Theorie und Praxis, wenn eine Regierung beschließt oder auf einer niedrigeren Verwaltungsebene entschieden wird, vermeintlich ungenutztes Land für den großmaßstäblichen Plantagenanbau freizugeben. Das führt in der Regel zur Verdrängung, weil das Land bereits anderweitig genutzt wurde, sowie später zu Umweltschäden und einer Steigerung des Wasserverbrauchs, wenn eine Plantage ihre Produktion aufnimmt.

Nature Kenya und andere Naturschutzorganisationen machen darauf aufmerksam, daß es in den Dakatcha-Waldgebieten seltene Vogelarten gibt, deren Bestände durch das Projekt bedroht werden, und daß der sandige Boden anfällig für Erosionsschäden ist. Wird der Wald gerodet, ist der nackte Boden mit seinem geringen Humusanteil Wind und Wetter ausgesetzt. Zu den Nutzfunktionen von Jatropha wird zwar auch der Erosionsschutz gezählt, aber diese Funktion wird hinfällig, wenn zunächst der Wald gerodet wird.

Außerdem kommt es immer wieder vor, daß Investoren, die bekanntlich nicht so bezeichnet werden, weil sie den Einheimischen Gutes tun wollen, sondern weil sie etwas von ihnen haben wollen, nämlich ihr Land und den Mehrwert der von den Menschen erbrachten Arbeit, mit völlig übertriebenen Versprechungen aufwarten. Das geht aus einem erhellenden Bericht der christlichen Organisation A Rocha Kenya - Christians Working in Practical Community hervor. [3] Man darf wohl davon ausgehen, daß die Erfahrungen, die rund 1000(!) Einheimische, die im Mai zu der öffentlichen Anhörung zur Jatropha-Plantage in den Dakatcha Woodland zusammengekommen waren, in ähnlicher Form vielerorts gemacht haben.

Kenias Regierung hat einen Fünf-Jahresplan aufgelegt und will die Biospritindustrie im Land voranzubringen. Weil Jatropha auf kargen Böden gedeihen kann, wird angenommen, daß der Anbau für Biosprit nicht in Konkurrenz zum Anbau von Nahrung oder Futter besteht. Vereinzelt trifft das zu, doch werden die höheren Erträge - wie nicht anders zu erwarten - nur auf feuchten, nährstoffreichen Böden erzielt. Deshalb besteht zwischen Jatropha und Nahrungspflanzen allzu häufig Flächenkonkurrenz.

Das Anliegen der kenianischen Koalitionsregierung ist verständlich. Sie will die Abhängigkeit vom Import fossiler Treibstoffe verringern, da das den Haushalt stark strapaziert. Isaac Kalua, Vorsitzender der Green Africa Foundation, die das Jatropha-Projekt berät, ist deshalb auch von dem Nutzen des Vorhabens überzeugt. Das Projekt schaffe Arbeitsplätze und verringere die Armut sowie die Landflucht. Mit dem Presskuchen, der nach dem Auspressen der Jatropha-Samen übrigbleibt, könne die Bodenfruchtbarkeit erhöht werden, streicht er einen weiteren Vorteil heraus. [1]

Anmerkungen:

[1] "Debate on costs, benefits of jatropha cultivation rages on in Kenya", Coast Week, 5. Juli 2010
http://www.coastweek.com/100625/kenxin_250610_02.htm

[2] "Environmental Impact Assessment Study Report for the Proposed Setting Apart of 50,000 hectares of Trust Land for Jatropha Cultivation in Bungale Area, County Council of Malindi"
http://naturekenya.org/sites/default/files/The%20Dakatcha%20Press%20statement%20by%20Nature%20Kenya%20June%202010%20comments%5B1%5D.doc%20%5BCompatibility%20Mode%5D.pdf

[3] "Public hearing for jatropha project in Dakatcha Woodlands", arochakenya, 28. Mai 2010
http://arochakenya.wildlifedirect.org/2010/05/28/public-hearing-for-jatropha-project-in-dakatcha-woodlands/
gepostet auf:
http://www.jatropha.com/Dakatcha.html

6. Juli 2010