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RATTE/031: Sri Lankas Armee führt Krieg mit Einverständnis des Weltsicherheitsrats (SB)


Kapitulation oder Tod - Sri Lankas Armee führt den Krieg gegen die tamilischen Befreiungstiger "bis zum bitteren Ende"

Keine Intervention der internationalen Gemeinschaft - UNO erklärt Konflikt zur "inneren Angelegenheit" des Inselstaates


Seit über einem halben Jahrhundert kämpfen die Tamilen Sri Lankas gegen Diskriminierung und Repression durch die singhalesische Regierung, und seit über dreißig Jahren führt die Guerillaorganisation LTTE (Tigers of Tamil Eelam) den vor diesem Hintergrund entstandenen Kampf um einen eigenen Staat. Nun ist es der singhalesischen Regierung gelungen, die tamilische Bevölkerung auf einem schmalen, nur noch 17 Quadratkilometer großen Küstenstreifen zusammenzupferchen und die LTTE dorthin zurückzudrängen. Obwohl die Guerillaorganisation bereits Ende Februar ein Waffenstillstandsangebot unterbreitet hat, lehnt die srilankische Regierung dies kategorisch ab und setzt ihr Bombardement unerbittlich fort.

Einem Bericht der jungen Welt (7.4.) zufolge wurde am vergangenen Sonntag auch die letzte Bastion der LTTE erobert, zahlreiche Führungspersonen sollen im Kampf gefallen sein. Die Regierung von Staatspräsident Mahinda Rajapakse akzeptiert nur ein Aufgeben und Niederlegen der Waffen der Tamilentiger als Lösung. Andernfalls sieht sie sich angeblich "genötigt", die in die letzte verbliebene Sicherheitszone zurückgedrängte LTTE ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu vernichten, weshalb vielfach befürchtet wird, daß der Konflikt in einem Blutbad enden könne. Noch immer sollen sich 50000 bis 150000 Menschen in dem Gebiet befinden. Sir John Holmes, stellvertretender UN-Generalsekretär, geht aktuell von 190.000 Menschen aus, die zwischen die verfeindeten Fronten geraten seien. Auch er äußerte sich besorgt über die humanitäre Lage.

Immer wieder macht die tamilennahe Nachrichten-Webside Tamilnet auf die vielen Todesopfer aufmerksam. Wie sie am 3. April berichtete, kamen innerhalb von drei Tagen 90 Zivilisten ums Leben, 195 wurden verwundet. Am 4. April verzeichnete Tamilnet 71 Tote und 143 Schwerverletzte, die aufgrund der medizinischen Mangelversorgung nicht behandelt werden können. Alle Todesopfer kamen in dem als Sicherheitszone deklarierten Gebiet durch Granatenbeschuß durch die srilankische Armee (SLA) ums Leben. Aktuelle Berichte gehen vom Tod von mehr als 500 LTTE-Kämpfern innerhalb der letzten fünf Tage aus.

Da ausländischen Journalisten die Berichterstattung direkt vor Ort untersagt ist und auch die srilankischen Medien der strengen Kontrolle durch die Regierung unterliegen, gibt es keine gesicherten Zahlen und nur wenige von internationalen Organisationen bestätigte Meldungen. So läßt sich nicht überprüfen, wie vereinzelt gemeldet, ob die Armee seit Montag unaufhörlich Luftangriffe gegen die Sicherheitszone fliegt, wobei verstärkt Splitterbomben, Feuerbomben wie auch Phosphorraketen abgeschossen worden sein sollen.

In Folge der eingeschränkten Berichterstattung ist das Ausmaß der durch die srilankische Regierung begangenen Menschenrechtsverbrechen der Weltöffentlichkeit kaum bewußt. Nur wenige Berichte zeugen von der Tragik der unzähligen Toten für Freunde und Familienangehörige, von den schweren Verwundungen der Ehemänner, Kinder und schwangeren Frauen, denen medizinische Hilfe regelrecht verweigert wird, da die Regierung Sri Lankas die Auslieferung von Medikamenten wie auch von Nahrungsmitteln in die betroffenen Tamilengebiete unterbindet. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung hat die srilankische Regierung den Krieg gegen die gesamte tamilische Bevölkerung Sri Lankas ausgeweitet.

