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DILJA/1170: Krieg gegen das eigene Volk - Honduras am 6. Tag des Putsches (SB)


In Honduras wurde in wenigen Putschtagen eine Militärdiktatur errichtet

Bürgerkriegsgefahr - der gestürzte Präsident Zelaya will trotz der ihm angedrohten Verhaftung zurückkehren und für die Demokratie kämpfen


An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, nicht an ihren Worten! Die tiefe Weisheit dieser biblischen Worte hat sich, zumindest in jüngster Vergangenheit, wohl kaum deutlicher gezeigt als an den Reaktionen der neuen US-Administration auf den Putsch des honduranischen Militärs gegen den demokratisch gewählten Präsidenten des mittelamerikanischen Landes, José Manuel Zelaya Rosales. Barack Obama macht alle Anstalten, sich als der größte Meister des Täuschens und Trügens unter den bisherigen US-Präsidenten einen höchst zweifelhaften Ruhm in der Geschichte zu erwerben. Wie Wölfe in Schafspelzen führen Obama und weitere hochrangige Regierungsmitglieder Worte im Munde, die vermuten lassen sollen, sie stünden kerzengerade im Lager der demokratisch gesonnenen Kräfte, die weltweit in nahezu einhelliger Weise den keineswegs unblutigen Militärputsch in Honduras verurteilen.

Der tatsächliche Frontverlauf in dieser Auseinandersetzung, die alles andere als ein auf Honduras begrenzbarer Konflikt ist, verläuft quer durch die verbale Einheitsfront der den Putsch verurteilenden Kräfte. Den Lackmustest in Sachen Übereinstimmung zwischen Worten und Taten haben in den bisherigen, seit dem Putsch vergangenen Tagen die meisten lateinamerikanischen Staaten bestanden, die unterhalb der Schwelle militärischer Maßnahmen alle wirtschaftlichen und politischen Maßnahmen ergriffen haben, um die Putschisten zu isolieren und in eine Situation zu manövrieren, in der sie bzw. die von ihnen unter dem Deckmantel einer aufrechterhaltenen demokratischen Fassade errichtete Militärdiktatur politisch wie wirtschaftlich nicht lange wird überleben können.

Der brasilianische Präsident Lula da Silva hatte nach dem Putsch erklärt, Lateinamerika dürfe nicht zulassen, daß im 21. Jahrhundert wieder ein demokratisch gewählter Präsident durch einen Militärputsch gestürzt werde. Die meisten Staaten Mittel- und Südamerikas zogen umgehend ihre Botschafter aus Honduras ab, die unmittelbaren Nachbarstaaten Guatemala, El Salvador und Nicaragua beendeten sofort alle Wirtschaftsbeziehungen und schlossen ihre Grenzen zu Honduras. Die Mitgliedstaaten des Zentralamerikanischen Integrationssystems (SICA) erklärten durch die Präsidenten Costa Ricas, El Salvadors, Guatemalas, Honduras (Zelaya), Panama, der Dominikanischen Republik, Belizes und Nicaraguas, daß alle Kredite und Auszahlungen der Zentralamerikanischen Bank an Honduras ausgesetzt und jegliche Kontakte, die als Unterstützung für die Putschisten interpretiert werden könnten, beendet werden.

All diese Maßnahmen könnte die putschende Oligarchie von Honduras - das putschende Militär steht im Bunde mit der Bourgeoisie des Landes, zu der neben dem Obersten Gerichtshof auch die Parlamentsmehrheit zu zählen ist, die mit Ausnahme der einzigen linken Partei "Demokratische Vereinigung" (UD) am Mittwoch sogar für die Verhängung des Ausnahmezustands im ganzen Land votiert hat - zur Not noch eine geraume Zeit überstehen. Dem Land droht nicht nur der Rückfall in die irrtümlich für überwunden gehaltenen Zeiten blutiger Militärdiktaturen, die in den 1970er und 1980er Jahren allesamt die Handschrift der US-amerikanischen Militärakademie "School of the Americas" trugen, einer Putsch- und Diktaturschule, deren Absolventen den Hegemonialanspruch Washingtons in dem zum US-Hinterhof deklarierten Kontinent sicherstellten. Der jetzige Putsch stellt eine Spätlese dieser Gewaltherrschaft dar, haben doch viele der heute führenden Militärs in Honduras als junge Soldaten an der grausamen Unterdrückung linker Oppositioneller in jenen Jahren mitgewirkt und gegen die eigene Bevölkerung Krieg geführt.

Die Obama-Administration tut selbstverständlich nicht das Geringste, um diese Zusammenhänge kritisch darzustellen und zu beleuchten. Sie beschränkt sich auf Verbalerklärungen und geringfügige Maßnahmen, die einzig und allein darauf ausgerichtet sind, gegenüber der Weltöffentlichkeit die Interessenübereinkunft zwischen Washington und den neuen Machthabern in Tegucigalpa zu verbergen. Der Putschpräsident Roberto Micheletti, der von der putschkritischen Bevölkerung bereits mit dem Namen "Pinocheletti" bedacht wurde, rühmte sich bei seiner Antrittsrede vor dem Nationalkongreß, er habe das Land vor dem "Chavismus" gerettet. Bekanntlich hatte auch der chilenische Putschgeneral Pinochet den Putsch vom 11. September 1973 als Rettungsmaßnahme zu verkaufen versucht und erklärt, die von ihm errichtete Diktatur diene dem Zweck, die "Demokratie" in Chile zu "retten".

