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LAIRE/1284: Blutdiamanten - Global Witness hat sich aus Kimberley-Prozeß zurückgezogen (SB)


Legitimationsbegriff für die reguläre Ausbeutung: Blutdiamant


Der Verkauf von Diamanten, zu Schmuck verarbeitet, zieht zu Weihnachten kräftig an. Geht es nach den Werbestrategen, drückt sich im Geschenk eines Diamanten Zuneigung und Liebe aus. Dieser geschickt plazierte Eindruck wird durch die Bezeichnung "Blutdiamant" getrübt. In die öffentliche Debatte eingebracht worden war er von Nichtregierungsorganisationen, die kritisierten, daß sich der Verkauf von Diamanten aus Bürgerkriegsgebieten wie Angola oder Sierra Leone konfliktverschärfend und -verlängernd auswirkt und daß die internationalen Diamantenunternehmen Blut an den Händen haben, wenn sie solche Konfliktdiamanten kaufen und vertreiben. Am 1. Dezember 2000 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Verkauf von Konfliktdiamanten verurteilt, seit 2003 läuft der sogenannte Kimberley-Prozeß, demzufolge nur noch offiziell zertifizierte Diamanten aus bestimmten Ländern gehandelt werden dürfen.

Die Diamentenindustrie mit ihrem Quasi-Monopolisten DeBeers wollte sich zunächst überhaupt nicht auf die Bezichtigung einlassen, hatte aber irgendwann die Nützlichkeit des Begriffs "Blutdiamant" erkannt und sich an die Spitze der Bewegung gesetzt, um sie kontrollieren zu können. Der Ruf von Diamanten hatte eine Zeitlang sehr gelitten, der Verkauf ging zurück. Die Umsatzeinbrüche waren allerdings auch darauf zurückzuführen, daß immer mehr Diamanten aus Konfliktgebieten über neue Wege in den Handel eingeschleust wurden und dadurch die absolute Dominanz von DeBeers im internationalen Handel vielleicht nicht gebrochen, aber doch gemindert wurde. Deshalb betrachten DeBeers und Co die Bezeichnung "Blutdiamant" mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Lachend deshalb, weil sie mittels des Kimberley-Prozesses die Chance erhalten haben, verlorenes Terrain zurückzuerobern.

Am 5. Dezember 2011 hat die Nichtregierungsorganisation Global Witness eine Presseerklärung abgegeben, daß sie sich vom Kimberley-Prozeß verabschiedet hat. Die Begründung: "Trotz intensiver Bemühungen einer Koalition aus NGOs über viele Jahre hinweg wurden die wichtigsten Mängel und Schlupflöcher des Prozesses nicht behoben, und die meisten Regierungen, die sich daran beteiligen, zeigen weiterhin kein Interesse an einer Reform." [1]

Die Verbraucherinnen und Verbraucher könnten sich noch immer nicht sicher sein, woher ihre Diamanten stammten, und ob sie mit ihrem Kauf nicht bewaffnete Konflikte oder repressive Regime unterstützten, schrieb Global Witness.

So nachvollziehbar die Kritik der Organisation an bestimmten Auswüchsen der ausbeuterischen, menschenvernichtenden Praxis des Schürfens von Diamanten auch ist, die Verwertung menschlicher Arbeit sollte schon grundlegend hinterfragt werden, wenn man sich nicht zum Steigbügelhalter und Legitimationslieferanten der hauptsächlichen Profiteure des vorherrschenden Wirtschaftssystems verdingen will. Denn es ist zu fragen: Wenn man mit dem Kauf eines Diamanten keinen bewaffneten Konflikt und kein repressives Regime unterstützt, wen unterstützt man dann damit? Beispielsweise einen milliardenschweren Monopolisten wie DeBeers, der nur dadurch so viel Kapital akkumulieren konnte, daß er den in seinen Minen von den Arbeitern erwirtschafteten Mehrwert abgegriffen hat. Er hat ihnen einen Teil ihres Lohns vorenthalten und angehäuft. Dieses Vorgehen wird vom System gefördert.

Den Grundkonflikt zwischen Arbeiter und Unternehmer, dem Eigner der Produktionsmittel, über Bezeichnungen wie Blutdiamant an der Oberfläche irregulärer räuberischer Verhältnisse abhandeln zu wollen hieße, sich auf die Seite der Nutznießer dieser Ordnung zu stellen. In diesem Sinne wären alle Diamanten als blutig zu bezeichnen, ob sie von brutalen Dschungel-Warlords in Tarnkleidung oder abgefeimten Geschäftsleuten in Nadelstreifenanzügen vertrieben werden. Kein Diamant, der nicht mit Blut geschürft wurde. Das macht seinen eigentlichen Wert aus, der dann - glitzernd, blendend - vom Establishment und allen, die sich ein wenig dazugehörig fühlen wollen, zur Schau getragen wird.



Anmerkungen:

[1] "Africa: Global Witness Leaves Kimberley Process, Calls for Diamond Trade to Be Held Accountable", Global Witness (London), press release, 5. Dezember 2011
http://allafrica.com/stories/201112050004.html



24. Dezember 2011