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RATTE/034: Tragödie der srilankischen Tamilen längst nicht zu Ende (SB)


UN-Menschenrechtsrat stärkt Sri Lankas Regierung den Rücken

Die Not Hunderttausender vertriebener Sri-Lanka-Tamilen darf weiterhin nicht von humanitären Hilfsorganisationen gelindert werden


Offiziell hat der Krieg zwischen der srilankischen Regierung und der tamilischen LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam), die den Kampf für das jahrzehntelangen Repressionen unterworfene tamilische Volk geführt hat, seit August 2006 22.000 LTTE-Kämpfer das Leben gekostet. Nach Angaben von Hilfsorganisationen kamen Tausende Zivilisten ums Leben, die Vereinten Nationen schätzen die Zahl ziviler Toter seit Januar 2009 auf 7.000. 300.000 Flüchtlinge wurden von der Armee in Lagern zusammengepfercht. Wenn auch weiterhin Journalisten kein Zugang gewährt wird und somit keine bestätigten Informationen vorliegen, gibt es dennoch genug Zeugenaussagen von Flüchtlingen, Berichte von Menschenrechtsorganisationen sowie Fotos, die ein Bild von der Lage der Sri-Lanka-Tamilen vermitteln.

Es gibt kaum eine tamilische Familie in Sri Lankas Nordosten, die nicht mehrere Tote zu beklagen hat, kaum eine Familie, die sich über das Schicksal anderer Familienangehöriger nicht im Ungewissen befindet. Doch der Endsieg der Regierung von Premierminister Mahinda Rajapakse, den diese als vollen militärischen und nach der Verabschiedung der jüngsten Resolution des UN-Menschenrechtsrats vom 28. Mai 2009 in Genf auch als diplomatischen Sieg für sich verzeichnet, bedeutet für die internierten Sri-Lanka-Tamilen noch lange nicht das Ende ihres Daseins hinter Stacheldraht, bewacht von Soldaten, ohne ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln und Wasser und ohne die nötigen medizinischen Hilfsleistungen.

Obwohl der Öffentlichkeit trotz aller Bemühungen der srilankischen Regierung die durch die srilankische Armee (SLA) begangenen Menschenrechtsverstöße nicht verborgen bleiben konnten, hat der UN-Menschenrechtsrat eine von mehreren Staaten geforderte unabhängige Untersuchung der Kriegsverbrechen auch der Regierung Sri Lankas abgelehnt und zugleich eine Gewährung des Zugangs humanitärer Hilfsorganisationen zu den Internierungslagern, den sogenannten "Integrated displaced Persons Camps" (IDP), nicht verlangt. Die Regierung Sri Lankas hält trotz des Endes der Kämpfe an diesen Lagern fest. Sie begründet dies damit, erst der in den Lagern womöglich untergetauchten LTTE-Kämpfer habhaft werden zu wollen. Eine Rückführung der Flüchtlinge in ihre Heimat ist erst innerhalb eines halben Jahres vorgesehen.

Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay, die sich gemeinsam mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vor wenigen Tagen, am 23. Mai, vor Ort ein Bild der Lage gemacht hatte, erklärte, daß es "starke Hinweise" darauf gebe, daß beide Seiten "das Grundprinzip der Unantastbarkeit von Zivilisten grob mißachtet" hätten. Umso unverständlicher erscheint dann die Haltung des UN-Menschenrechtsrats, die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung sämtlicher Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen abzulehnen. Ban Ki Moon seinerseits rief zur nationalen Versöhnung auf und meinte, er hoffe, daß sein Besuch dabei helfen könne, "einen Prozeß zur nationalen Erholung, Erneuerung und Versöhnung zu beginnen." Auch er will ganz offensichtlich das ganze Ausmaß der an tamilischen Zivilisten begangenen Verbrechen nicht weiter thematisieren. "Die Regierung sollte Maßnahmen zur Vertrauensbildung zwischen den Minderheiten ergreifen und Sorgen der Minderheiten ansprechen", schlug der UN-Generalsekretär vor, ohne die sofortige Freilassung der internierten Tamilen zu fordern. Mit den Worten "Die Welt wird zusehen", brachte er die Haltung der Vereinten Nationen auf den Punkt.

Der UN-Menschenrechtsrat, der nach kontroversen Debatten einen Resolutionsentwurf der Regierung Sri Lankas (!) annahm, in dem ausschließlich die mutmaßlichen Kriegsverbrechen der Befreiungstiger von Tamil Eelam zur Sprache gebracht werden, hat mit diesem Schritt der srilankischen Regierung den Rücken gestärkt. In der Erklärung wurde der Kampf gegen die Rebellen ausdrücklich gelobt. Eine derart einseitige Resolution lenkt nicht nur den Blick von der gewaltsamen Unterdrückung der tamilischen Minderheit ab, sondern wird die Tamilen in Sri Lanka wie auch in der Diaspora in ihren Widerstandsbestrebungen noch bestärken, da ihnen auf internationaler Ebene, auch von den Vereinten Nationen und dem UN-Menschenrechtsrat, keinerlei Unterstützung zuteil wird.

Doch nicht nur angesichts der in Genf verabschiedeten Resolution, sondern auch infolge einer über ein halbes Jahrhundert währenden Geschichte der Repression gegen die Tamilen Sri Lankas, die in der letzten militärischen Offensive der Rajapakse-Regierung eine weitere Eskalation erfahren hat, wird der Aufruf Ban Ki Moons nach Versöhnung und der Ausspruch, alte Feindschaften müssen überwunden werden, in der tamilischen Bevölkerung Mißtrauen erwecken und für große Teile inakzeptabel sein. In einer am 24. Mai veröffentlichten Erklärung der LTTE bestätigte diese den Tod ihres langjährigen Führers und Gründers Velupillai Prabhakaran und erklärte, der 54jährige sei eine Woche zuvor bei Kämpfen gegen Regierungstruppen getötet worden. Die Regierung Sri Lankas scheint dennoch ein Aufflammen der Aktivitäten der Guerillabewegung - möglicherweise aus der Diaspora - zu befürchten, was die Entscheidung des UN-Menschenrechtsrates beeinflußt haben mag.

Die tatsächlichen Interessen dieser angeblich der Durchsetzung der Menschenrechte verpflichteten UN-Institution offenbaren sich bereits an dieser Stelle, wenn gegen die Errichtung solcher Lager und der Internierung Hunderttausender Menschen keinerlei Protest erhoben oder die Verhängung von Sanktionen gefordert wird. Auch jetzt, nach dem vollständigen Sieg der srilankischen Armee, wo eine Freilassung aller hungernden und mangelversorgten tamilischen Zivilisten mehr als naheliegend wäre, ist nichts dergleichen verlautbart worden. Spätestens in dem Moment, in dem nach einer Abstimmung der Resolutionsentwurf angenommen wurde, der von eben dem Staat vorgelegt worden ist, der eigentlich zur Anklage gestanden hätte, besteht nicht mehr der geringste Zweifel daran, daß der UN-Menschenrechtsrat weder seinen eigenen Anspruch noch die Funktion, die ihm zugeschrieben wird, erfüllt.

30. Mai 2009