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AFRIKA/1948: Nil-Anrainerstaaten uneins (SB)


Konfliktträchtige Wassernutzung in Zeiten der Klimaveränderungen

Ägypten und Sudan im Streit mit Oberanrainerstaaten des Nils


Zu behaupten, daß sich zwischen den Nil-Anrainerstaaten ein neuer Streit anbahnt, wäre untertrieben. Erstens ist der Streit nicht neu, zweitens birgt die Frage, wer wieviel Wasser aus dem längsten Fluß der Welt entnehmen darf, ein enorm hohes Konfliktpotential.

Am 13. April ging eine außerordentliche Anrainerkonferenz im ägyptischen Touristenort Sharm el Sheikh ohne Einigung aller Teilnehmer zu Ende gegangen. Die jeweils für Wasserfragen verantwortlichen Minister aus Ägypten und Sudan lehnten den Beschluß der übrigen sieben Minister aus Äthiopien, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Kenia, Ruanda, Tansania und Uganda ab. Diese wollen am 14. Mai einen Ratifizierungsprozeß für das neue Vertragswerk beginnen. Der Vorgang soll nicht länger als ein Jahr offen bleiben, so das Sekretariat der 1999 gegründeten und 2012 endenden Nile Basin Initiative (NBI) in Entebbe, Uganda. (http://www.nilebasin.org/)

Ägypten und Sudan haben dagegen für weitere Verhandlungen über die künftige Wasserentnahme aus dem Nil plädiert. Der Streit dreht sich vor allem um den Artikel 14 (b) aus dem Entwurf für ein gemeinsames Rahmenabkommen, das Cooperative Framework Agreement (CFA). In dem besagten Artikel wird Bezug auf die historischen Wasserrechte genommen. Der heute geltende Nilvertrag reicht noch bis zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft im Jahre 1929 zurück. 1959 schlossen Sudan und Ägypten einen Nilvertrag, der letzterem einen vergleichsweise hohen Anteil am Nilwasser zugesichert, die Oberanrainer aber gar nicht berücksichtigt hat. Dementsprechend erkennt Äthiopien, das ein besonders hohes Bevölkerungswachstum verzeichnet, diesen Vertrag nicht an. Zumal die Regierung, wie die der anderen vertraglich ausgeschlossenen Anrainer, jedesmal, wenn sie ein neues Bauprojekt zur Nutzung des Nilwasser beginnen will, bei Ägypten und Sudan um Genehmigung bitten muß und diese in der Regel verweigert wird.

Wie bei keinem anderen Anrainer bildet der Nil die Lebensader Ägyptens. Der Strom sorgt für Trinkwasser, ermöglicht eine ausgedehnte Bewässerungslandwirtschaft, sichert Fischern eine Existenzgrundlage und dient nicht zuletzt der Produktion von elektrischem Strom. Aber auch die anderen Staaten, die das Wasser des Nils nutzen, wollen wirtschaftlich prosperieren, ihren landwirtschaftlichen Sektor ausbauen und ein größeres Kontingent an Wasser aus dem Nil entnehmen, als ihnen bislang zugestanden wird.

Ägypten, das zur Zeit den Vorsitz im Nil-Ministerrat innehat, brachte bei der NilCom-Konferenz Anfang April einen neuen Vorschlag ein, wonach zunächst eine Kommission, die Nile River Basin Commission, gegründet werden sollte, noch bevor die Verhandlungen zum CFA abgeschlossen würden. Die sieben flußaufwärts liegenden Anrainer lehnten den ägyptischen Vorschlag ab und betrachten ihn als Verzögerungstaktik. Zwar wollen alle Beteiligten eine Nachfolgeorganisation zur NBI gründen, aber eben nicht außerhalb des CFA, wie es Ägypten und Sudan anstreben. Deren Vorschlag würde die Kommission zu einem zahnlosen Tiger machen.

Die Tatsache, daß die Staaten überhaupt in Verhandlungen stehen, entschärft die Lage. Dennoch können die weitreichenden Interessengegensätze über die Nutzung des zu knappen Wassers nicht verdeckt werden. Der Pegelstand des Victoriasees, aus dem sich der Weiße Nil speist, sinkt Jahr für Jahr dramatisch. Sollte das Klima in Ostafrika weiterhin Dürre bringen, wie in den letzten Jahren immer häufiger zu beobachten ist, erhöht das die Spannungen und erschwert ein diplomatisches Verhandlungsergebnis. Die Schwelle, ab der Ägypten militärische "Lösungen" in Anspruch nimmt, um seine Interessen durchzusetzen, dürfte ziemlich niedrig liegen - die Schwelle, ab der Äthiopien die ägyptischen Sorgen vollends ignoriert, ebenfalls.

26. April 2010