Ganz nach dem berüchtigten Pinochet-Motto, die Demokratie "müsse gelegentlich in Blut gebadet werden", scheinen nun auch die Putschisten in Honduras vorgehen zu wollen. Sie stellen sich sämtlichen Protesten der übrigen Welt - in die Reihen der den Putsch verurteilenden Staaten stellten sich neben den lateinamerikanischen Ländern schließlich auch die USA und die EU-Staaten sowie die Vereinten Nationen - so taub, wie sich ein so kleines Land eigentlich nur stellen kann, wenn es sich der klammheimlichen Unterstützung einflußreicher Staaten sicher sein zu können glaubt. Um welche es sich dabei handeln könnte, läßt sich anhand der ambivalenten Haltung Washingtons, aber auch der EU-Staaten, unschwer vermuten. So erklärte Obama am Montag, Zelaya sei der einzige von den USA anerkannte Präsident. Ihm blieb jedoch auch nichts anderes übrig, wollte er nicht vor der Zeit Gefahr laufen, als heimlicher Putsch-Unterstützer erkannt zu werden. Die Taten, die folgten, waren denn auch mehr als dürftig. Zunächst hatte US-Außenministerin Hillary Clinton noch offen und ehrlich bekannt, daß Washington gar nicht daran dächte, die Wirtschaftshilfe für Honduras einzustellen, obwohl die USA aufgrund ihres eigenen Auslandshilfegesetzes keine Entwicklungshilfe an ein Land zahlen dürfen, dessen gewählte Regierung durch einen Militärputsch gestürzt wurde. Dies hatte lediglich zur Folge, daß sich sämtliche US-Repräsentanten mit peinlicher Genauigkeit davor hüten, die Worte "Putsch" oder "Staatsstreich" im Zusammenhang mit Honduras in den Mund zu nehmen.

Am Mittwoch nun haben sich die 34 Außenminister und Botschafter der Mitgliedsländer der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington darauf verständigt, den Putschisten in Honduras eine 72stündige Frist zu setzen, innerhalb derer die "verfassungswidrige Aufhebung der demokratischen Ordnung" rückgängig gemacht und Präsident Manuel Zelaya sofort und bedingungslos in sein Amt wiedereingesetzt werden müsse, andernfalls erfolge der Ausschluß von Honduras aus dem Staatenbund. Dieser Erklärung mußte - notgedrungen, weil ansonsten eine Offenlegung der US-amerikanischen Verstrickungen gedroht hätte - auch Washington zustimmen. An einen völligen Abbruch der diplomatischen Beziehungen wurde in den EU-Staaten, die demonstrativ ihre Botschafter abzogen, ebensowenig gedacht wie in Washington an eine völlige Einstellung der Honduras, dem bis dato stabilsten Aktivposten US-amerikanischer Vormachtsbestrebungen in den mittelamerikanischen Staaten, gewährten finanziellen Unterstützung.

Und so haben die Militärmachthaber und ihre parlamentarischen Mit-Putschisten, ganz im Vertrauen darauf, daß die vollmundigen Verurteilungen des Putsches von den westlichen Staaten ganz und gar nicht so gemeint sind, wie sie sich anhören, weitere Schritte eingeleitet, um die von ihnen gewaltsam hergestellte Ordnung auch gegen die zu erwartenden Proteste der eigenen Bevölkerung durchzusetzen. Am Mittwoch wurde nicht nur der Ausnahmezustand über das ganze Land erklärt - die Ausgangssperre gilt ohnehin noch, wenngleich sich Zehntausende im ganzen Land nicht davon abhalten lassen, für die Rückkehr Zelayas zu demonstrieren -, zugleich wurden die in der Verfassung verankerten Grundrechte aufgehoben. Damit hat das Militär alle Hände frei, um unter Einsatz aller Mittel gegen die nun opponierende Linke im Land vorzugehen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung wurde ebenso aufgehoben wie die Vereinigungs- und die Bewegungsfreiheit. Das Verbot willkürlicher Verhaftungen gilt ebenfalls nicht mehr, und da in dem Land bereits schwarze Listen kursieren, auf denen die Namen von 600 Oppositionellen stehen, ist mit einer Verhaftungswelle großen Ausmaßes zu rechnen.

All dies droht am Samstag in einen offenen Bürgerkrieg ausgeweitet zu werden. Präsident Zelaya hat seine ursprünglich für Donnerstag angekündigte Rückkehr in das Land um zwei Tage verschoben, um die den Putschisten von der OAS gesetzte und am heutigen Freitag ablaufende Frist zur Beendigung des Putsches abzuwarten. Da der Putschpräsident auch jedes Gespräch mit Repräsentanten der OAS über eine Beendigung der diktatorischen Verhältnisse verweigert, wird das Militär gegen die Rückkehr Zelayas, der von Zehntausenden seiner Landsleute auf den Straßen Tegucigalpas in Empfang genommen werden wird, aller Voraussicht nach mit äußerster Gewalt vorgehen.

3. Juli 2009