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AFRIKA/1912: Hunger läßt Simbabwer hohe Risiken eingehen (SB)


Von Krokodilen und anderen Menschen


In den vergangenen Wochen haben Krokodile im Chivero-Stausee in Simbabwe acht Angler getötet, lesen wir bei Spiegel Online [1] und anderen deutschen Websites. Die Opfer hätten ohne Erlaubnis geangelt und dabei bis zur Hüfte in den Gewässern gestanden. Ein Angler habe sich schwer verletzt retten können.

Hier wird eine Agenturmeldung, die sich wiederum auf Angaben der Nationalparkverwaltung, welche auf die Zeitung "Sunday Mail" zurückgeht, quasi eins zu eins kolportiert, ohne daß sich die geringste Mühe gegeben würde, den Hintergrund der Vorfälle zu beleuchten.

Warum begeben sich Menschen in Simbabwe in Lebensgefahr? Man kann gesichert davon ausgehen, daß die Angler von der Gefahr wußten, die in dem Stausee auf sie lauert. Wer weiß, vielleicht sind viele Menschen, von denen man nichts gehört hat, der Gefahr, von Krokodilen gefressen zu werden, entkommen und konnten ihrerseits reiche Beute mit nach Hause nehmen.

In Simbabwe herrscht große Armut und Lebensmittelmangel. Die Angler dürften abgewogen haben zwischen dem Druck, nichts zu essen zu haben, und dem Risiko, den Krokodilen zum Opfer zu fallen. Wenn sich die Nachrichtenportale die Mühe sparen, die ökonomische Not der Simbabwer auch nur mit einem Satz zu erwähnen, bleibt nur noch die voyeuristische Sensation, daß hier Menschen gefressen werden.

Zahlreiche Einwohner Simbabwes haben sich einen eigenen kleinen Garten angelegt, um Obst und Gemüse anzubauen und zu überleben, berichtete IRIN, der regionale Informationsdienst der Vereinten Nationen, in der vergangenen Woche. [2] Dennoch gibt es viele Menschen, die hungern müssen. Allein das Welternährungsprogramm wird mindestens noch bis April rund 1,8 Millionen von insgesamt 2,8 Millionen bedürftigen Einwohnern mit Lebensmitteln versorgen. Auf der Website dieser UN-Einrichtung heißt es: "Hyperinflation und akuter Mangel bei der Grundversorgung in Verbindung mit einer Serie von sehr schlechten Ernten hat in den letzten Jahren in Simbabwe zu einer schwerwiegenden Nahrungsknappheit und akuter Ernährungsunsicherheit geführt. (...) Diese Situation macht eine großmaßstäbliche humanitäre Operation zur Nahrungsunterstützung in dem Land erforderlich." [3]

Ohne diese einfach zu beschaffenden Hintergrundinformationen wird in dem Artikel auf Spiegel Online der Eindruck erweckt, die Opfer hätten illegal gehandelt (keine Lizenz zum Angeln) und seien auch noch unvernünftig, wo doch schon vor ihnen so viele Menschen von Krokodilen gefressen wurden. Die Meldung ist somit nicht nur voyeuristisch, sondern bedient sich auch der kolonialistischen Sichtweise des sich überlegen wähnenden Weißen, der sich selbstverständlich an Recht und Ordnung hält.

Nur zur Erinnerung: Es waren die weißen Kolonialherren, welche vor über hundert Jahren die Bauern aus dem heutigen Simbabwe enteignet, vertrieben und in Konzentrationslager gesteckt haben, um anschließend aus diesem Heer an Arbeitssklaven die brauchbarsten für den Bergbau und die Plantagenarbeit zu rekrutieren. Das Erbe der gewaltsam herbeigeführten ungleichen Landverteilung wurde faktisch erst ab dem Jahre 2000 durch die Zerschlagung von mehreren tausend von Weißen gehaltenen Großfarmen beendet.

Mit diesem Schritt war der simbabwische Präsident Robert Mugabe bei Großbritannien und anderen europäischen Staaten sowie den USA vollends in Ungnade gefallen. Die heutige Nahrungsnot im Land hat auch damit zu tun, daß die Landreform von diesen Ländern torpediert wird. Dessen ungeachtet sichert Mugabe seine Macht mit brutalen Mitteln. Das tat er allerdings bereits in den achtziger Jahren, als seine berüchtigte 4. Brigade 20.000 mutmaßliche Oppositionelle im Matabeleland tötete, als der Westen kein Problem damit hatte, mit ihm zusammenzuarbeiten.


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Anmerkungen:

[1] "Krokodile töten acht Angler", Spiegel Online, 17. Januar 2010
http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,672416,00.html

[2] "Zimbabwe: The Seeds of Plenty", UN Integrated Regional Information Networks, 13.Januar 2010
http://allafrica.com/stories/201001130954.html

[3] Website des Welternährungsprogramms. Zugriff am 18. Januar 2010. Übersetzung: Schattenblick.
http://www.wfp.org/countries/zimbabwe

18. Januar 2010