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AFRIKA/1946: Ruander sollen ihren Polizeistaat feiern (SB)


Polizei Ruandas feiert im Wahljahr 2010 ihr zehnjähriges Jubiläum

Regierung will anscheinend mit umfangreichen Veranstaltungskalender von der Unterdrückung der Opposition ablenken


Während die Regierung Ruandas die Opposition massiv unterdrückt und unliebsame Zeitungen schließt, läßt sie die fortgesetzte Qualifizierung des Polizeistaats auch noch von der Bevölkerung feiern. Die Rwanda National Police (RNP) feiert dieser Tage ihr zehnjähriges Bestehen. Zwei Monate lang werden aus diesem Anlaß Veranstaltungen durchgeführt. Bald darauf dürfen die Ruander (für den amtierenden Präsidenten Paul Kagame) ihre Stimme abgeben.

Zu den "Aktivitäten" der Polizei gehört nach Angaben der regierungsnahen Zeitung "The New Times" [1], die Straßensicherheitswoche. Dabei werden Verkehrspolizisten Aufkleber verteilen, die verkehrspädagogische Botschaften enthalten. Auch die Führerscheinprüfung von voraussichtlich mehr als 96.000 Fahrschülern und -schülerinnen in den nächsten zwei Monaten wird als Programmpunkt der Festivitäten genannt. Polizeisprecher Eric Kayiranga teilte laut der "New Times" mit, daß zu ihnen auch die Ausstellung von Postern und Plakaten, die Organisation von Seminaren, Talkshows und Diskussionen zur Kriminalitätsprävention von Drogenmißbrauch, Menschenhandel und Korruption gehören. Schließlich werde vom 4. bis 10. Mai eine Umweltschutzwoche begangen, in der unter anderem Bäume gepflanzt werden sollen.

Der Medizinische Dienst der Polizei wird Programme zu HIV/AIDS- und Malaria-Prävention sowie zur Gesundheit von Müttern und Familien organisieren. Man erwarte, daß sich mehr als 30.000 Einwohner einem freiwilligen HIV-Test unterziehen, erklärte der stellvertretende Polizeikommissioner und Leiter des Medizinischen Dienstes der Polizei Dr. Wilson Rubanzana in einer Live-Sendung des ruandischen Fernsehens. Außerdem wolle man zum Blutspenden auffordern.

Ein weiterer Schwerpunkt der "Feiern" wird Gewalt gegen Kinder und Frauen und häusliche Gewalt sein, wobei Schulaufsatzwettbewerbe zu diesen Themen ausgerufen werden. Am 14. Juni findet eine zweitägige Konferenz über die Politik in der Post-Genozid-Gesellschaft statt, für den 16. Juni ist die Abschlußveranstaltung im Remera Amahoro-Stadion geplant.

Was an solchen Programmpunkten "Jubiläumsfeierlichkeiten" sein sollen, wie die ruandische Zeitung behauptet, bleibt schleierhaft. Treffender wäre es von einer propagandistischen Offensive der Polizei zu sprechen. Ihre Personalstärke wurde in der zurückliegenden Dekade von vormals 3492 auf nunmehr 10.000 ausgebaut. Die einzelnen Programmpunkte für sich genommen wirken harmlos. In der Summe jedoch bilden sie das Zuckerwatte-Äquivalent zu Tränengas und Polizeiknüppel, die nicht fern sind. Der Staat nimmt seine Bürger auch dadurch an die Kandare, daß er sie zur "freiwilligen" Diensten am großen Ganzen, der ruandischen Gesellschaft, auffordert.

