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DILJA/1171: Putschisten in Honduras drohen indirekt mit einem Bürgerkrieg (SB)


Honduras in Händen der Militärs

Putschregierung erklärte ihren Austritt aus der Organisation Amerikanischer Staaten und droht indirekt mit einem Bürgerkrieg


José Manuel Zelaya Rosales, der gewaltsam gestürzte Präsident von Honduras, hat aus Sicht seiner politischen Gegner während seiner Amtszeit so entscheidende "Fehler" gemacht, daß die Reißleine gezogen wurde, sprich das Militär eine Entwicklung zu beenden sucht, die dem Land venezolanische Verhältnisse bescheren würde. Auf sein Betreiben hin trat das mittelamerikanische Land im vergangenen Jahr der Bolivarischen Alternative für die Völker Unseres Amerika (ALBA) bei, einem Zusammenschluß linksgerichteter lateinamerikanischer Staaten, in dem Solidarität mehr als nur ein Wort bzw. ein seiner Natur und Zweckbestimmung nach leeres Versprechen ist. Durch seinen politischen Schwenk hat sich Zelaya, der im Jahre 1987 an die Spitze des Unternehmerverbandes COHEP gewählt worden war und der Liberalen Partei (PLH) angehört, die in Wechselkooperation mit der zweiten staatstragenden Partei, der Konservativen Partei (PC), das Land fest im Griff zu haben scheint, erbitterte Feinde in den Reihen seiner ehemaligen politischen Bündnisgenossen gemacht, die hinter ihm längst "den Schatten" des venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez wittern.

Diese Annahme ist keineswegs unbegründet, denn tatsächlich hat die beginnende Zusammenarbeit mit Venezuela dem Land und seiner bisherigen, rechtmäßigen Regierung unter Präsident Zelaya Unterstützung in der durch die sogenannte Weltwirtschaftskrise zugespitzten sozialen Notlage erbracht. Bereits im Dezember 2007 war Honduras dem von Venezuela ins Leben gerufenen Erdölbündnis Petrocaribe beigetreten mit der Folge, wie die übrigen 18 Mitgliedstaaten der Karibik und Mittelamerikas Öl zu stark vergünstigten Preisen aus Venezuela zu erhalten. Zelaya wäre nicht der Geschäftsmann, Pardon, klug abwägende Staatspräsident, der er ist, wenn er die Vorteile dieser Kooperation gegenüber den Versprechungen, die beispielsweise die USA als langjähriger Partner dem kleinen Land machten und in Zeiten größter eigener wirtschaftlicher Engpässe erst recht nicht einhielten, nicht zu nutzen und zu schätzen gewußt hätte.

Der gegen ihn am vergangenen Sonntag durchgeführte Putsch erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem Zelaya, dessen Gegner sich in der rechten Fraktion seiner eigenen Partei bereits konsolidiert und mit ebenfalls rechtsgerichteten Kräften im Obersten Gerichtshof, den Spitzen der Wirtschaft und natürlich auch dem Militär zusammengeschlossen hatten, die Idee, das Volk über die politische Zukunft des Landes bestimmen zu lassen in Form einer Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung, in die Tat umzusetzen begonnen hatte. Seine Widersacher in der eigenen Partei hatten im Frühjahr für die im November bevorstehende Präsidentschaftwahl, die zeitgleich mit den Abgeordneten- und Bürgermeisterwahlen durchgeführt werden, mit Elvin Santos einen Kandidaten nominiert, der im Fall seines Wahlerfolgs wie auch sein konservativer Kontrahent den eingeleiteten Linksschwenk rückgängig machen und insbesondere die Mitgliedschaft Honduras' in der ALBA beenden würde.

