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AFRIKA/1928: Erdölfelder in Uganda - Umweltkatastrophe noch zu verhindern? (SB)


Gas-Abfackeln und Leckagen

Nichtregierungsorganisation warnen vor Umweltfolgen der
Erdölförderung in Uganda


Die ugandische Regierung ist begeistert. Wurden doch vor einigen Jahren beträchtliche Mengen Erdöl im Gestein unterhalb des Albertsees "entdeckt". Erste Ölbohrungen wurden zwar bereits 1938 u. a. von BP vorgenommen, waren aber während des Zweiten Weltkriegs und in den anschließenden Jahrzehnten nicht fortgesetzt worden. Erst in den 1990er Jahren und im zurückliegenden Jahrzehnt wurde das voraussichtliche Ausmaß der Erdölmengen genauer abgeschätzt.

Das Erdöl ist von teils ausgezeichneter Qualität und gilt als der größte Onshore-Fund des Kontinents. Man spricht von jährlichen Einnahmen in Höhe von fünf Milliarden Dollar für die ugandische Regierung. Experten vergleichen das Land sogar bereits mit Saudi-Arabien, da noch gar nicht alle potentiellen Fördergebiete erkundet wurden. Zudem könnte der Weltmarktpreis in den nächsten Jahren noch beträchtlich steigen, was die Einnahmen erhöhte. Wird die maximale globale Fördermenge von Erdöl überschritten (peak oil), dann wird Uganda künftig womöglich mehrere hundert Dollar pro Barrel (ca. 159 Liter) Rohöl einnehmen, und das Land wird Vorbild sein für Wohlstand und einen Lebensstandard, wie er in Ostafrika, vielleicht sogar auf dem ganzen Kontinent seinesgleichen sucht ...

Oder wird Uganda den gleichen Weg einschlagen, den die große Mehrheit der Erdölförderländer in Afrika auch gegangen ist und heute noch geht? Im Nigerdelta, dem wichtigsten Erdölfördergebiet Nigerias, das eine Zeitlang größte Erdölexportnation der Subsaharastaaten war, herrschen bürgerkriegsartige Zustände, nur seit vergangenem Jahr unterbrochen aufgrund eines inzwischen aber wieder aufgehobenen Waffenstillstands zwischen Regierung und Milizenorganisationen wie MEND (Movement for the Emancipation of the Niger Delta). Im Erdölland Angola wurde ein Vierteljahrhundert gekämpft, jetzt herrscht einigermaßen Ruhe. Die Armut ist nach wie vor groß. Vor einigen Wochen wurde in der erdölreichen Exklave Cabinda die togoische Fußballnationalmannschaft in ihrem Bus auf dem Weg zum Africa Cup von Milizen, die für eine Befreiung der Provinz kämpfen, beschossen. Zwei Personen wurden getötet, mehrere teils schwer verletzt.

In Sudan, dem flächengrößten Staat Afrikas, wird mit kurzen Unterbrechungen seit Jahrzehnten gekämpft. Im nächsten Jahr soll eine Volksbefragung über die Separation Südsudans abgehalten werden, wobei sich Norden und Süden noch nicht auf einen Grenzverlauf geeinigt haben. Umstritten ist die Zugehörigkeit der erdölreichen Abyei-Region. Nord- und Südsudan rüsten gewaltig auf, um "ihr" Territorium gegebenenfalls mit militärischen Mitteln zu sichern.

Das kleine Äquatorial-Guinea wird wegen seiner reichlichen Erdölvorkommen als das Kuwait Afrikas bezeichnet. Dort herrscht allerdings eines der repressivsten Regime des Kontinents. Auch die anderen erdölexportierenden Nationen Afrikas zeichnen sich alles andere als durch eine Umverteilung der Erdöleinnahmen aus.

Welchen Weg wird Uganda einschlagen - jenseits von vollmundigen Versprechungen, wie sie von den Regierungen (ebenso wie von Oppositionellen, die an die Macht kommen wollen) stets zu hören sind, um den sozialen Frieden zu wahren?