Mithin hat man es hier mit einer Art Feldzug der Regierungspartei RPF (Rwanda Patriotic Front) zu tun. Es wird versucht, die personalstarke Polizei gesellschaftlich stärker zu integrieren als bisher und sie Präsenz zeigen zu lassen. Zur gleichen Zeit schließt der vermeintlich unabhängige Medienrat Ruandas für sechs Monate die beiden regierungskritischen Wochenzeitungen "Umuseso" und "Umuvugizi", die in der Landessprache Kinyarwanda erscheinen, unter fadenscheinigen, für einen Polizeistaat typischen Begründungen. Umuseso soll das Staatsoberhaupt beleidigt, Polizei und Militär zur Insubordination angeregt und Furcht in der Öffentlichkeit verbreitet haben, so Medienratssprecher Wilson Karamage gegenüber der in New York ansässigen Organisation Committee to Protect Journalists (CPJ). [2]

Hätte die Zeitung auch nur den Hauch eines Anlasses für den Verdacht geliefert, sie hinterfrage die offizielle, geschichtsverdrehende Version vom sogenannten Ruanda-Genozid, bei dem 1994 binnen einhundert Tagen rund 800.000 Ruander abgeschlachtet wurden, hätten sich die Ermittlungsbehörden wegen mutmaßlicher Genozid-Leugnung eingeschaltet.

Der Beschluß zur Suspendierung der beiden Zeitungen mit sofortiger Wirkung wurde auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben, zu der laut CPJ nur staatliche Funkmedien und der regierungsnahe Radiosender Contact FM zugelassen waren. Örtliche Journalisten sagten gegenüber CPJ, daß die Beschuldigungen gegen "Umuseso" mit keinem speziellen Artikel belegt und für die Suspendierung der Zeitung "Umuvugizi" keine spezifischen Gründe genannt wurden.

Mit der sechsmonatigen Schließung dieser Zeitungen durch den Medienrat stellt die Regierung sicher, daß die Blätter nicht über die Präsidentschaftswahlen im August berichten können. Offenbar gibt es Gründe, weswegen die RPF die kritische Berichterstattung der beiden Zeitungen fürchten muß ...

Die aktuelle Propagandaoffensive kann nicht losgelöst von anderen Entwicklungen angemessen analysiert werden. Erstens wurde das vor 1994 frankophone Ruanda im vergangenen Jahr in den Commonwealth aufgenommen, obgleich Menschenrechtler dieses Staatenverbunds eindringlich davor gewarnt hatten, da Ruanda nicht die Mindeststandards der Menschenrechte erfülle. Zweitens hat Frankreich unter Sarkozy zu einem diplomatischen Vorstoß angesetzt und baut seine seit 16 Jahren auf Eis liegenden Beziehungen zu dem kleinen afrikanischen Staat, der sich zu einer Ordnungsmacht der ganzen Region aufspielt, erheblich aus. Drittens sitzt das UN-Tribunal für Ruanda (ICTR), das vom UN-Sicherheitsrat eingerichtet wurde, um die Rädelsführer sämtlicher 1994 begangener Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Anklage zu bringen, ausschließlich über Hutu zu Gericht und hat sich selbst dann nicht aufgelöst, als bekannt wurde, daß die tutsi-dominierte ruandische Regierung Belastungszeugen erpreßt hatte, so daß sie vor Gericht Falschaussagen machten, aufgrund dessen die Hutu-Angeklagten für Jahrzehnte ins Gefängnis gesteckt wurden, was wiederum als Bestätigung der offiziellen Genozid-These gedeutet wurde.

Präsident Paul Kagame, der den seit 16 Jahren schwelenden Verdacht, er habe 1994 den ruandischen Präsidenten und dessen burundischen Amtskollegen abschießen lassen, bislang nicht ausräumen konnte, baut seine Stellung innerhalb Ruandas und darüber hinaus weiter aus. Dazu tragen auch als Feierlichkeit verkleidete quasi-polizeistaatliche Maßnahmen bei.


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Anmerkungen:

[1] "Rwanda: Police to Mark 10th Anniversary", The New Times, 19. April 2010
http://allafrica.com/stories/201004190002.html

[2] "Rwanda: Govt shuts critical papers in run-up to presidential vote", Committee to Protect Journalists (New York), 16. April 2010
http://allafrica.com/stories/201004160917.html

19. April 2010