Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → MEINUNGEN

DILJA/1097: Israels Massaker-Krieg in Gaza - der Westen liefert Waffen (SB)


Phase 3 - Die israelische Armee führt einen Massaker-Krieg in Gaza

Waffenlieferungen an Israel belegen die Kriegsbeteiligung des Westens


Bereits seit Tagen sind rund 400.000 Menschen in Gaza-Stadt von der israelischen Armee hermetisch eingeschlossen. Dieser Belagerungsring hindert die palästinensische Bevölkerung daran, auch nur den Versuch zu unternehmen, durch eine Flucht aus der Stadt - und sei es ins Nirgendwo des seinerseits abgeriegelten Gazastreifens - den aus der Luft sowie von See aus geführten Bombenangriffen der israelischen Armee sowie den vorrückenden Panzern und Infanteriesoldaten zu entkommen. Da es im Gazastreifen weder eine Luftverteidigung noch Panzerabwehrsysteme gibt, können sich den Angreifern nur die palästinensischen leichtbewaffneten Milizen entgegenstellen, die allesamt von Israel und seinen westlichen Verbündeten zu "terroristischen" Organisationen erklärt wurden, deren Vernichtung der Auffassung der Angreifer zufolge jede noch so verheerende Maßnahme rechtfertigt.

In der Lesart Israels wird die humanitäre Katastrophe, für deren Beschreibung sich die gewohnten sprachlichen Mittel bereits als höchst ungenügend erweisen, weil sie schon aufgebraucht sind und insbesondere die nahezu täglich durchgeführte Steigerung dieses auf allen nur denkbaren Ebenen geführten Massakerkrieges kaum noch in Worte zu fassen vermögen, keineswegs verschwiegen, sondern zur weiteren Kriegsrechtfertigung eingesetzt. Die Schrecken der Bevölkerung Gazas, die ausnahmslos in Todesangst versetzt wurde, indem sie zunächst einer Hungerblockade ausgesetzt, dann unter Feuer genommen, militärisch eingeschlossen und schlußletztendlich von einer ihr haushoch überlegenen Militärmaschinerie niedergewalzt wird, sollen gar nicht verheimlicht oder auch nur bagatellisiert werden - wie um zu unterstreichen, daß die Hamas, um deren Vernichtung willen all dies eben geschehen müsse, im Interesse der "Zivilbevölkerung" auf schnellstem Wege, also unter möglichst rücksichtslosem Einsatz der militärischen Mittel Israels, ausgelöscht werden müsse.

Am Morgen des heutigen Donnerstags, dem 20. Tag dieses Krieges, stellte sich "die Lage" so dar, daß acht Kassam-Raketen, die vom Gazastreifen aus auf israelisches Gebiet abgefeuert worden waren, in der Negev-Wüste einschlugen, ohne einen Schaden anzurichten. Chaled Meschaal, der in Syrien lebende Leiter des Politischen Büros der Hamas, hatte in einem im britischen Guardian veröffentlichten und in der jungen Welt in einer Übersetzung von Jürgen Heiser am 9. Januar 2009 abgedruckten Text [1] dargelegt, daß die "selbstgebauten Raketen" ein "Protestschrei gegenüber der Welt" seien und daß die Palästinenser nicht, wie von Israel und seinen "US-amerikanischen und europäischen Förderern" gewollt, schweigend sterben werden. Aus westlicher Sicht läßt sich aus Worten wie diesen ableiten, daß die Hamas ihre Raketenangriffe nicht einstellen wird, und es versteht sich von selbst, daß in der westlichen Welt die völkerrechtlich hochbrisante, weil vollkommen eindeutig zu beantwortende Frage danach, ob denn nicht eine Bevölkerung wie die unter Krieg, Blockade und Besatzung leidende palästinensische, das Recht auf Selbstverteidigung habe, gar nicht erst gestellt wird.

Wie Clemens Verenkotte auf NDR Info am heutigen Mittag berichtete, sind die Panzereinheiten der israelischen Armee, unterstützt durch Bombenangriffe der israelischen Luftwaffe, zum Teil schon bis in das Zentrum von Gaza-Stadt vorgerückt. Der aus Tel Aviv berichtetende NDR-Korrespondent schilderte unter Berufung auf Angaben eines aus Gaza direkt berichtenden eigenen Mitarbeiters, daß es seit den frühen Morgenstunden zu heftigen Kämpfen gekommen ist und daß große Rauchschwaden über der Stadt zu sehen sind. Viele Menschen hätten, zum Teil noch in Schlafanzügen, versucht, vor den anrückenden Panzern weiter ins Innere der Stadt zu flüchten; ältere Menschen seien in Rollstühlen fortgeschoben worden. Verenkotte zufolge wurden Berichte darüber, daß sogar das Hauptquartier des UN-Hilfswerks für Palästina (UNWRA), ein großes, blau-weiß angestrichenes und deshalb nicht zu verwechselndes Gebäude angegriffen und getroffen wurde, von mehreren Quellen bestätigt. Demnach brenne ein ganzer Flügel des UNRWA-Hauptquartiers, auch ein Krankenhaus soll in Flammen stehen.