Da bislang noch keine Einnahmen fließen, die verteilt oder eben nicht verteilt werden können, bleibt nur die Deutung von Anzeichen, und da scheint Uganda einen ähnlichen Weg zu nehmen wie Nigeria. Beispielsweise hinsichtlich des Umgangs mit dem bei der Erdölförderung austretenden Gases, das in Nigeria jahrzehntelang abgefackelt wurde. Bis 2012 soll das Gas-Abfackeln beendet werden - ob der schon häufig verschobene Termin endlich eingehalten wird und ob "Beenden" das bedeutet, was man gemeinhin darunter verstehen sollte, wird sich zeigen.

Das Erdgas aus der ugandischen Erdölförderung wird möglicherweise ebenfalls abgefackelt. Das berichtete die Civil Society Coalition on Oil in Uganda, die diesen Monat gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation PLATFORM aus London den Bericht "Contracts Curse Uganda´s oil agreements place profit before people" herausgegeben hat. [1] Demnach unterlagen die zwischen der ugandischen Regierung und den Ölgesellschaften Tullow Oil aus Irland und Heritage Oil aus England bis November 2009 geschlossenen Vereinbarungen weitgehend der Geheimhaltung. Von den Vertragspartnern wurden lediglich hin und wieder Bruchstücke bekanntgegeben. Dann erhielt und veröffentliche PLATFORM Kopien von Vertragsentwürfen aus dem Jahre 2004. Diese Entwürfe, so wurde der Organisation eigenen Angaben zufolge von verschiedenen Seiten (u.a. Energieministerium Ugandas, Banken und Gutachter) bestätigt, entsprächen weitgehend den tatsächlich abgeschlossenen Verträgen (PSA - Production Sharing Agreements), wenn sie nicht sogar identisch seien.

Dem noch nicht genug, soll der Heritage Oil-Anteil komplett an eine größere Ölgesellschaft verkauft werden. Im Gespräch sind ENI aus Italien und Exxon aus den USA. Nach Einschätzung von PLATFORM werden die Investoren versuchen, Neuverhandlungen über die Verträge zu vermeiden. Auch Tullow Oil holt größere Partner mit ins Boot, u. a. China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) und Total aus Frankreich. Da würde es die Regierung, wenn sie es denn wollte, mit Forderungen nach Einhaltung von Umweltstandards schwer haben.

Die Autoren des Berichts räumen ein, daß die gegenwärtig verfügbaren Informationen über die Vertragsbedingungen unvollständig sind. Um so größer seien deshalb die Bedenken sowohl hinsichtlich der wirtschaftlichen Abmachungen als auch der Umweltschutzbestimmungen sowie der Sicherheit der Anlagen, schreiben sie. (Die Erdölförderregion am Albertsee grenzt an die Demokratische Republik Kongo und zählt als Konfliktgebiet.) Innerhalb der nächsten zehn Monate solle mit der Erdölförderung begonnen werden. Sofern die ugandische Regierung einverstanden ist, darf laut dem Vertragsentwurf das Erdgas abgefackelt werden. Auf keinen Fall soll die Förderung durch "unvernünftige" Auflagen unterbrochen oder verzögert werden, heißt es im Vertragsentwurf.

Demnach obliegt es den Unternehmen, ob sie das Gas, das immerhin ein wertvoller Energieträger ist, für eigene Zwecke nutzen oder sammeln und ugandische Gemeinden damit beliefern. Oder ob sie es abfackeln, was zu erheblichen Umwelt- und Gesundheitsschäden führen dürfte, wie das Beispiel Nigeria zeigt, wo die Einwohner seit langem gegen diese Praxis protestieren.

In Uganda wäre damit zu rechnen, daß die Ölgesellschaften über die Frage, Gas abfackeln oder nicht, aufgrund wachsweicher Verträge nach keinen anderen als rein wirtschaftlichen Kriterien befinden werden. Sollte die Regierung Ugandas ein Gesetz zum Verbot des Gas-Abfackelns verabschieden, so müßte sie die Ölgesellschaften entschädigen oder versuchen, die Verträge (sofern sie den Entwürfen entsprechen) gerichtlich zu widerrufen.

