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LAIRE/1249: EU-Satellitennavigationssystem Galileo - teures Streben nach Globalhegemonie (SB)


Verspätet, verteuert, verrucht - das im Aufbau begriffene europäische Satellitennavigationssystem Galileo


Als die Europäische Union vor zehn Jahren ihre Lissabon-Strategie vorstellte, mit der die Europäer bis 2010 zum führenden Technologie- und Wissenschaftsstandort der Welt aufsteigen wollten, kam dem Satellitennavigationssystem Galileo eine besondere Bedeutung zu. Unabhängig vom US-amerikanischen Militär wollte man werden; europäische Trägersysteme und Satellitentechnologien sollten einen Schub erfahren; vielfältigste Spin-off-Effekte seien zu erwarten; die EU-Bürger würden in den Genuß einer exakten geographischen Position und darüber hinaus zahlreicher weiterer Dienste kommen; ein Gutteil dieses zivilen Projekts würde die Industrie übernehmen; eine wahre Geldmaschine sei Galileo.

Wie die "Financial Times Deutschland" am Donnerstag auf ein ihr vorliegendes Regierungsgutachten berichtete, rechnet die EU-Kommission inzwischen mit zusätzlichen Aufbaukosten von 1,5 bis 1,7 Mrd. Euro und damit, daß Galileo auf lange Sicht Verluste einfährt. 750 Mio. Euro werden schätzungsweise pro Jahr zugeschossen. Nicht vor 2017/18 wird der Aufbau des europäischen Satellitennavigationssystem abgeschlossen sein. Dann konkurriert Galileo, das mit 30 Satelliten nahezu den gesamten Globus erfaßt, nicht nur mit dem weltweit etablierten amerikanischen GPS, sondern auch mit dem russischen Glonass und einem chinesischen GPS. In den bisherigen Berechnungen zu den jährlichen Betriebskosten von 250 Mio. Euro, so ist zu erfahren, seien nicht die Kosten für die langfristige Aufrechterhaltung des Systems eingerechnet worden. Zu dumm aber auch. Damit war nicht zu rechnen, zumindest nicht zu einem Zeitpunkt, an dem das Projekt noch umstritten war und den EU-Bürgern schmackhaft gemacht werden mußte ...

Die Industrie hat übrigens den Braten gerochen und sich aus der finanziellen Verantwortung herausgestohlen, wohlwissend, da das Projekt schon so weit gediehen war, daß die EU-Oberen nicht anders konnten, als es weiterzubetreiben und die Kosten zu übernehmen. Diese werden auf die Bürgerinnen und Bürger abgewälzt. 20 Milliarden Euro in den nächsten 20 Jahren wird das Vorhaben die europäischen Steuerzahler kosten, schreibt die FTD.

Außerdem hat sich der Charakter Galileos gewandelt. Wurde das Projekt ursprünglich damit beworben, daß die Amerikaner "uns" nicht mehr den sauberen GPS-Empfang würden abschalten können und das Projekt rein zivil sei, wurden nach und nach Stimmen laut, die - zunächst noch zurückhaltend - bedauerten, daß das Militär nicht auf ein so fortschrittliches System zurückgreifen dürfe, aber mit den Jahren immer deutlicher forderten, daß Galileo selbstverständlich "auch" vom europäischen Militär genutzt wird. So wandelte sich ein ziviles Standortbestimmungssystem zu einem Projekt, das mehr und mehr die Interessen des Militärs und des Sicherheitsstaats bedient.

Keine Neuigkeit, aber nochmals in Erinnerung gebracht: Die Steuerzahler finanzieren ihren eigenen Überwachungsapparat sowie den Expansionsdrang ihrer Funktionseliten. Das Battle-Group-Konzept der Europäischen Union kommt zwar nicht recht vom Fleck, doch sollte Galileo eines Tages in Betrieb gehen, werden auch europäische Kampftruppen die von ihm gelieferten Positionsdaten verwenden, um den europäischen Lebensstil im Rahmen von Ressourcensicherungskriegen an den entlegensten Punkten der Erde "verteidigen" zu können.

7. Oktober 2010