In diesem Hauptquartier wurden mehrere hundert Tonnen Hilfsgüter, also Nahrungsmittel und Medikamente, auf die die in extremer Not lebende Bevölkerung dringend angewiesen ist, gelagert, die nun drohen, den Flammen zum Opfer zu fallen. Gleiches gilt für das dortige Treibstoffdepot, die letzte größere "Tankstelle" Gazas, in der sich vor allem auch die internationalen Hilfsorganisationen mit Benzin versorgen, um Versorgungsfahrten und Verwundetentransporte durchführen zu können. Sollte sich bewahrheiten, daß die heutigen Angriffe der israelischen Armee, die nach eigenen Angaben am gestrigen Mittwoch 60 "Ziele" im Gazastreifen angegriffen hat, darunter viele Wohnhäuser und sogar ein Friedhof, der humanitären Infrastruktur (oder vielmehr deren verbliebene Reste) internationaler Institutionen wie UNWRA und dem Internationalen Roten Kreuz gegolten haben und die ohnehin vollkommen ungenügende Versorgung der Bevölkerung vollständig zusammengebrochen ist, würde dies einen besonderen Qualitätssprung in der Kriegführung darstellen.

Verzweifelte Menschen stehen an den Fenstern ihrer Häuser und rufen in der Hoffnung, über Al Dschasira die Weltöffentlichkeit zu erreichen, das Ausland um Hilfe an. Welches Ausland? Der Schrecken dieses mörderischen Krieges, dem bereits über eintausend Palästinenser zum Opfer gefallen sind, fußt nicht nur auf dem Vorgehen der israelischen Armee, sondern besteht in der Gewißheit, daß er ohne die klammheimliche und doch tatkräftige Unterstützung der führenden westlichen Staaten gar nicht möglich wäre. Diese mühen sich nach Kräften, durch diplomatische Gespräche mit allen Beteiligten, nur eben nicht der Hamas und den im Gazastreifen lebenden Menschen, den Anschein zu erwecken, ihr Möglichstes zu tun, um einen schnellstmöglichen Waffenstillstand und im Anschluß daran eine durch politsche Verhandlungen herbeigeführte Lösung des Konfliktes herbeizuführen.

Mit der Realität dieses Krieges, seiner Hintergründe, eigentlichen Beweggründe und Zielsetzungen hat dieses wohl aus den Schubladen propagandistischer Standardwerke stammende Vorgehen allerdings nur wenig gemein. "Harte" Fakten sprechen hingegen eine unmißverständliche Sprache, und so liegt die besondere Perfidie der westlichen Kumpanei darin, den israelischen Vernichtungskrieg als gerechtfertigt, alternativlos und zwingend notwendig zu bezeichnen, weil durch ihn der "Waffenschmuggel" (an die palästinensischen Milizen) unterbunden werden solle, während zugleich die Waffenlieferungen aus dem Westen an das ohnehin weit überlegene Israel nicht einmal in dieser Zeit ausgesetzt werden.

So sollen in diesen Tagen 3000 Tonnen mit militärischen Gütern - Waffen und Munition - von Griechenland aus nach Israel verschifft werden. Es kann vorausgesagt werden, daß die Regierung dieses NATO-Staates die Aufforderung der "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP), dieser Ausfuhr keine Genehmigung zu erteilen, nicht Folge leisten wird. Da dieser Krieg auch ein Krieg der NATO-Staaten ist, wird weder Griechenland noch irgendein anderer westlicher Staat die geringsten Schritte unternehmen, um Israel an dessen Fortsetzung zu hindern. An die betreffenden Reeder und Hafenarbeiter in Griechenland richtete die PFLP zudem mit dem Argument, daß, wer sich an diesem Transport beteilige, das Blut der Menschen in Gaza an seinen Händen kleben habe, die Aufforderung, die Verschiffung zu blockieren.

Da die israelische Armee diesen Krieg unter Einbeziehung aller Waffengattungen führt und sogar noch, sollten mit der jetzt begonnenen "Phase 3", sprich der militärischen und Haus für Haus, Straße um Straße und Stadtteil für Stadtteil durchgeführten Eroberung bzw. Zerstörung Gazas, noch immer nicht die Kriegsziele Israels und seiner Verbündeten erreicht worden sein, mit einer Phase 4 zu steigern wüßte, wird sie früher oder später in nicht unwesentlicher Weise auf militärischen Nachschub angewiesen sein. Eine solche Blockade oder gar ein mit der praktischen Solidarität zu den in ihrem Überleben bedrohten Palästinensern begründeter Hafenarbeiterstreik würde von der griechischen Regierung gegebenenfalls wohl mit polizeilichen Maßnahmen beantwortet werden, wodurch sich die innenpolitisch ohnehin angespannte Lage Griechenlands nach den Dezember-Unruhen wieder verschärfen und damit offenlegen würde, daß die Rundum-Unterstützung der EU- und NATO-Staaten für das kriegführende Israel diese ihrerseits vor innenpolitische Konflikte stellen könnte, mit denen sie nicht unbedingt gerechnet haben.

Anmerkung

[1] Wir werden nicht schweigend sterben. Israels Krieg wird den palästinensischen Freiheitswillen nicht besiegen, von Chaled Meschaal, junge Welt vom 9.1.2009, S. 7

15. Januar 2009