Die LTTE hatte bereits am 24. Februar vor der internationalen Gemeinschaft ihre Bereitschaft zu einem Waffenstillstand und zu Gesprächen um eine Lösung des Konfliktes bekundet, um das Elend der Tamilen zu beenden. Die einzige dauerhafte Lösung sehen sie allerdings weiterhin in einem eigenen unabhängigen Staat Tamil Eelam. Die auch jüngst wiederholte Forderung der srilankischen Regierung, die Waffen niederzulegen, hat die LTTE, die keinerlei Garantien von der Regierung Mahinda Rajapakses zugesichert bekommen hat, auch weiterhin abgelehnt. Die Regierung hatte das Anliegen der Guerilla lediglich als "Witz" und als "Trick" bezeichnet. Sie behauptet, die LTTE werden einen Waffenstillstand lediglich nutzen, um ihrer Niederlage zu entgehen und ihre Kampfkraft erneut zu stärken. Sie beharrt darauf, daß die Guerillakämpfer sich ergeben müßten.

Am 25. und 26. März 2009 trafen in London 45 tamilische Würdenträger aus 21 Ländern zusammen. Sie äußerten ihre tiefe Besorgnis über die Situation der Tamilen Sri Lankas. Auch sie forderten einen sofortigen Waffenstillstand. Neben ihren Lösungsvorschlägen bekundeten sie öffentlich, daß die Befreiungstiger von Tamil Eelam (Liberation Tigers of Tamil Eelam - LTTE) die legitimen Vertreter der Anliegen der tamilischen Bevölkerung sind. Auf verschiedenen Demonstrationen bekunden Tamilen in der Diaspora immer wieder die Solidarität mit ihren Volksangehörigen.

Am 20. März drängte B. Nadesan, Führer des politischen Flügels der LTTE, China, das Leiden des tamilischen Volkes vor dem Weltsicherheitsrat zur Diskussion zu bringen. Am 27. März fand dann vor dem UN-Sicherheitsrat ein Anhörung des stellvertretenden UN-Generalsekretär John Holmes statt, der kurz zuvor einer Einladung von Staatspräsident Mahinda Rajapakse nach Sri Lanka gefolgt war, um sich vor Ort ein Bild über die Lage zu machen. Anschließend hieß es, die Angelegenheit gehöre nicht auf die Agenda des UN-Sicherheitsrates. Der russische Botschafter Vitaly I. Churkin merkte sogar an, die Anhörung sei eine einmalige Angelegenheit gewesen und werde nicht über diese Sitzung hinausgehen. Er sprach von einer internen Angelegenheit, die die Regierung Sri Lankas durch militärische und politische Mittel gegen eine terroristische Gruppe in den Griff zu bekommen versuche. Im Anschluß an die Sitzung waren sich die Mitglieder des Rates einig, daß die LTTE die Waffen niederlegen müsse. Es wurde keine Forderung nach einem Waffenstillstand gestellt.

Ein Eingreifen von internationaler Seite gibt es folglich nicht. Die USA hatten hingegen bereits im Februar in Erwägung gezogen, eine Expeditionsbrigade unter dem Kommando des US Pacific Command (PACOM) nach Sri Lanka zu einer "humanitären Hilfsaktion" zu entsenden, doch dies muß als Tarnmanöver verstanden werden, bei dem die Evakuierung von Tamilen aus dem Krisengebiet lediglich einen Vorwand hätte bieten sollen, um militärisch auf der Insel Fuß zu fassen. Tatsächlich versuchen die USA schon seit geraumer Zeit, ihre strategischen und wirtschaftlichen Interessen in der Region zu sichern. Mit Mißfallen beobachten sie die wachsende Bedeutung der Handelswege im Indischen Ozean und den zunehmenden Einfluß der Seemächte Indien und China.

Der Indische Ozean ist für die USA aber auch in Hinsicht auf die Regionen des Mittleren Ostens und Zentralasiens von strategischem Interesse. Sri Lanka bietet sich folglich als idealer Ausgangspunkt für alle Operationen im Indischen Ozean an. Um die amerikanisch-indische Partnerschaft möglichst nicht zu gefährden, wäre ein Zusammenspiel während des PACOM-Einsatzes zwischen den USA und Indien im Interesse Washingtons. Die USA befürchten, daß der Konflikt in Sri Lanka zu massiven Unruhen unter den Tamilen Südindiens führen und die indische Regierung destabilisieren könne.