Die putschenden Kräfte haben allerdings die Rechnung ohne den Wirt, sprich die verarmte Bevölkerung gemacht. Als im Oktober vergangenen Jahres der Nationalkongreß den Beitritt zur ALBA ohne Gegenstimmen beschloß, hatte es nicht eine Partei, auch nicht die konservative, gewagt, gegen den Beitritt und somit die damit unmittelbar verknüpften sozialen Fortschritte für die notleidende Bevölkerung zu stimmen. Wenn nun die Putschisten unter Roberto Micheletti, der wie Zelaya der Liberalen Partei angehört, verzweifelt versuchen, die Zustände in dem Land, in dem das Militär in den Straßen patrouilliert und die Proteste niederzuschlagen versucht und in dem die demokratischen Rechte außer Kraft gesetzt worden sind, als irgendwie normal darzustellen, ist dies einzig und allein dem Ansehen des Landes gegenüber dem Ausland geschuldet. Da eine freie Berichterstattung in Honduras mit der ersten Stunde des Putsches vom Militär unterbunden wurde und alternative Sender bestenfalls aus der Illegalität heraus informieren können über den Stand der landesweiten Gegenwehr, versucht Putschpräsident Micheletti in Ermangelung einer realistischen Berichterstattung in den internationalen Medien, den Putsch als einen normalen Amtswechsel erscheinen zu lassen.

Am heutigen Freitag erreichte der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, José Miguel Insulza, die Hauptstadt Tegucigalpa. Schon vor seiner Abreise hatte Insulza deutlich gemacht - auch wenn dies in westlichen Medien fälschlicherweise so dargestellt wurde, als befände er sich auf einer Vermittlermission -, daß er die bedingungslose Wiedereinsetzung Zelayas und damit eine Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse erwirken wolle. Die Frage, wie die OAS auf die sich abzeichnende und inzwischen erfolgte Haltung der Putschregierung, das ihr gestellte 72stündige Ultimatum verstreichen zu lassen, reagieren wolle, ist hinfällig geworden, da die Putschisten dem Honduras angekündigten Ausschluß aus der OAS durch eine eigene Austritterklärung zuvorgekommen sind. Damit ist am 7. Tag nach dem Putsch unmißverständlich klargestellt, daß die neuen Machthaber ungeachtet der internationalen Ablehnungsfront ihren Kurs nicht nur beibehalten, sondern tendenziell sogar noch verschärfen wollen.

Daran ändern auch die vermeintlichen Zugeständnisse nichts, die Roberto Micheletti an die Adresse der OAS gerichtet hat, indem er verlautbaren ließ, zu vorgezogenen Neuwahlen oder einem Referendum über die Rückkehr Zelayas bereit zu sein, sollte dies zur Lösung der Krise beitragen können. Alles andere als ein klarer Schlußstrich unter den Putsch und gegen die Putschisten käme einer Anerkennung der von ihnen mit militärischer Gewalt vollzogenen Machtanmaßung gleich, und so hat insbesondere auch der venezolanische Staatspräsident Hugo Chavez klargestellt, daß Ergebnisse von Wahlen, die in Honduras unter der Kontrolle der Militärs durchgeführt wurden, nicht anzuerkennen sind. Zelaya selbst will noch an diesem Wochenende in sein Heimatland zurückkehren, wovon Micheletti ihn mit einer, wenn auch indirekt formulierten Drohung abzuhalten versucht.

"Um des Friedens im Lande willen würde ich es vorziehen, wenn er nicht käme, denn ich will nicht, daß auch nur ein Honduraner einen Tropfen Blut vergießt", erklärte Micheletti listig. Wäre ihm daran gelegen, ein Blutvergießen zu verhindern, hätte er dazu alle Mittel in der Hand, schließlich bräuchte er nur das Militär zurückzubeordern und die Staatsgewalt wieder in die Hände Zelayas zu überantworten. Da die Gewalt ausschließlich von seiten der Putschisten ausgeht, was in der westlichen Berichterstattung bei aller vorgeschobenen Ablehnung mit gezielter Absicht ignoriert wird, liegt die Option, die höchst angespannte Situation in dem Land zu entschärfen, das kurz vor dem Ausbruch eines Bürgerkrieges zu stehen scheint, allein auf ihrer Seite.

4. Juli 2009