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AFRIKA/1930: Großbritannien will Wirken von "Geier-Fonds" beschränken (SB)


Über dem Opfer kreisen, warten und dann zuschlagen

Zweite Lesung im britischen Unterhaus über Beschränkung von "vulture funds"


Im britischen Unterhaus soll am Freitag über eine starke Beschränkung der sogenannten "vulture funds" (vulture = Geier) abgestimmt werden. Eingebracht wurde der entsprechende Gesetzesvorschlag vom Labour-Abgeordneten Andrew Gwynne. Die Chancen, daß sein Vorschlag angenommen wird, stehen gut, da er im Vorfeld auf breite Zustimmung stieß.

Als "vulture funds" wird der Aufkauf von Schulden eines Entwicklungslands (oder auch Unternehmens) zu einem Bruchteil der Schulden bezeichnet. Der Käufer, der ein hohes Risiko übernimmt, versucht nun durch Verhandlungen oder Klagen, die ursprüngliche Summe zu erhalten, wobei er vorzugsweise die Gelegenheit, vor Gericht zu ziehen oder auf andere Weise Druck auszuüben, nutzt, sobald ein verschuldeter Staat Entwicklungshilfe erhält oder ihm Schuldennachlaß gewährt wird.

Beispielsweise hat Liberia im vergangenen Jahr vor einem Londoner Gericht gegen die Ansprüche zweier "Geier"-Unternehmen verloren und wurde zur Zahlung von 20 Millionen Dollar verurteilt. Der ursprüngliche Vertrag stammte aus dem Jahr 1978. Sollte die britische Regierung die Tätigkeit der Geier-Fonds einschränken, so wäre in diesem Fall das Urteil rückwirkend nichtig, weil das Verfahren vor einem britischen Gericht verhandelt wurde und bislang noch kein Geld aus Liberia geflossen ist.

Die Methode der "Geier", sich in das Entschuldungsverfahren einzuhängen und Gelder abzuzocken, wurde nicht nur von Aktivistenorganisationen wie Jubilee Debt Campaign, sondern auch von Hans Humes, Eigner der in New York ansässigen Firma Greylock Capital und einer der größten Kreditgeber Liberias, verurteilt. Die britische Zeitung "The Guardian" (25.2.2010) zitiert ihn mit den Worten: "[Die] sitzen nur herum und sagen: 'Okay, wir sind die letzten Kerle und wir werden jeden Vorgang aufhalten, bei dem das Land wachsen kann, es sei denn, jemand nimmt sich unserer an.' Das ist Erpressung."

Mit den "letzten Kerlen" dürften nach Einschätzung des "Guardian" die US-Finanziers Eric Hermann und Michael Straus gemeint sein. Sie hatten andere Kreditgeber Liberias dazu gebracht, eine niedrigere Auszahlung von Liberia zu akzeptieren und ihre Ansprüche an zwei andere Firmen abzutreten, die daraufhin in Großbritannien die vollen Schulden einklagten.

Im Februar 2002 hatten Hermann und Straus in den USA Klage gegen Liberia eingereicht und die Zahlung von 18 Mio. Dollar verlangt. Zu dem Zeitpunkt hatten zwei Rebellenorganisationen die liberianische Hauptstadt Monrovia, die nicht einmal über elektrischen Strom und fließend Wasser verfügte, belagert. Da fragt man sich, wer der schlimmere Warlord ist, der damalige Präsident Charles Taylor, dem nachgesagt wird, er habe den Bürgerkrieg im Nachbarland Sierra Leone unterstützt, oder die Aufkäufer von Geier-Fonds.

Laut Gwynnes Gesetzentwurf soll die Beschränkung der Geier-Fonds für jeden der 40 Staaten, die von IWF und Weltbank als "hochverschuldete arme Länder" (HIPC) eingestuft sind, gelten. Demnach würden die Fonds keine höheren Ansprüche an die betroffenen Staaten stellen dürfen als andere Kreditgeber, die an den HIPC-Verhandlungen teilnehmen. Nicht selten, daß diese bis zu 90 Prozent der Schulden eines Entwicklungslands streichen. Bei einer Annahme des Gesetzesvorschlags ist noch innerhalb dieser Legislaturperiode mit einer Umsetzung zu rechnen.

Nach Einschätzung von Jubilee Debt Campaign haben in den letzten Jahren wenigsten 54 Unternehmen, von denen die meisten in Steuer-Oasen sitzen, Klagen gegen zwölf der ärmsten Länder der Erde eingereicht. Die Ansprüche beliefen sich zusammen auf 1,5 Milliarden Dollar. Das Geld, sollte es von den Geier-Fonds eingestrichen werden, flösse somit nicht in den Aufbau der Infrastruktur, die medizinische Versorgung oder den Bau von Schulen in den Entwicklungsländern, sondern in die Taschen wohlhabender Investoren.

26. Februar 2010