Seit 25 Jahren führt die LTTE den Befreiungskampf für das tamilische Volk und galt lange Zeit als unbesiegbar. Erst seit 2006 und speziell seit der 2008 anberaumten Militäroffensive der SLA verzeichneten die tamilischen Befreiungstiger massive territoriale Verluste. Eine Reihe sich ungünstig auswirkender Faktoren dürfte dabei eine Rolle gespielt haben. Mit dem Wahlsieg Mahinda Rajapakses zum Staatspräsidenten im Jahr 2005 hatte sich die Lage extrem zugespitzt. Zum einen sicherte sich Rajapakse für seinen Wahlsieg die Unterstützung der radikalen buddhistischen Mönchspartei JHU und der marxistisch-nationalistischen JVP, die beide eine Autonomielösung für die Tamilen im Norden kategorisch ablehnen. Zum anderen waren die Tamilen im Norden zu einem Wahlboykott aufgerufen worden, in dessen Folge 700 000 Tamilen nicht an die Wahlurnen gingen. Damit führten sie maßgeblich den knappen Wahlsieg Rajapakses herbei, der nur wenige Prozentpunkte vor seinem weit kompromißbereiteren Opponenten, dem ehemaligen Premierminister Ranil Wickremasinghe, lag.

Im Anschluß an seinen Wahlerfolg holte Rajapakse seinen Bruder Gotabhaya aus den USA zurück. Nach zwei Jahrzehnten hatte dieser als Oberstleutnant die srilankischen Armee verlassen, war in die USA übergesiedelt und dort in das Computer-Geschäft eingestiegen. 2005 kehrte er als amerikanischer Staatsbürger nach Sri Lanka zurück, wo Mahinda Rajapakse ihm das Amt des Verteidigungsstaatssekretärs übertrug. Gemäß der US-amerikanischen Devise, nach der weltweit Krieg gegen den sogenannten Terrorismus geführt werden müsse, um die Freiheit als demokratisch geltender Staaten zu verteidigen, erklärten auch Mahinda und Gotabhaya Rajapakse, Krieg gegen die als terroristische Organisation bezeichnete LTTE zu führen. Beide Brüder vertreten die in diesem Zuge verbreitete Auffassung: "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns". Sie bekundeten, man könne einen militärischen Angriff nicht ohne öffentliche Unterstützung gewinnen, und so greifen sie bis heute zur Durchsetzung dieses Ziels in die öffentliche Berichterstattung ein. Gotabhaya Rajapakse sagte über Friedensverhandlungen: "Nennen Sie mir einen Ort, wo das funktioniert hat."

Für Staatspräsident Rajapakse bot sich an, im Fahrwasser der Weltgemeinschaft zu schwimmen und die massiven militärischen Übergriffe der SLA gegen die LTTE und die tamilische Zivilbevölkerung als Terrorismusbekämpfung zu legalisieren. Entsprechend haben Staaten wie die USA, Kanada, Indien, Großbritannien und die EU die LTTE auf die Liste terroristischer Organisationen gesetzt. China und Pakistan lieferten in großem Umfang Waffen an die srilankische Armee, und gleichzeitig ermöglichten die USA und Indien durch Aufklärung über Schiffsbewegungen das Unterbinden illegalisierter Waffentransporte an die Guerilla.

Als schweren Schlag gegen die für ihre Freiheit und Menschenwürde kämpfenden Tamilen läßt sich die gelungene Spaltung der Organisation bezeichnen. 2004 lief der LTTE-Oberkommandierende Karuna Amman, einstiger Sicherheitskoordinator des Chefs der Guerilla, Vellupillai Prabhakarans, der bis dahin erfolgreich die östlichen Tamilengebiete verteidigt hatte, über und kollaborierte von da an gemeinsam mit seinen Kämpfern mit den srilankischen Streitkräften. Anfang letzten Monats ernannte Staatspräsident Mahinda Rajapakse den ehemaligen LTTE-Oberst zum Minister für Nationale Integration und Aussöhnung. Mit der massiven Unterstützung von internationaler Seite und Karunas wertvollen Hinweisen konnte es der srilankischen Armee gelingen, wichtige Stellungen der Guerilla auszuheben und sie nun auf den winzigen Küstenstreifen, der nur noch aus Strand und Dschungel besteht, zurückzudrängen.

Trotz der Niederlagen, die die "Eelam-Tamilen" in ihrem Kampf bis heute zu verzeichnen haben, und gerade angesichts der jüngsten Offensive der srilankischen Armee ist kaum davon auszugehen, daß die LTTE aufgeben und sich geschlagen geben wird. Selbst wenn auf der Insel lediglich sechs der weltweit 77 Millionen Tamilen leben, so stehen die Volkangehörigen aus Indien, der Diaspora und anderen Regionen hinter der LTTE. Für sie sind die Tamilentiger Befreiungskämpfer gegen die seit Jahrzehnten währende Repression und Diskriminierung ihres Volkes. Die srilankische Regierung ist dabei, ungehindert vor den Augen der Weltöffentlichkeit einen Völkermord zu begehen. Da die internationale Gemeinschaft auf der Seite Sri Lankas steht, wird es jedoch keine Ankläger vor ihren Tribunalen geben.

9. April 2009