Die Umweltgefahren aus der Ölförderung beschäftigt nicht nur NGOs. So warnte die irische Labour-Abgeordnete Nessa Childers in der vergangenen Woche, daß die zwischen Uganda und Tullow Oil getroffenen Vereinbarungen "schwerwiegende Folgen für die Umwelt" haben können, und forderte die Vertragspartner auf, sich zur Einhaltung der Weltbank-Standards Global Gas Flaring Reduction zu verpflichten und mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, um das Gas-Abfackeln in Afrika zu verringern. [2]

Welche Mengen an Gas gefördert, genutzt oder abgefackelt werden, ist zur Zeit vollkommen offen. Das Verhältnis zwischen Erdöl und Erdgas an den Bohrstellen variiert stark. Man kann allerdings pauschal davon ausgehen, daß sich die Menge nach dem Fördervolumen des Erdöls richtet. Diese Woche kündigte Tullow an, daß im Jahre 2015 um die 150.000 Barrel pro Tag und 2018 bis zu 180.000 Barrel pro Tag gefördert werden könnten. [3] Damit erhöht sich wahrscheinlich die Erdgasmenge, die abgefackelt werden muß. Auch die Gefahr von Leckagen wächst signifikant an.

Auf der Basis der Analyse der Vertragsentwürfe befürchtet PLATFORM, daß die Ölgesellschaften einen großen Anteil an den Einnahmen erhalten - die Rede ist von 35 Prozent -, daß sie im Falle von Umweltschäden weder für deren Beseitigung noch gegebenenfalls für Entschädigungszahlungen aufkommen müssen, daß der Regierung vertraglich die Hände gebunden sind, Umwelt- und Menschenrechtsstandards zu verbessern, daß das Gas abgefackelt wird und daß die Höhe von Bonus-Zahlungen an die Regierung weiter undurchsichtig bleibt.

Tullow hat wiederholt versichert, daß die Ölförderung in Uganda der "guten internationalen und Industrie-Praxis" folgt. Doch was ist diese Praxis wert angesichts der Erfahrungen aus der Erdölförderung in Nigeria, wo die Umwelt über Jahre und Jahrzehnte hinweg aufs schwerste verseucht wurde, sowie der Erfahrung, daß bei jeder Förderung, mag die Handhabung mit dem schwarzen Gold auch noch so umsichtig erfolgen, Erdöl in die Umwelt gelangt? Dieser Kelch wird auch am Albertsee und seiner Umgebung nicht vorübergehen.

Die intransparente Politik der ugandischen Regierung nährt die Befürchtungen der Nichtregierungsorganisationen, daß Erdöl in Uganda dem gleichen "Fluch" unterliegt wie in Nigeria, Sudan, Angola und anderen Staaten, das heißt, daß es den Reichtum der Ölgesellschaften aus Europa, USA und China sowie einigen wenigen Regierungsmitgliedern und einheimischen Unternehmern auf sagenhafte Weise vermehrt, ansonsten jedoch die Armut verstärkt. Das könnte dann zu bewaffneten Kämpfen führen, wie sie in Uganda selbst in Zeiten aufgetreten sind, in denen das Erdöl noch keine Begehrlichkeiten geweckt hatte, weil niemand von seinem Vorkommen wußte. Darüber hinaus existiert ein Disput, dem Nachbarn Demokratische Republik Kongo über den Verlauf der Grenze durch den Albertsee. Hier kam es in der Vergangenheit bereits zu bewaffneten Auseinandersetzungen.


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Anmerkungen:

[1] http://www.carbonweb.org/documents/uganda/Cursed_Contracts_Uganda_PLATFORM_CSCO_Tullow_Heritage_2010_February.pdf

[2] "Childers criticises Tullow Oil's plans to 'flare' natural gas in Uganda", Statement by Nessa Childers MEP, 18. Februar 2010
http://www.labour.ie/press/listing/126650423614712020.html

[3] "Uganda: Oil Output to Reach 350,000 Barrels by 2018, says Tullow", New Vision (Kampala), 22. Februar 2010
http://allafrica.com/stories/201002230198.html

23. Februar 2010